„Minister Niebel irrt“

Ecuador verzichtet auf die Förderung seiner Erdölvorkommen im Yasuní-Regenwald und erhält dafür von der internationalen Gemeinschaft eine Ausgleichszahlung - gedacht als Investition in den Schutz des Amazonasgebiets. Im August hat die Regierung in Quito ein Abkommen mit den Vereinten Nationen unterzeichnet. Im Deutschen Bundestag stieß die Initiative bei allen Fraktionen auf Zustimmung, doch im September erklärte Entwicklungsminister Dirk Niebel, Deutschland werde sich an dem geplanten Treuhandfonds nicht beteiligen. Der frühere Energieminister Ecuadors, Alberto Acosta, hält das für einen Fehler und kann die Begründung nicht nachvollziehen.

Entwicklungsminister Niebel hat seinen Rückzieher von der Yasuní-Initiative unter anderem damit begründet, dass sich keine weiteren Geber für das Projekt gefunden haben.

Da muss ich sagen, dass sich der Minister gründlich irrt. Es gibt Zusagen aus Italien und wahrscheinlich aus Spanien. Auch Chile beteiligt sich, wenn auch nur mit einem symbolischen Betrag. Der deutsche Beitrag wäre ein Schlüssel gewesen, um internationale Unterstützung und Aufmerksamkeit zu mobilisieren. Besonders schade ist, dass der Minister genau in dem Moment diesen Rückzieher macht, in dem die Gelder in den Treuhandfonds fließen sollen.

Haben sich die anderen Länder zu der neuen deutschen Position geäußert?

Es gibt noch keine Stellungnahmen, aber zweifellos wird die Äußerung des deutschen Entwicklungsministers eine sehr negative Signalwirkung haben. Wir werden uns aber weiter dafür einsetzen, dass andere Länder mitmachen.

Was sagt die Regierung Ecuadors zur deutschen Absage?

In Ecuador hat der Rückzieher große Sorge hervorgerufen. Das ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass Präsident Rafael Correa den für November geplanten Staatsbesuch in Deutschland abgesagt hat.

Minister Niebel hat erklärt, es gebe keine Garantien, dass Ecuador dauerhaft kein Öl im Yasuní-Nationalpark fördert. Ist die Skepsis berechtigt?

Es ist festgelegt, dass das in dem Fonds eingezahlte Geld an die Geber zurückfließt, falls eine künftige Regierung Ecuadors entgegen der Vereinbarungen doch Erdöl fördern sollte. Aber die wichtigste Garantie liegt darin, dass Länder und Gesellschaften auf der ganzen Welt sich hinter dieses Projekt gestellt haben und dafür sorgen wollen, dass in diesem Nationalpark die Biodiversität eben nicht zerstört wird.

Niebel fürchtet, andere Erdöl fördernde Länder könnten nachziehen und in den Klimaverhandlungen ähnliche Kompensationsansprüche stellen. Teilen Sie diese Sorge?

Nein, im Gegenteil: Ich hoffe sogar, dass andere Länder sich mit ähnlichen Ideen dieser Initiative anschließen und ihre Natur in ähnlicher Weise schützen. Darüber sollte sich auch Minister Niebel freuen.

Minister Niebel bezweifelt außerdem, dass die Yasuní-Initiative Vorteile gegenüber anderen Lösungen hat, etwa dem Verzicht als Beitrag zum Klimaschutz, dem REDD -Ansatz. Wie sehen Sie das?

Ich muss sagen, dass Minister Niebel an dieser Stelle große Unkenntnis der Dinge beweist. Das REDD-Projekt ist völlig anders angelegt. Bei REDD geht es darum, dass die CO2-Emissionen, die ein Land durch den Verzicht auf Entwaldung einspart, einen Marktpreis bekommen und verkauft werden. Die Yasuní-Initiative hingegen zielt auf einen Beitrag anderer Länder dafür, dass Ecuador auf die Ölförderung verzichtet und den Wald schützt. Dieser Beitrag beruht auf dem Prinzip der geteilten und differenzierten Verantwortung: Die reichen Länder müssen mehr beitragen, da sie die größten Umweltprobleme verursacht haben.

Das Geld aus dem Treuhandfonds soll für Sozial- und Umweltprojekte ausgegeben werden. Was für Projekte sind damit gemeint?

Es gibt fünf Zielrichtungen: Erstens möchten wir die Energieversorgung in Richtung erneuerbare Energien umstellen. Zweitens ist das Geld für Aufforstungsprojekte bestimmt. Drittens sollen Gelder in den Schutz der etwa 40 Nationalparks und Schutzgebiete in Ecuador fließen. Viertens wird es Investitionen in soziale Bereiche geben, insbesondere im Gebiet des Yasuní-Nationalparks, und fünftens möchten wir in Forschung und Entwicklung neuer Technologien investieren.

Warum ist es Ihnen persönlich so wichtig, den Yasuní-Regenwald zu schützen?

Ich vergleiche den Yasuní gerne mit der Arche Noah. Ein Hektar dieses Regenwaldes enthält mehr Pflanzenarten als ganz Nordamerika. Auf einem Baum, der in diesem Regenwald steht, gibt es mehr Käfer als in ganz Europa. Der Wald selbst stellt ein großes Wasserreservoir dar und beherbergt noch einige wenige Urvölker, die sich freiwillig von der Zivilisation zurückziehen. Dieses Paradies wird es so nicht mehr geben, sobald nach Öl gebohrt wird.

Das Gespräch führte Saara Wendisch.


Ecuadors früherer Energieminister Alberto Acosta
tritt seit Jahren für den Schutz des Regenwaldes ein.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2010: Staatsaufbau - Alles nur Fassade?
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