„Kein Bauer in Kenia benutzt so viel Dünger wie empfohlen“

Kenia
Viele Kleinbauern in Kenia können sich Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel nicht leisten. Mit naturnahen Anbauweisen können sie Kosten dafür sparen und die Erträge steigern, meint der Kleinbauern-Aktivist Joseph Ngugi Mutura aus Kenia.

Was sind die größten Probleme für Bauern in Kenia?
Erstens sind Dünger, Schädlingsbekämpfungsmittel und Maschinen schwer zu bekommen und teuer. Das zweite sind Umweltprobleme. Vier Fünftel der Anbauflächen hängen vom Regen ab, und der wird infolge des Klimawandels weniger vorhersehbar. Monokulturen und ständige chemische Düngung schaden der natürlichen Fruchtbarkeit der Böden. Drittens haben Farmer Schwierigkeiten, ihre Produkte zu vermarkten und gute Preise auszuhandeln. Besonders schwer ist es für Kleinbauern in verstreuten Siedlungen, Nahrungsüberschüsse zu verkaufen wie Mais.

Erzeugt Kenia genug Nahrung für seine Bevölkerung?
Viele Landesteile erhalten genug Grundnahrungsmittel. Aber es kann hier an Obst und Gemüse mangeln und dort an Eiweißquellen. Und Millionen Familien haben nur die Hälfte dessen, was sie übers Jahr brauchen – den Rest decken sie aus Nahrungsmittelhilfen. Jedes Jahr brauchen rund vier Millionen Kenianer diese Hilfe. Das Land kann mehr erzeugen, aber dafür brauchen wir ein neues Denken. Wir halten immer noch an den Prinzipien der Grünen Revolution fest, die wirtschaftliche, ökologische und soziale Bedingungen für Kleinbetriebe nicht in Betracht zieht.

Sie haben gesagt, dass Kleinbauern Kunstdünger brauchen. Die Grüne Revolution soll den zugänglich machen. Was ist daran falsch?
Es wird nicht berücksichtigt, ob sich Bauern solche Inputs auch leisten können. Ich kenne keinen Bauern in Kenia, der die empfohlene Düngermenge einsetzt. Wenn hundert Kilo empfohlen werden, dann benutzen sie vielleicht zehn. Sie können nicht mehr bezahlen, bekommen ihn nicht rechtzeitig oder haben über die Jahre bemerkt, dass er den Boden schädigt. Ähnliches gilt für Schädlingsbekämpfungsmittel.

In Malawi hat der Staat Kunstdünger stark subventioniert und so die Maisproduktion erhöht.
Malawi gilt als Erfolg, aber es ist sehr die Frage, wie nachhaltig er ist. Als man die Subventionen beendete, begann die Produktion wieder zu sinken. Das zeigt, dass die Grüne Revolution nicht funktioniert. In Kenia hat die Regierung Inputs subventioniert, aber nur für einige Tausend der vielleicht zwei Millionen Betriebe. Wir brauchen Methoden der nachhaltigen Landwirtschaft, die den Armen, der Umwelt, dem ländlichen Wirtschaftsraum und den Kleinbetrieben nutzen.

Plädieren Sie für biologische Landwirtschaft ohne Kunstdünger und kommerzielles Saatgut?
SACDEP tritt für nachhaltige Landwirtschaft ein. Zu deren Prinzipien gehört, dass sie sowohl umweltfreundlich als auch wirtschaftlich tragfähig ist. Biologischer Anbau ist ökologisch gut und die meisten Inputs können selbst erzeugt werden oder kosten wenig. Das erfüllt einen Teil der Prinzipien. Aber biologische Landwirtschaft ist nicht automatisch nachhaltig. Die Bauern müssen auch davon leben können. Wir können ihnen nicht raten, auf Schädlingsbekämpfungsmittel zu verzichten, wenn Schädlinge einen erheblichen Teil ihrer Ernte zerstören. Es geht also nicht unbedingt um den Verzicht auf chemische Inputs. Aber wo sie nicht anwendbar oder zu teuer sind, brauchen wir Alternativen. SACDEP schult Bauern und Bäuerinnen, wie sie mit biologischem Dünger aus Kompost, Dung und Mulch und mit Agro-Forstwirtschaft die Böden verbessern. Man sollte Nährstoffe im Kreis führen und eine Fruchtfolge einhalten. Gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall kultivieren Bauern verschiedene Früchte auf derselben Fläche. Kleinbauern, die Regenwasser sammeln, brauchen keine künstliche Bewässerung, die oft weit weg oder für sie zu teuer ist. Auch Agro-Forstwirtschaft kann Wasser zurückhalten. So können Bauern ohne externe Inputs auskommen oder sie auf das Minimum begrenzen, das sie sich leisten können.

