Das Land, in dem kaum noch Honig fließt

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Khalid Al-Banna
Ein Imker in der Provinz Taiz im Südwesten des Jemen entnimmt aus einem Bienenstock Honig.
Jemen
Der Jemen ist bekannt für erstklassigen Honig. Doch der Krieg setzt mit Luftangriffen, Straßensperren und einem Rückgang der Nachfrage den Imkern des Landes stark zu.  

Esam Mohammed war schon als kleiner Junge Imker. Seine Familie, die in der jemenitischen Provinz Taiz lebt, ist von jeher für ihre Bienenzucht bekannt. Vor dem Krieg war die Imkerei ein einträglicher Beruf. „Vor 2015 habe ich mit der Imkerei gutes Geld verdient“, berichtet Mohammed. „Dank meines Berufs konnte ich heiraten, ein Haus bauen und weitere Bienenstöcke kaufen.“ 

Damals kutschierte Mohammed seine Bienenvölker mit dem Auto von einer Provinz in die andere, je nach Jahreszeit und dem Bedarf der Bauern, ihre Pflanzen bestäuben zu lassen. Mohammed genoss es, mit seinen Bienenstöcken frei von Provinz zu Provinz zu reisen. „Wenn wir die Bienen nicht umsiedeln, sterben sie, denn an einem einzigen Ort können sie niemals genügend Blüten abschöpfen. Sie brauchen verschiedene Bäume, und dann produzieren sie auch verschiedene Arten von Honig“, erklärt er. Da Bienen tagsüber ausschwärmen, müssen sie nachts transportiert werden. Am Morgen können sie dann am neuen Ort ausfliegen.

Autorin

Amal Mamoon

ist Journalistin im Jemen.
Als im Jemen 2015 der Krieg begann, wurden jedoch viele Straßen gesperrt, so dass die Imker nicht mehr frei herumfahren konnten. Das Risiko, auf der Straße von den kriegführenden Parteien angegriffen zu werden, war zu groß. „Die Hauptstraßen zwischen Taiz und den anderen Provinzen wurden geschlossen, so dass wir unsere Bienen nun in gefährlichen Etappen über Berg und Tal transportieren“, berichtet Mohammed. „Wir riskieren dabei unser Leben. Aber wenn wir das nicht tun, sterben die Bienen, und wir verlieren unseren Beruf.“ Viele Imker hätten bereits beim Versuch, ihre Bienen auf Umwegen zu transportieren, ihre Fracht verloren oder seien gar getötet worden. 

Mit Rauch verscheucht der Imker die Bienen.

Nachdem einige seiner Berufsgenossen bei solchen Transporten durch das Land ihr Leben nach Luftangriffen verloren hatten, gab Mohammed die Transporte auf. Seitdem muss er schwere Verluste hinnehmen. „Ich bleibe jetzt innerhalb der relativ sicheren Regionen von Taiz. Mit der Folge, dass meine Bienen nun nicht mal mehr halb so viel Honig produzieren wie früher.“ Ein Viertel seiner Bienen sei überdies inzwischen gestorben.

Der Jemen ist für seinen erstklassigen Honig weltweit bekannt. Jemenitische Imker exportieren ihren Honig in viele Länder, unter anderem in die Golfstaaten. Eine der besten Sorten ist der Sidr aus dem Nektar des Christusdorns; er kostet um die 100 US-Dollar pro Kilogramm. Andere Sorten sind billiger, es gibt auch solche für nur fünf US-Dollar pro Kilogramm. Die Imker versuchen, ihre Bienen in Gegenden zu bringen, in denen ihre Bienenvölker zur passenden Jahreszeit Sidr-Honig produzieren können. „Wenn ich aber Sidr-Honig möchte, muss ich die gefährliche Fahrt wagen. Seit einiger Zeit wage ich das nicht mehr.“ 

100 US-Dollar für ein Kilo Honig

Es gibt keine aktuellen Zahlen über die Verluste der Imker. Daten des Landwirtschaftsministeriums vom Oktober 2016 dokumentieren, dass Luftangriffe Dutzende Gebiete zerstört haben, in denen einst Imker ihre Völker hielten. Die Luftangriffe im Jemen werden von der saudi-arabischen Koalition ausgeführt. Laut Zahlen der Dachorganisation jemenitischer Imker gab es im Jemen im Jahr 2016 über 90.000 Imker mit rund 1,3 Millionen Bienenvölkern, die jährlich 2700 Tonnen Honig produzierten. Berichten zufolge werden im Jemen nun noch rund 2000 Tonnen Honig erzeugt. 

