Krise der Technik oder des Kapitalismus?

Lester R. Brown
Plan B 4.0. So retten wir unsere Welt!
Kai Homilius Verlag, Berlin 2010
260 Seiten, 19,90 Euro

Susan George
Whose Crisis, Whose Future?
Towards a Greener, Fairer, Richer World
Polity Press, Cambridge und Malden
(mA) 2010, 307 Seiten, 19,90 Euro


Lester Brown und Susan George sehen beide unsere Zivilisation bedroht. Einig sind sie auch über viele nötige Gegenmaßnahmen, etwa Subventionen für fossile Energie streichen und Kohlenstoff-Steuern statt des Emissionshandels einführen. Doch ist ihr Ansatz ist grundverschieden.

Brown stellt die Überlastung der Ökosysteme in den Mittelpunkt, besonders den Klimawandel und die Nahrungsmittelknappheit. Er betont als Ursachen das Bevölkerungswachstum und die Neigung, mit wachsendem Wohlstand mehr tierische Nahrung zu essen - verschärft vom Anbau von Energiepflanzen und den Folgen des Klimawandels. Er fordert einen globalen „Plan B" mit vier voneinander abhängigen Komponenten: Senkung der Treibhausgas-Emissionen, Stabilisierung der Bevölkerungszahl, Ausrottung der Armut und Sanierung der Ökosysteme.

Brown gibt das kühne Ziel aus, bis 2020 global 80 Prozent Kohlendioxid einsparen. Die meisten Schritte, die er fordert - etwa effizientere Bewässerung, Energieeinsparung und „grüne" Stadtplanung -, sind sinnvoll. Nur sucht er die Beispiele von überall zusammen und stellt sie einfach nebeneinander. Er fragt nicht, wie einzelne Schritte in der jeweiligen Gesellschaft zusammenwirken und ob so die Ziele erreicht werden. Rohstoff knappheit blendet er aus. Am schwächsten sind seine Ausführungen zu armen Ländern. Brown pflegt das Klischee, ganz Afrika versinke in Hunger und Analphabetismus, und macht das Bevölkerungswachstum für die Schwäche von Staaten verantwortlich. Bei Armutsbekämpfung und Umweltsanierung bevorzugt er von oben geplante Großprojekte. Für ihn ist die Krise eine Summe von Problemen, die man mit technischen Lösungen bewältigen kann.

Für Susan George dagegen wurzelt sie in Fehlfunktionen des globalisierten kapitalistischen Gesellschaftssystems, in dem Finanzmärkte dominierten. Dies erzeuge enorme Ungleichheit und überlaste die Natur. Die ersten beiden Teile des brillant geschriebenen Buches erklären die Entfesselung der Finanzmärkte, ihre Folgen und warum die wachsende Konzentration des Reichtums von Übel ist. Im dritten Teil führt George die Ernährungskrise auf die Strukturanpassungsprogramme der 1980er Jahre im Süden zurück und betont, für den jüngsten Anstieg der Nahrungspreise seien nicht reiche Inder und Chinesen verantwortlich, sondern die Spekulation und der Anbau von Agro-Treibstoffen.

Den Umweltproblemen widmet George kein eigenes Kapitel - dass eine ökologische Umkehr nötig ist, ist für sie klar. Sie nennt keine Ziele etwa für Klimaschutz oder die Grenzen des Wachstums. George plädiert für einen „Öko-Keynesianismus" mit Investitionen in eine grüne Infrastruktur, Regulierung der Finanzmärkte und Sozialisierung notleidender Banken - auch als Weg aus der sozialen und der Finanzkrise. Um das gegen die Profiteure des Finanzkapitalismus, die „Klasse von Davos", durchzusetzen, müssten die Umwelt- und die Friedensbewegung zusammengehen. Sie müssten Politiker überzeugen, sich für das Umsteuern einzusetzen, und taktische Bündnisse mit Unternehmen suchen, vor allem mit kleineren und mittleren. Diese Überlegungen zu sozialen und politischen Prozessen, die Brown ausblendet, sind sehr anregend.


Bernd Ludermann

 

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