Steigern diese Verfahren den Ertrag pro Fläche?
Auf kleinen Betrieben steigern sie ihn um rund 150 Prozent in den ersten drei Jahren. Wenn man das System zehn Jahre befolgt, kann die Produktion mit wenigen Hilfsmitteln von außen oder ganz ohne um das Drei- bis Vierfache steigen.

Übernehmen viele Bauern in Kenia diese Verfahren?
Ja. Die meisten, auch in vielen anderen Teilen Afrikas, bauen schon eine Vielfalt von Früchten an und halten mehrere Tierarten. Das Prinzip der Diversifizierung und der Verteilung von Risiken ist ihnen vertraut, das brauchen wir ihnen nicht mehr beizubringen. Wir helfen einfach, ihre Systeme zu verbessern – zum Beispiel Mais mit Bohnen zusammen zu pflanzen. Die Verfahren breiten sich wegen der schwierigen Lage vieler Bauern aus. Wenn ihre Erzeugung sinkt oder sie damit nicht genug Geld verdienen, suchen sie Alternativen. Einen 90-Kilo-Sack Mais zu erzeugen kostet zum Beispiel 3000 kenianische Schilling (rund 26 Euro), und da ist die Arbeit noch nicht mitgerechnet. Auf dem Markt erhält man aber nur 2400 bis 2500 Schilling dafür. Chemische Dünger und Spritzmittel, die importiert werden, machen die Produktion so teuer. Deshalb ersetzen die Bauern sie durch lokal erhältliche Mittel. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe zuletzt Weizen nach den Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft angebaut. Die Produktionskosten waren 3500 Schilling und hätten mit chemischem Dünger vielleicht 4000 Schilling betragen, während der Verkaufspreis bei 2500 Schilling liegt. Ich verkaufe noch nicht, sondern hoffe, dass der Preis steigt.

Liegt der niedrige Marktpreis da­ran, dass mehr erzeugt als nachgefragt wird?
Nicht ganz. Erstens sind drei Viertel des Landes zu trocken, um dort zum Beispiel Mais anzubauen, aber die Kaufkraft ist dort sehr niedrig – da fehlt die Nachfrage für Überschüsse aus anderen Gebieten. Und zweitens leben vier Fünftel der Kleinbauern mehr schlecht als recht von ihren selbst erzeugten Produkten. Zwischenhändler können nach der Ernte Überschüsse billig aufkaufen und sie später teuer verkaufen. Deshalb ist ein Pfeiler unserer Arbeit die Vermarktung, unterstützt von lokalen Kreditinstitutionen. So können Bauern ihre Produkte zurückhalten und günstiger verkaufen.

Arbeitet SACDEP mit dem Staat zusammen?
Die Regierung ist unser größter Partner. Politiker und Mitarbeiter von Behörden hören auf unsere Argumente. Ich habe selbst in einer Behörde gearbeitet, für die Verbesserung der Viehhaltung in Trockengebieten.

Was halten Sie von internationalen Initiativen wie der Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika, die die Gates-Stiftung und die Rockefeller-Stiftung initiiert haben, und der New Alliance for Food Security and Nutrition der acht großen In­dus­trie­länder (G8)? Steuern sie die afrikanische Landwirtschaft in die falsche Richtung?
Ich möchte einzelne Initiativen nicht kommentieren. Entscheidend ist, ob sie das Ziel Armutsminderung verfolgen oder insgeheim andere Zwecke. Die Methoden der Grünen Revolution werden seit langem erprobt und die Probleme damit wachsen. Lassen Sie es mich so sagen: Wenn internationale Initiativen auf nachhaltige Landwirtschaft zielen, die ökologisch gesund, wirtschaftlich tragfähig und sozial gerecht ist, dann sind sie auf dem richtigen Weg. Wenn nicht, werden sie ihre Ansätze überprüfen müssen. Wir diskutieren mit ihnen darüber auf vielen Foren, in denen wir uns treffen.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2016: Zucker: Für viele süß, für manche bitter
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