Strom auf Raten

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Erneuerbare Energien
Wer in Afrika auf dem Land lebt, ist nur selten ans Stromnetz angeschlossen. Und eine netzunabhängige Solaranlage können sich die meisten nicht leisten. Mobilfunkunternehmen schaffen mit einem altbekannten Geschäftsmodell Abhilfe.

Grünes Wachstum mag zwar in entwicklungspolitischen Kreisen das Schlagwort der Stunde sein. Doch manche betrachten erneuerbare Energien noch immer als Luxus, den sich Entwicklungsländer nicht leisten können. Der Umweltökonom Bjørn Lomborg etwa sagt: „Fossile Brennstoffe sind das einzige Mittel, um die Leute aus dem Qualm und dem Dunkel zu befreien, die mit Energiearmut einhergehen.“

Doch neue Technologien könnten Lomborg widerlegen. Ob kleine Solaranlagen für 100 Dollar oder 140 Meter hohe Windturbinen – erneuerbare Energien ermöglichen es den ärmsten Ländern, ihre Entwicklung zu beschleunigen. Und dank neuer Bezahlsysteme und Verleihmodelle könnten künftig in Zusammenarbeit mit Mobilfunkanbietern Millionen Haushalte mit Energie versorgt werden.

Mosambik ist ein Beispiel dafür. Wie der Rest von Subsahara-Afrika braucht das Land dringend mehr Energie, um sein schnelles wirtschaftliches Wachstum zu sichern. In der Hauptstadt Maputo beschweren sich alle darüber, vom Taxifahrer bis zum Hotelier: Die Stromversorgung hält nicht Schritt mit dem Wachstum von durchschnittlich sieben Prozent in den vergangenen zehn Jahren. Die Weltbank schätzt, dass der Energiemangel die Region jährlich vier Prozent Wirtschaftswachstum kostet: Geschäfte müssen früher schließen und Fabriken sind gezwungen, ihre Produktion zu stoppen.

Der Mangel an Elektrizität sorgt für Verluste. Regierungen in Subsahara-Afrika zahlen deshalb bereitwillig umgerechnet etwa 280 Euro für eine Megawattstunde Strom aus Dieselgeneratoren. Und ländliche Haushalte geben bis zu 30 Prozent ihres Einkommens für kerosinbetriebene Beleuchtung aus. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Strompreis an der Börse derzeit bei etwa 30 Euro pro Megawattstunde.

Solaranlage über mobile Bezahlsysteme mieten

Für eine Wirtschaft wie die in Mosambik sind erneuerbare Energien eine günstige, schnelle und einfach zu bauende Alternative. Im Nachbarland Südafrika wurden ganze Solarfarmen in weniger als neun Monaten errichtet. Sie liefern Strom für derzeit etwa 55 Euro pro Megawattstunde.

Sonnen- und Windenergie können die wirtschaftliche Entwicklung außerdem vorantreiben, indem sie die fragilen Stromnetze zuverlässiger machen. Im Januar vor einem Jahr rissen Überschwemmungen im nördlichen Mosambik die Masten einer 800 Kilometer langen Stromtrasse um. Sie verbindet die Region mit dem Cahora-Bassa-Damm und seinem 2000-Megawatt-Kraftwerk. Da in der Region nur wenig Energie lokal erzeugt wird, waren einige Landesteile nach den Überschwemmungen für mehrere Wochen vom Strom abgeschnitten. Die Regierung sollte mit ihrer Strategie für erneuerbare Energien dafür sorgen, dass die Energiequellen vielfältiger werden und kleinere Solar- und Windkraftanlagen die Versorgung landesweit sichern helfen.

Doch was ist mit den 60 Prozent der Mosambikaner, die gar nicht erst ans Stromnetz angebunden sind? Für sie kann sich mit kleinen, lokalen Kraftwerken für erneuerbare Energien vieles ändern – wenn man sie mit einer anderen Erfindung kombiniert: mit Mobiltelefonen. Wer in einem der üblichen überfüllten Minibusse auf einer der staubigen Straßen durch das ländliche Mosambik unterwegs ist, der sieht, dass die grün-braune Landschaft von roten und weißen Sprenkeln durchzogen ist. Es ist das Logo des Mobilfunkanbieters Vodacom, das überall in frischer Farbe auf Gebäuden und Läden prangt. Dieses Zeichen – zusammen mit denen von mCell und Movitel, zwei anderen wichtigen Anbietern in Mosambik – zeugt davon, dass in vielen Gemeinden mobile Bezahlsysteme und Mobiltelefone allgegenwärtig sind. Und jetzt steht es zunehmend auch für dezentrale Energieversorgung.

