Ein Gesetz gegen die Unterdrückung

Sudan
Fast 90 Prozent der Mädchen und Frauen im Sudan sind Opfer von Genitalverstümmelung. Nun soll sie verboten werden. Das ist ein Fortschritt, genügt aber nicht. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Verbote oft missachtet werden und die brutale Praxis heimlich weiter betrieben wird. 

„Ein Meilenstein!“ So nennt das UN-Kinderhilfswerk für den Nahen Osten die Entscheidung des Sudan, die Verstümmelung der weiblichen Genitalien (female genital mutilation, kurz FGM) zu verbieten und mit bis zu drei Jahren Gefängnis zu ahnden. Der Ministerrat hat das Gesetz Ende April gebilligt. Dass es noch vom sogenannten Souveränen Rat, der höchsten Macht im Land, verabschiedet wird, gilt als Formsache. 

Für die sudanesischen Mädchen und Frauen ist das Gesetz – wenn es befolgt wird – tatsächlich ein Sieg für Körper und Seele. Schließlich werden bei neun von zehn Mädchen und Frauen die Genitalien verstümmelt, und zwar in einer der schlimmsten Formen: Ihnen werden meist schon im Kindesalter und ohne Betäubung innere und äußere Schamlippen sowie die Klitoris abgeschnitten. Die zugenähten Wunden verursachen oft chronische Schmerzen beim Wasserlassen, ganz zu schweigen von den Folgen für die Seele. Häufig treten gesundheitliche Komplikationen auf, immer wieder sterben Betroffene daran. 

Nur für 30 Länder verlässliche Daten

Weltweit sind laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 200 Millionen Frauen von FGM betroffen, die meisten davon in Afrika. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen, denn auch in Kolumbien, Malaysia oder dem Oman kommt FGM vor, aber nur für 30 Länder gibt es verlässliche Daten. Seit Jahrzehnten kämpfen die WHO, die Vereinten Nationen (UN), Hilfsorganisationen und Regierungen gegen die Praxis. Und die Aufklärungskampagnen und Projekte zeigen Wirkung: Die Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung nimmt insgesamt seit Jahren ab, in vielen Ländern ist sie inzwischen verboten. 

Nun also auch im Sudan, wo die Frauen seit dem Sturz des Diktators Omar al Bashir im vergangenen Jahr schon einige Siege gegen ihre jahrzehntelange Diskriminierung errungen haben. So wurde zum Beispiel ein Gesetz abgeschafft, das Frauen verbot, Hosen zu tragen. Dazu dürften auch die fünf Ministerinnen beigetragen haben, die der Übergangsregierung aus Militär und Zivilisten  angehören. 

Verbote werden nicht befolgt, Täter nicht bestraft

Doch bei aller Freude ist auch Skepsis angesagt. In 6 der 18 Bundesstaaten des Sudan war FGM bereits vorher verboten, die Gesetze waren aber wirkungslos. In Ägypten, dem Nachbarland des Sudan, drohen seit 2008 denjenigen, die Frauen an ihren Genitalien verstümmeln, bis zu sieben Jahre Haft. Aber auch hier werden die Täter meist nicht verfolgt und die brutale Praxis wird einfach im Geheimen fortgesetzt. Selbst die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht befolgt und Verstöße dagegen nicht geahndet werden.

Um die weibliche Genitalverstümmelung zu beenden, ist in erster Linie ein gesellschaftliches Umdenken nötig. Wer aus kulturellen oder religiösen Gründen überzeugt ist, dass Mädchen beschnitten werden müssen, oder das unter sozialem Druck akzeptiert, wird sich von drohender Haft kaum abschrecken lassen. Aber in vielen Gemeinschaften, in Kenia und Tansania etwa, sind inzwischen andere Zeremonien entstanden, um den Übergang vom Mädchen zum Frausein zu zelebrieren. Gesetze können den Wandel der Bräuche fördern, vor allem wenn Frauen Zugang zur Justiz haben. Doch ebenso wichtig sind Aufklärungskampagnen mit Hilfe örtlicher Autoritätspersonen oder Religionsführer.  

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