Plurilateral? Multilateral? Ganz egal!

Ministerkonferenz der WTO
Im Dezember tagt in Nairobi die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO. Die EU-Kommission will die Gelegenheit nutzen, um ihre Handelspolitik als Strategie für ein neues umfassendes WTO-Abkommen zu verkaufen. Dabei steht sie im krassen Widerspruch zum Grundprinzip einheitlicher Regeln für den Welthandel.

Die Ende Oktober von der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström vorgelegte neue Handelsstrategie soll als Richtschnur sowohl für die WTO-Ministerkonferenz als auch für Verhandlungen der EU mit anderen Staaten und Staatengruppen über Handelsabkommen dienen. Das transatlantische Abkommen mit den USA (TTIP), der fast fertige Freihandelsvertrag mit Kanada (CETA) sowie die regionalen Abkommen mit den Staaten Afrikas, der Karibik und der Pazifik-Region (AKP) sollen nun das Muster für ein künftiges Welthandelsabkommen abgeben, für den WTO-Regeln selbst nur noch eine Art Sockel bilden.

Die 2001 begonnene Doha-Runde über einen neuen Welthandelsvertrag sei an dem Prinzip gescheitert, dass für alle einzelnen Handelsbereiche wie Agrargüter, Dienstleistungen sowie für Punkte wie die Finanzmarktregulierung und den Schutz geistigen Eigentums eine Einigung erzielt werden muss. Es sei hingegen effizienter, jeweils Verträge für die einzelnen Handelsbereiche auszuhandeln, heißt es in dem Malmström-Papier. Eine „Teilgruppe von WTO-Mitgliedern“ könne vorangehen und Verträge abschließen, die für den Beitritt der übrigen Staaten offen blieben. Wäre dafür eine „kritische Masse“ erreicht, würde das Abkommen für die gesamte WTO verbindlich. Aufgabe der WTO wäre dann nur, auf die Einhaltung ihrer Grundregeln in diesen Regional- oder Teilverträgen zu achten.

Dies stellt zwar das Grundprinzip der ganzen bisherigen WTO-Geschichte und -Struktur auf den Kopf, aber es entspricht der Praxis, die die USA und die EU seit Jahren verfolgen. Und es ist auch auf WTO-Ebene nicht neu. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatte der frühere WTO-Direktor sowie EU-Handelskommissar Pascal Lamy die Sprachreglung ausgegeben, dass plurilaterale Verträge zwischen nur einigen Staaten mit dem alle Staaten umfassenden multilateralen Grundvertrag der WTO vereinbar seien.

Für Brüssel entscheidend sind die Ursprungsregeln

Handelskommissarin Malmström erkennt in ihrer Vorlage durchaus an, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Regeln den Handel und die „sich entwickelnde globale Wertschöpfungskette“ behindern könnten. Die Welthandelsorganisation müsse deshalb die Grundregeln durchsetzen; für manche Bereiche wie die Beseitigung von handelsverzerrenden Agrarsubventionen, sei die Welthandelsorganisation unverzichtbar.

Doch auch plurilaterale Freihandelsverträge können laut der Vorlage die globale Wertschöpfungskette fördern, wenn die sogenannten Ursprungsregeln darin so formuliert seien, dass eine Region etwa in Afrika auch dann Zollvorteile für ihre nach Europa ausgeführten Waren genießt, wenn Bestandteile dieser Waren aus anderen Regionen stammen. Allerdings unterscheiden sich die von der Europäischen Union mit den AKP-Ländern bisher ausgehandelten Handelsabkommen erheblich gerade bei diesen Ursprungsregeln; gleiches gilt für TTIP und CETA, soweit bekannt. Da letztlich die Ursprungsregeln über den Zugang zu anderen Märkten entscheiden, werden bei den Verhandlungen auf diesen Punkt oft die meisten Mühen und Lobbyeinsätze verwandt. Kleinste Details in der Klassifizierung von Handelsgütern können über den Fortbestand ganzer Industrie- und Handelszweige entscheiden.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2015: Agrarindustrie: Vitamine aus der Tüte
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