Gott ein weibliches Gesicht geben

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Ordensfrauen
Die Benediktinerin Schwester Mary John Mananzan engagiert sich auf den Philippinen für die Bildung und Rechte von Frauen – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.

Das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad. Die Luftfeuchtigkeit ist unerträglich. Lärm, Verkehrschaos und Smog machen in der Megacity Manila den Menschen zu schaffen. Hinter Schwester Mary John Mananzan liegt bereits am Mittag ein prall gefüllter Arbeitstag. Doch es geht für die 78-jährige Ordensschwester gleich weiter zum Gespräch mit dem Bischof von Manila – keine Pause im Einsatz für Frauenrechte in Kirche und Gesellschaft.

Im Alter von 19 Jahren trat Mananzan in den Orden der Benediktinerinnen ein. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie in Deutschland promovierte sie an der Päpstlichen Universität in Rom. Die Ordensschwester wurde 2011 von der Frauenrechtsorganisation „Women Deliver“ als eine der 100 inspirierendsten Persönlichkeiten weltweit gewürdigt. Mananzan war in den 1980ern Teil der friedlichen Revolution gegen die Marcos-Diktatur und gilt als wichtige Wegbereiterin der feministischen Theologie in Asien.

In ihren Büchern beklagt sie, dass Kirche und Theologie allzu oft die Unterdrückung der Frauen befördern. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen möchte sie zeigen, welch befreiende Wirkung demgegenüber Religion für Frauen entfalten kann. Theologinnen von den Philippinen liefern seit Jahrzehnten wichtige Impulse für neue Lesarten der Bibel, unter anderem als Autorinnen des renommierten asiatischen Magazins „In God’s Image“. Das ist kein Zufall: Der südostasiatische Inselstaat ist neben dem kleinen Osttimor das einzige asiatische Land mit katholischer Bevölkerungsmehrheit, mehr als 80 Prozent der 100 Millionen Einwohner sind Katholiken.

Die römisch-katholische Kirche der Philippinen gilt in punkto Frauenrechte als erzkonservativ und reaktionär. Der Klerus lehnt Verhütung und Sexualkunde strikt ab, neben dem Vatikan sind die Philippinen das einzige Land der Erde, in dem Scheidungen verboten sind. 2012 riefen die Bischöfe – am Ende vergeblich – zum Protest gegen das geplante Reproduktionsgesetz auf, das unter anderem eine staatliche Verteilung von Verhütungsmitteln vorsieht. Tausende Philippiner gingen auf die Straße. Innerhalb der Ordensgemeinschaften und an der Basis finden sich jedoch auch progressive Strömungen wie das Netzwerk „Katholiken für Reproduktive Gesundheit“, das sich damals für das Gesetz stark machte.

Erste feministische Autorin ihres Landes

Dass die katholische Kirche großen Einfluss auf die Wertevorstellungen ausübt, liegt auch an ihrer historischen Rolle im Bildungssystem. Ihre Schulen, darunter das Saint Scholastica’s College in Manila, gelten bis heute als renommierte Eliteschmieden. Lange Jahre leitete Mananzan dieses Mädchencollege, das sie selbst einst besucht hatte. „Viele der Mädchen verließen das College mit dem gleichen Geschlechterbewusstsein wie am ersten Schultag. Mir wurde schnell klar, dass sich das ändern muss“, sagt sie. 1985 gründete sie das Institut für Frauenstudien, das sie bis heute leitet.

1988 brachte das Institut mit den „Essays on Women“ die ersten feministischen Bücher der Philippinen heraus. Stolz berichtet Mananzan, dass heute niemand das College ohne Schein im Kurs „Einführung in die Geschlechterstudien“ absolvieren könne. Ein interkultureller Master-Kurs des Instituts, den auch die Weltgebets­tagbewegung in Deutschland unterstützt, genießt in ganz Asien einen guten Ruf.

Als Mitbegründerin und langjährige Vorsitzende des Frauen-Dachverbandes Gabriela brachte Mananzan auch die schwierige Lage philippinischer Arbeitsmigrantinnen ins öffentliche Bewusstsein. Die Kampagne für die 16-jährige Sara Balabang machte Mitte der 1990er Jahre weltweit Schlagzeilen. Die Philippinerin war in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Tode verurteilt worden, nachdem sie ihren Arbeitsgeber während einer versuchten Vergewaltigung erstochen hatte. Balabangs Todesurteil wurde in Stockschläge und Haft umgewandelt, 1996 kehrte sie in ihre Heimat zurück.

Mananzan wird oft kritisiert, ihr Verhalten sei einer Nonne nicht angemessen. Ihrem leidenschaftlichen Einsatz für Gerechtigkeit tut das keinen Abbruch. „Wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns, denn wir haben noch lange nicht alle mehr als 50 Millionen Philippinerinnen erreicht“, sagt sie. Um das zu ändern, geht sie auch ungewöhnliche Wege. Auf dem Schulgelände dreht sie seit einigen Jahren ihre beliebte TV-Talkshow „Nun-Sense makes Sense“. Darin kommen Frauen mit ungewöhnlichen Lebenswegen und Talenten zu Wort – von der feministischen Ex-Schönheitskönigin bis zum ehemaligen Straßenkind. Und wenn jedes Jahr Zehntausende Frauen im Rahmen der internationalen Kampagne „One Billion Rising“ gegen Gewalt an Frauen auf den Straßen tanzen, sind Schülerinnen und Lehrerinnen vom Saint Scholastica’s College  stets dabei. In einer der vordersten Reihen: Schwester Mary John Mananzan.

Lisa Schürmann ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Weltgebetstag der Frauen – Deutsches Komitee.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2016: Frauen: Gemeinsam stark
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