Shailesh Jain aus Neu-Delhi ist 38 Jahre alt und von Beruf Computeringenieur. Am Wochenende aber ist er mit der Robin Hood Army unterwegs, einer Gruppe von Freiwilligen, die kostenlos Lebensmittel an Bedürftige verteilt. Jain ist seit über zehn Jahren Mitglied der Organisation und hat auch schon einige seiner Freunde dazu motiviert mitzumachen. Er selbst war bereits viele Jahre bei verschiedenen nichtstaatlichen Organisationen engagiert, bevor er sich der Robin Hood Army anschloss.
Diese wurde 2014 in Neu-Delhi von Neel Ghose, Sanchit Jain und Anand Sinha gegründet. Die drei berufstätigen jungen Männer wollten damals vor allem erreichen, dass überschüssige Lebensmittel, die in Restaurants und bei großen gesellschaftlichen Anlässen weggeworfen wurden, sinnvoll verwendet werden. Heute wirken Tausende von Freiwilligen in verschiedenen Städten Indiens in der Organisation mit. Sie nimmt keine Geldspenden an und verteilt nur, was sie an Lebensmitteln von Restaurants und privaten Spendern erhält.
Menschen mit Respekt und Würde versorgen
Für Jain ist sein Ehrenamt inzwischen zu einem festen Bestandteil seines Lebens geworden. „Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal am Wochenende zu Hause war.“ So lange hungernde Menschen auf den Straßen ein alltäglicher Anblick seien, müsse man sich um sie kümmern. „Niemand soll hungrig einschlafen müssen – wir wollen die Menschen mit Respekt und Würde versorgen“, sagt Jain, als er in einem Slum am Stadtrand von Delhi ein Lager zur Verteilung von Lebensmitteln aufbaut.
Der Welthungerindex 2024 stuft Indien in die Kategorie „ernst“ ein, das Land rangiert auf Platz 105 von 127 – je höher die Zahl, desto schwieriger die Situation. Die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO dokumentiert in ihrem Bericht für 2024 in Indien 194,6 Millionen unterernährte Menschen, die höchste Zahl der Welt.
Während er Lebensmittel verteilt, betont Shailesh Jain: „Wir geben den Leuten nicht nur Essen, sondern sorgen auch dafür, dass es nahrhaft ist.“ Er habe Kinder in den Slums gesehen, die kaum noch Muskeln hätten, weil sie nur Fladenbrot und Reis äßen.
Bedeutung von Bildung und Hygiene
Für Swate Sharma, eine andere Freiwillige der Robin Hood Army, ist die Verteilung von Lebensmitteln ein Akt der Nächstenliebe. „Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie die Menschen zu uns rennen, um ein Stück Brot zu bekommen, aber gleichzeitig fühle ich mich zufrieden, dass ich jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.“ Darüber hinaus berät die 32-jährige Bankangestellte Familien in den Slums über die Bedeutung von Bildung und allgemeiner Hygiene. „Die meisten Leute, die hier wohnen, sind Bauarbeiter und einfache Angestellte. Sie haben zwar große Träume für ihre Kinder, aber nicht die Mittel, sie zu verwirklichen – und oft fehlt es ihnen auch an Anleitung.“ Die Freiwilligen der Robin Hood Army versuchen, Lücken zu füllen, wo immer das möglich ist. „Letztendlich sind wir alle Kinder desselben Gottes“, sagt Swati, während sie die letzten Mahlzeiten für den Tag verteilt.
Aus dem Englischen von Barbara Erbe.
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