Brüssel will auch Militärs fördern

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Die EU-Kommission ist mit dem Versuch, das EU-Instrument für Stabilität und Frieden (IcSP) für Militärhilfe zu öffnen, einen großen Schritt vorangekommen: Das Europaparlament hat grünes Licht für Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat gegeben. Kritiker befürchten eine Militarisierung der europäischen Außen- und Entwicklungspolitik.

Die Kommission hat die Reform der IcSP-Verordnung im Juli 2016 vorgeschlagen. Aus dem 2014 eingerichteten IcSP kann die EU Programme zur Krisenvorbeugung und -reaktion finanzieren, zum Beispiel in Mediation und Wiederaufbau. Die Kommission will, dass daraus künftig, insbesondere im Rahmen von Reformen des Sicherheitssektors und des „Kapazitätsaufbaus zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung“, auch „militärische Akteure“ in Partnerländern unterstützt werden können. Waffen, Munition und Kampfausbildung sind dabei ausgeschlossen.

Das Europaparlament (EP) hat dazu nun eine Verhandlungsposition eingenommen, die nah am Vorschlag der EU-Kommission liegt. Im Parlament federführend ist der Außenausschuss. Dort gelang es zwar dem konservativen Berichterstatter Arnaud Danjean aus Frankreich nicht, die Verordnung noch stärker sicherheitspolitisch zu prägen. Auf der anderen Seite blieben aber auch fast alle Versuche aus dem mitberatenden Entwicklungsausschuss, die Reform in ihrem Sinne einzuhegen, auf der Strecke.

Aus Protest Posten niedergelegt

Am folgenreichsten könnte sein, dass das EP die Kriterien des Entwicklungshilfeausschusses (DAC) der OECD nicht verbindlich machen will. Der DAC hat im Februar 2016 neue Leitlinien zu Hilfen an das Militär von Partnerländern verabschiedet, wonach diese unter bestimmten Bedingungen als öffentliche Entwicklungshilfe anrechenbar sind. Der Kommissionsvorschlag führt diese DAC-Leitlinien als Rechtfertigung für die Ausweitung des IcSP an.

Der Berichterstatter des Entwicklungsausschuss, der finnische Liberale Paavo Väyrynen, wollte sie hingegen in bindende Einschränkungen der Militärhilfe ummünzen: Es sollte nicht nur unmöglich werden, Militärhilfe als Entwicklungshilfe anzurechnen, wenn sie den DAC-Kriterien zuwiderläuft. Sondern dann sollte sie überhaupt nicht gezahlt werden dürfen. Durchsetzen konnte er sich nicht einmal im Entwicklungsausschuss. Väyrynen legte aus Protest seinen Berichterstatter-Posten nieder.

Die 24 Änderungsvorschläge, die der Entwicklungsausschuss am Ende verabschiedete, schlugen sich großenteils ebenfalls nicht nieder. Nur zwei schafften es verändert ins Verhandlungsmandat, mit dem das EP nun in die Gespräche mit dem Rat und der Kommission geht. Der eine betrifft die Evaluierung, der zweite die Finanzierung.

Wo kommt das Geld her?

Die Kommission hatte zugleich mit der inhaltlichen Ausweitung des IcSP eine Erhöhung um 100 Millionen Euro für die Periode bis Ende 2020 vorgeschlagen. Das wäre zwar nur ein kleiner Teil der Gesamtsumme des IcSP von gegenwärtig rund 2,3 Milliarden Euro. Aber wo das Geld herkommen sollte, machte Entwicklungspolitikern und Hilfsorganisationen Sorgen: Ein Teil sollte aus dem Entwicklungshilfe-Topf DCI umgewidmet werden, der bis Ende 2020 etwa 19,6 Milliarden Euro enthält.

Hier nun scheinen auf den ersten Blick die Kritiker einen Pflock eingeschlagen zu haben: Geld für den „Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung“ aus dem DCI zu nehmen, wird im jetzt verabschiedeten EP-Mandat ausgeschlossen. Allerdings sind die Grünen im EP skeptisch, ob dies in den Haushaltsverhandlungen Bestand haben wird. Schließlich könne man nicht in der Debatte über die IcSP-Verordnung Haushaltsfragen vorab mit entscheiden. Im Haushaltsentwurf der Kommission vom Mai ist eine Umwidmung von DCI-Geldern noch ausdrücklich vorgesehen.

Brot für die Welt kritisiert nicht nur eine mögliche Umwidmung von Entwicklungshilfe zur Aufstockung des IcSP, sondern lehnt es generell ab, aus dem IcSP „militärische Ertüchtigungsmaßnahmen“ zu finanzieren. Denn sobald diese Möglichkeit einmal ins IcSP aufgenommen sei, werde sie darin bleiben. Im nächsten Finanzrahmen „konkurriert dann das Militär mit den zivilen, in der Friedensförderung engagierten Akteuren um die knappen Mittel“, erklärt Martina Fischer, Referentin für Frieden und Konfliktbearbeitung bei Brot für die Welt.

Für Flexibilität plädiert dagegen Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU sei unterfinanziert, macht die Forscherin geltend. Da die EU angetreten sei, Sicherheit nicht nur militärisch zu konzipieren, dürften Entwicklungsgelder für Militärhilfen nicht per se ausgeschlossen sein: „Wenn wir Sicherheit ganzheitlich denken, sollten wir uns nicht so viele eigene Hürden aufrichten.“

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erschienen in Ausgabe 10 / 2017: Kongo: Das geschundene Herz Afrikas
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