Wir haben verstanden

Klimaschutz
Beim Kampf gegen den Klimawandel können wir von den Erfolgen engagierter Menschen im globalen Süden lernen, meint Bernd Nilles.

Menschen in weiten Teilen der Erde haben im vergangenen Sommer Dürre und Hitze erlebt, auch die Verursacher des Klimawandels haben ihn zu spüren bekommen. Zugleich haben Klimaforscher aus aller Welt hochgerechnet, was uns und unseren Nachkommen alles bevorstehen könnte, wenn wir weitermachen wie bisher. Tut sich jetzt also etwas? Oder stecken die Leute den Kopf in den Sand? Feiern sie schlimmstenfalls die letzte große CO2-Party, so wie die Waffenkäufe in den USA nach jeder politischen Äußerung zu schärferen Waffengesetzen stark zunehmen?

Ich meine zu beobachten, dass die negativen Trends zwar real sind, gleichzeitig aber die Bereitschaft zu einem Wandel zunimmt. Dass wir dennoch keine große Klimabewegung sehen, könnte daran liegen, dass Menschen auch erkennen, dass der Klimawandel viele Ursachen hat. Entsprechend groß ist die Vielfalt an Bewegungen und Themen. Betrachten wir die jüngsten Volksabstimmungen in der Schweiz: Fair Food, Ernährungssouveränität, Energiestrategie, Ausstieg aus der Atomkraft, grüne Wirtschaft, bedingungsloses Grundeinkommen, keine Spekulation mit Nahrungsmitteln und ganz aktuell: die Gletscherinitiative, die eine Bürgerbewegung jüngst initiiert hat.

Sie fordert, die Ziele des Pariser Klimaabkommens in der Bundesverfassung zu verankern, außerdem Null CO2-Emissionen bis spätestens Ende 2050. Bürgerinnen und Bürger schließen sich zusammen, um grundsätzliche Veränderungen und Verbesserungen für die Gemeinschaft zu erreichen. Viele unserer jüngeren Erfolge wie beispielsweise die Bereitschaft von Schweizer Supermärkten, weniger Palmöl zu verkaufen, die aussichtsreiche Konzernverantwortungsinitiative oder auch schärfere Klimagesetze sind auch Ergebnisse internationaler Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb der Zivilgesellschaft. Betroffene, Solidarische, Besorgte, Experten und Visionäre schließen sich zusammen, suchen nach Alternativen und entwickeln Kraft für Veränderung.

Es zeichnet sich eine kritische Masse ab

Es sieht nach einem „Wir haben verstanden“ aus. Wir haben verstanden, dass die großen ökologischen und sozialen Anforderungen unserer Zeit eng miteinander verflochten sind, dass herkömmliche Lösungsansätze oft scheitern und neue Probleme schaffen. So kann intensive industrielle Landwirtschaft kurz- und mittelfristig zwar mehr Nahrung produzieren. Langfristig aber zerstört sie die Bodenqualität und das Klima, was die Ernten gefährdet und die Menschen zurück in die Armut katapultiert.

Auch zeichnet sich eine kritische Masse ab, die es braucht, um einen gesellschaftlichen Wandel voranzubringen. Rund fünf Prozent sind dazu nötig, meint der Sozialpsychologe Harald Welzer – gefühlt haben wir diese Marke längst erreicht. Warum aber spüren wir die große Bewegung noch immer nicht, die es für einen tiefgreifenden Wandel braucht? Die Klimaexpertin und Protestforscherin Heike Walk erklärt dies einerseits mit der Vielfalt der Themen, die die Menschen rund um den ökologischen Umbau der Gesellschaft bewegen. Zudem seien die Protestformen ganz unterschiedlich. In der Tat engagieren sich Hilfs- und Netzwerke wie Fastenopfer, CIDSE, CAN, 350.org und örtliche Gruppen in Form von Informationskampagnen, Lobbyarbeit bei Klimagipfeln, Klimapilgern, Online-Protest, Jugend-camps zu nachhaltigen Lebensstilen und Demonstrationen gegen Flughäfen, Waldrodungen oder Staudämme.

Fest steht, dass wir „mit langem Atem und viel Fantasie und Zuversicht Experimente wagen (müssen), um andere Pfade einzuleiten“, betont Harald Welzer. Das ist derselbe Ansatz, den Fastenopfer aus der Entwicklungszusammenarbeit kennt. Weltweit arbeiten die Partner unter sehr unterschiedlichen Bedingungen – da helfen keine Patentrezepte. Viel lässt sich dabei darüber lernen, wie Menschen sich an politische, ökonomische und ökologische Veränderungen anpassen. Und wie sie ihre Umwelt aktiv gestalten, um generationenübergreifend ein Überleben zu sichern. In Entwicklungsländern unterstützt Fastenopfer seit Jahrzehnten den Zusammenschluss von Menschen, die sich für einen Wandel vor Ort einsetzen – einen Wandel raus aus Armut, Ausgrenzung und Umweltzerstörung. Von den Erfolgen dieser Menschen sollten wir lernen.

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