Im Oktober 2018 wurden bei einem Luftangriff in der Provinz Al-Hodeidah drei Imker getötet, als sie um zwei Uhr morgens mit ihren Bienen unterwegs waren. Ahmed Morie ist ein alteingesessener Imker aus dem Regierungsbezirk Hodeidah, der seine Bienenvölker normalerweise zwischen Hodeidah und Hajjah hin und her transportiert. Just diese beiden Provinzen gehören jedoch seit 2015 zu den Hotspots der Luftangriffe. Die meisten Attacken auf Imker sind vorgeblich Unfälle, weil sich die Betroffenen in gefährlichen Gebieten nahe der Front aufhielten. Morie berichtet: „Ein Kollege von mir wurde getötet, als er nachts mit dem Auto in Hodeidah unterwegs war. Einen anderen erwischte es, als er nahe seinen Bienen in einem Tal schlief. Beide haben nichts verbrochen, sie waren nur Imker, die hart arbeiteten, um ihre Familien zu ernähren.“ 

Unsichere Perpsektiven für die Bienenzucht

Trotz ihrer langen Geschichte ist die Zukunft der Bienenzucht im Jemen unsicher. Angesichts des verheerenden Bürgerkriegs sind Tausende Imker geflohen und haben ihren Beruf aufgegeben, berichtet die jemenitische Hilfsorganisation ACTED. Auch ist der heimische Markt für Honig durch den völligen Zusammenbruch der Wirtschaft im Land geschrumpft. Deshalb gäben auch viele Imker, die nicht selbst vom Krieg bedroht seien, den Beruf auf. 

Vor 2015 habe die Nachfrage nach Honig geboomt. Händler konnten ihn ohne Schwierigkeiten in die Nachbarländer bringen, und auch im Jemen selbst gab es allerhand Käufer, die sich das Bienenprodukt leisten konnten. Das hat sich seit 2015 geändert. Der Imker Morie erzählt: „Einige reiche Leute sind schon vorbeigekommen, um Honig zu kaufen. Aber sie sind nicht mehr so reich wie früher, und es gibt Exportbeschränkungen, so dass die Händler keine guten Preise mehr erzielen.“ Trotz des Verlustes so vieler Imkereien ist der Honigpreis deshalb nicht gestiegen.

Najib Maqtari, Honigverkäufer in der Hauptstadt Sanaa, berichtet, dass die Jemeniten in Zeiten des Krieges vor allem Grundnahrungsmittel und Dinge des täglichen Lebens brauchen, nicht unbedingt Honig. „Nur diejenigen, die Honig als Medizin verwenden, kaufen ihn, und ein paar sehr reiche Leute.“ Im Jemen gilt der kostbare Sidr-Honig als Heilmittel gegen verschiedene Erkrankungen, beispielsweise gegen Geschwüre. 

Das Landwirtschaftsministerium soll helfen

Die humanitäre Krise im Jemen zählt nach wie vor zu den schwersten der Welt. Fünf Jahre Krieg und schwerer wirtschaftlicher Niedergang haben das Land an den Rand der Hungersnot gebracht und die Not in allen Bereichen verschärft, bestätigt auch das Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA). Schätzungen zufolge sind 80 Prozent der Bevölkerung – 24 Millionen Menschen – auf Nothilfe oder Schutzmaßnahmen angewiesen, darunter 14,3 Millionen in akuter Not. 

Maqtari denkt, dass das Landwirtschaftsministerium die Imker unterstützen und den Export ihres Honigs in die Nachbarstaaten erleichtern sollte, so wie früher. „Es stimmt zwar, dass einige Leute es geschafft haben, Honig in andere Länder zu exportieren, und das war ein wichtiger Schritt. Aber der Jemen exportiert dennoch viel weniger Honig als früher, weil die Häfen geschlossen sind.“ 

Ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, der anonym bleiben will, sagt auf Grundlage der Zahlen von 2016: „Rund hunderttausend Menschen ernähren ihre Familien als Imker, und noch einmal genauso viele verdienen ihr Geld mit dem Vertrieb und Verkauf von Honig. Damit ist Honig die Haupteinnahmequelle von Hunderttausenden Familien.“ Viele dieser Familien hätten wegen der Luftangriffe auf Bienenvölker, wegen Straßenblockaden und Exportsperren ihr Einkommen verloren. Mit den Blockaden und der Front zwischen dem Jemen und Saudi-Arabien seit 2015 sei es sehr schwierig geworden, irgendetwas zu exportieren. Auch Esam Mohammed in Taiz kann seinen Honig in Saudi-Arabien nicht mehr loswerden: „Was ich habe, verkaufe ich nur noch in Taiz.“ 

Aus dem Englischen von Barbara Erbe.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2021: Sport im Süden
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