Gut gemeint

Die Einhaltung sozialer Kriterien für die öffentliche Beschaffung ist schwer zu kontrollieren

Die öffentliche Hand kauft jedes Jahr Waren und Dienstleistungen für rund 360 Milliarden Euro. Neben Kommunen wollen auch immer mehr Bundesländer kein Geld mehr für Produkte ausgeben, an denen Kinder unter entwürdigenden Bedingungen mitgearbeitet haben. Doch in der Praxis ist dieser Vorsatz nur schwer einzuhalten. Denn es ist unklar, wie die öffentliche Hand tatsächlich garantieren will, dass tatsächlich keine ausbeuterische Kinderarbeit bei der Herstellung eines Produktes im Spiel ist.

Bayern löst dieses Problem mit einer Verwaltungsvorschrift, wonach Bieter bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine Eigenerklärung abgeben müssen, wenn ihre Produkte aus Afrika, Asien oder Lateinamerika stammen, in denen Kinderarbeit verbreitet ist. „Die Stelle, die den Auftrag vergeben hat, überprüft gegebenenfalls, ob eine falsche Eigenerklärung abgegeben wurde“, sagt die Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Um sich abzusichern, können die Bieter außerdem eine unabhängige Zertifizierung vorlegen. So habe zum Beispiel ein Lieferant von Kaffee und Tee die Stichhaltigkeit der Eigenerklärung mit der Vorlage des Fairtrade-Siegels untermauert. Vorgeschrieben ist das aber nicht.

Weil viele Produkte rund um den Globus arbeitsteilig gefertigt werden, ist es für die Vergabestellen – also beispielsweise Kommunen oder öffentliche Einrichtungen – häufig aber gar nicht möglich, die Eigenerklärungen der Anbieter zu kontrollieren. Für solche Untersuchungen haben sie in der Regel weder das Personal noch das Geld. Problematisch sind vor allem Arbeitsbekleidung wie Uniformen für Polizisten oder Natursteine für den Bau, die oft aus Fernost stammen.

Eigenerklärungen der Hersteller seien keine wirksame Kontrolle, kritisiert Anneheide von Biela vom Eine Welt Netzwerk Hamburg. Zudem sei die Zivilgesellschaft nicht beteiligt. Von Biela plädiert deshalb für die Einrichtung einer Servicestelle für sozial-ökologische Beschaffung auf Bundesebene, wie sie das Aktionsnetz Cora vorgeschlagen hat. Die Servicestelle hätte den Auftrag, die Einhaltung sozialer und ökologischer Gesichtspunkte in der öffentlichen Beschaffung von Bund, Ländern und Kommunen zu garantieren. In Frankreich gibt es solch eine Anlaufstelle seit April 2010 im Ministerium für Wirtschaft, Industrie und Beschäftigung.

Die Nachweise der Anbieter lassen sich kaum kontrollieren

Beschlüsse gegen ausbeuterische Kinderarbeit seien zwar „gut gemeint“, reichten aber nicht aus, moniert die Christliche Initiative Romero. Sie allein verbesserten die Lage ausgebeuteter Kinder nicht. Solange die Erwachsenen nicht genügend Geld verdienten, um die Existenz der Familien zu sichern, seien Kinder gezwungen, in die Bresche zu springen. „Kommunen in Deutschland können nur dann einen Beitrag zur Bekämpfung der Misere im globalen Süden leisten, wenn sie alle wichtigen Normen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO berücksichtigen“, betont die Initiative aus Münster.

Diesen Schritt haben in Deutschland bisher nur Hamburg und Bremen unternommen. Allerdings gebe es in Hamburg „noch zu wenig Bemühungen, das Gesetz auch umzusetzen“, kritisiert Anneheide von Biela. Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik sollten weitere Maßnahmen entwickeln, etwa Schulungen für Beschaffer und zum Umgang mit Bietererklärungen. Am konsequentesten setzt bisher Bremen seine Beschlüsse für ökologische und soziale Beschaffung um. Die Hansestadt hat einen Beirat von entwicklungspolitischen Experten eingerichtet, der Verwaltungsleute über problematische Waren berät, um so eine wirksame Kontrolle zu schaffen.

 

erschienen in Ausgabe 8 / 2010: Metropolen: Magnet und Molloch
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