Futuristische Parabel über das Artensterben

Everything Will Change. Deutschland/Niederlande 2021. Regie: Marten Persiel. 92 Minuten. Kinostart: 14. Juli 2022

Das Science-Fiction-Drama von Marten Persiel kombiniert dokumentarische und fiktionale Elemente zu einem märchenhaften Road Trip, der die Folgen des Artensterbens fantasievoll veranschaulicht und eine klare Botschaft sendet.

Eine „Liebeserklärung an die Wildnis und deren Fähigkeit, uns zu lehren, wer wir sind“, nennt der Regisseur Marten Persiel seinen zweiten langen Film. Persiel, der 1974 in Berlin in eine Familie von Naturschützern geboren wurde, will mit seinem Film „Everything Will Change“ angesichts des fortschreitenden Klimawandels und des Artensterbens aufklären und aufrütteln. Dafür wählt er die außergewöhnliche Form eines dokumentarischen Märchens, das aus der Perspektive einer dystopischen Zukunft auf die Jetztzeit blickt, die im Vergleich geradezu paradiesisch wirkt. 

Im Jahr 2054 ist die Erde in rotes Licht getaucht. Die Landschaften wirken verbrannt, Wiesen und Wälder sind verdorrt, Tiere verschwunden. Die Menschen wohnen in Containern in einer sterilen Betonwelt, tragen einen Chip in der Brust und kommunizieren praktisch nur noch über Computer und Interfaces. So auch die jungen Erwachsenen Ben, Fini und Cherry. Doch Ben liebt alte Schallplatten. Als er bei einem Händler eine Vinyl-Platte aufspürt, findet er ein Foto mit einer Giraffe. Giraffe? Ben hat so ein Tier noch nie gesehen. Cherry und Fini glauben an ein Fake. Doch als der alte Mann ihnen Videokassetten in die Hand drückt, entdecken sie, dass es früher unglaublich viele unterschiedliche Tiere gab. 

Bei einer gemeinsamen Autofahrt in eine verwüstete Einöde stoßen sie auf eine Art Arche, die in weitläufigen Bunkerräumen mit Bildern und konservierten Exemplaren ausgestorbener Tierarten die verlorene Artenvielfalt dokumentiert. Dort sammeln Wissenschaftler und Künstler Daten und Erinnerungen an das Artensterben und geben ihre Erkenntnisse an die drei Freunde weiter. Diese sehen in der Arche auch dokumentarische Filme über die Schönheit der Natur und deren systematische Zerstörung durch die Eingriffe des Menschen. Das Trio beschließt, eine global ausgestrahlte TV-Show zu hacken, um mit Bildern ihrer Recherche-Ergebnisse die Erdbewohner vor der verhängnisvollen Entwicklung zu warnen und zur Umkehr zu bewegen. 
Reizvoll an dem facettenreichen Filmhybrid ist vor allem die Idee, dass echte Forscher und Forscherinnen aus einer imaginären fernen Zukunft auf die Gegenwart blicken. Das Paradox macht zugleich deutlich, dass wir jetzt die Hebel in der Hand haben, um in Sachen Biodiversität das Schlimmste noch zu verhindern.  

Antiquiert und zugleich futuristisch

Der Film hat seine Ecken und Kanten. Die Gliederung der märchenhaften Erzählung in Buchkapitel und die betuliche Diktion der weiblichen Off-Erzählerstimme wirken seltsam antiquiert im Vergleich zum futuristischen Ambiente des Jahres 2054. Zudem erschließt sich nicht, warum die zwölf Fachleute der Arche, die in den dokumentarischen Szenen auftreten, nicht mit Namen und Funktion eingeführt werden. Namhafte Künstler wie Wim Wenders werden viele Zuschauer erkennen, aber einen Meeresbiologen wie Daniel Pauly oder einen Ökologen wie Rodolfo Dirzo wahrscheinlich nicht. Während der Regisseur fiktionale und dokumentarische Elemente lange Zeit in der Balance hält, gerät die Spielfilm-Handlung in der Schlussphase etwas ins Abseits. 

Viele dargelegte Fakten und Argumente sind bekannt. Persiel und seine Ko-Autorin Aisha Prigann bieten darüber hinaus noch reichlich neue Details und Ideen. So liefert etwa die eingeblendete finale Zeitleiste mit fiktiven Eckpunkten des Naturschutzes in der Zukunft (2031: neue Schutzgebiete im Meer, 2073: Hälfte der Erdfläche für Natur reserviert) fruchtbare Denkanstöße. 
Passend zu ihrem Anliegen haben die Filmemacher darauf geachtet, möglichst umweltschonend zu drehen. Da sie für die Aufnahmen viel fliegen mussten, haben sie entsprechend der CO2-Produktion Geld an Klima-Initiativen gezahlt und 3500 Bäume pflanzen lassen.

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