Wie hängt das eine mit dem anderen zusammen? Solarzellen und Batteriespeicher bringen immer mehr Leistung und werden gleichzeitig immer billiger. Solar-Heimsysteme sind deshalb heute konkurrenzfähig mit Energie aus Kerosin und Einmalbatterien, den bisher wichtigsten Energiequellen in Haushalten ohne Anschluss ans Stromnetz. Kerosin und Batterien sind auf Dauer zwar teurer, aber sie haben einen Vorteil: Bei Solaranlagen entfallen 99 Prozent der Kosten auf die Investition, während bei Kerosin letztlich nur Betriebskosten anfallen. Wer ein monatliches Einkommen von nur 50 Dollar hat, kann sich selbst eine kleine Solaranlage für 100 Dollar einfach nicht leisten. Er kann hingegen fünf bis 15 Dollar pro Monat für Kerosin oder Batterien ausgeben.

Netzunabhängige Energien sind kein Luxus

Hier kommt das Mobilfunkunternehmen Vodacom ins Spiel. In vielen Ländern Afrikas werden Geldgeschäfte längst über mobile Bezahlsysteme wie M-Pesa abgewickelt. Auf diese Weise können Solaranlagen einfach gemietet oder in Raten bezahlt werden, selbst von Kunden in den abgelegensten Regionen ohne Anschluss ans Stromnetz. So werden aus den hohen Investitionskosten tragbare Betriebskosten. Ähnlich gehen Mobilfunkanbieter in den reichen Ländern vor: Sie verkaufen teure Smartphones an Kunden, die sich das auf einen Schlag nicht leisten könnten, indem sie monatliche Ratenverträge anbieten. In Afrika ist M-Kopa Solar ein Vorreiter der Idee, Menschen auf diese Weise mit Solarenergie zu versorgen. Das Unternehmen hat mehr als 200.000 Kunden in Kenia, Tansania und Uganda.

Autor

Gabriel Davies

ist Analyst bei Augusta & Co, einer Investmentbank in London, die auf erneuerbare Energien spezialisiert ist. Vorher war er unter anderem Politikberater im britischen Energie­ministerium.
An der Menge der insgesamt erzeugten Energie im Land wird dieses Modell nicht viel ändern; es wird die Stromversorgung nicht komplett umkrempeln. Selbst wenn in Mosambik jeder, der nicht ans Stromnetz angeschlossen ist, morgen eine Zehn-Watt-Anlage kaufte, kämen all diese Systeme zusammen nur auf sechs Prozent der in Mosambik produzierten Energie. Die  Beratungsfirma McKinsey schätzt in einer Studie, dass 2040 nur zwei Prozent der gesamten Stromproduktion in Subsahara-Afrika aus netzunabhängigen Quellen kommen wird.

Entscheidend ist aber, wem dieser Wandel nutzen wird. Dieselbe McKinsey-Studie sagt voraus, dass diese zwei Prozent der Stromproduktion ein Viertel der Bevölkerung in Subsahara-Afrika versorgen wird – im Jahr 2040 werden das 500 Millionen Menschen sein. Ein großer Teil von ihnen wird seine eigenen Solarsysteme für zu Hause in regelmäßigen Raten über das Handy bezahlen. Menschen, die nie die Mittel dazu hatten, können so einen Kredit aufnehmen.

Die Zahlungen werden von den Mobilfunkanbietern erfasst und aufgezeichnet. Das Unternehmen, das ein Zehn-Watt-Solarsystem verkauft hat, wird auf diesem Weg auch weitere Informationen sammeln, etwa darüber, wer sich ein 30- oder 100-Watt-System leisten kann – und vielleicht sogar einen Kühlschrank, einen Fernseher, eine Wasserpumpe oder ein Darlehen, um in ein eigenes Unternehmen zu investieren. Millionen ländlicher Haushalte wären mit dem übrigen Wirtschaftssystem verbunden. Das war vorher nicht möglich. 

Netzunabhängige erneuerbare Energien stören den Markt nicht – sie schaffen einen neuen. Sie sind kein Luxus, sondern vielmehr ein Motor für Wachstum. Entwicklungsländer können es sich nicht leisten, darauf zu verzichten.  

Der Text ist im Original bei "This is Africa" erschienen.

Aus dem Englischen von Hanna Pütz.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2016: Seuchen: Unsichtbare Killer
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