Mit europäischen Waffen Frieden schaffen?

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EU-Friedensfazilität
Europäische Friedensfazilität
Die EU-Mitglieder haben sich im Grundsatz auf einen neuen Geldtopf geeinigt, aus dem voraussichtlich auch tödliche Waffen ausländischer Armeen finanziert werden können.

Kurz vor Weihnachten verkündete Außenminister Heiko Maas (SPD) als Vertreter der deutschen Ratspräsidentschaft die politische Einigung auf eine sogenannte Europäische Friedensfazilität (englisch EPF abgekürzt). Sie wird für die Zeit von 2021 bis 2027 mit fünf Milliarden Euro ausgestattet und tritt an die Stelle der Friedensfazilität für Afrika (APF) und des Athena-Mechanismus, aus dem gemeinsame Kosten der militärischen EU-Missionen in Ländern wie Mali oder der Zentralafrikanischen Republik getragen wurden. Mit der APF wiederum hat die EU Operationen unter afrikanischer Leitung unterstützt, insbesondere der Afrikanischen Union (AU), etwa im Südsudan und auf den Komoren.

Wie die APF und der Athena-Mechanismus soll die Europäische Friedensfazilität Frieden und Sicherheit in Drittländern voranbringen. Im Vergleich zur APF gibt es drei große Neuerungen. Der Radius wird von Afrika auf die ganze Welt ausgedehnt; die Unterstützung kann direkt an die Partnerländer fließen, also nicht nur über die AU und andere Regionalorganisationen; und drittens ist höchstwahrscheinlich künftig auch die Finanzierung tödlicher Waffen möglich.

Diesen dritten Punkt will die EU nicht bestätigen; bisher ist die Fazilität nicht formell angenommen und der Text nicht öffentlich. Bei der EPF „geht es nicht darum, Waffen und Munition zu liefern“, erklärt ein Sprecher. Auf Nachfrage nach der Möglichkeit der Bereitstellung tödlicher Waffen teilt er mit, „dass die Art der bereitzustellenden Ausrüstung von Fall zu Fall von den Mitgliedsstaaten entschieden wird, was aber nicht der Hauptzweck der Fazilität ist“.

Russen oder Chinesen würden die Lücke füllen

Mit dem Thema befasste Europaabgeordnete gehen davon aus, dass mit der EPF grundsätzlich tödliche Waffen beschafft werden können. Der CDU-Parlamentarier Michael Gahler hält das auch für sinnvoll. Die Möglichkeit sei eine logische Weiterentwicklung der EU-Missionen, bei denen Europäer Soldaten in Drittländern ausbilden, aber keine Waffen liefern. Für Gahler lauten die Alternativen: „Wir müssen selbst ran oder wir lassen es treiben und schauen zu, dass Islamisten oder Rebellen stärker sind als die jeweilige Staatsarmee – oder dass sie sich ihre Waffen anderswo besorgen.“ Russen oder Chinesen beispielsweise würden dann die Lücke füllen und dabei ihren politischen Einfluss ausüben, argumentiert Gahler.

Die Waffen könne man nur bestimmten Regierungen anvertrauen, so wie man auch Budgethilfe in der Entwicklungszusammenarbeit nicht allen anbiete, führt der Verteidigungsexperte aus. In Frage kämen derzeit Länder in der Sahelzone wie Mali, aber auch Mosambik im südlichen Afrika, wo eine Provinz von Islamisten destabilisiert werde. Zum Vertrauen müssten Kontrollmechanismen hinzukommen, fordert Gahler: „Es kann zum Beispiel Teil einer Vereinbarung sein, dass die Regierung jedes halbe Jahr den Militärattachés der EU-Mitgliedstaaten vor Ort nachweist, wo die Waffen geblieben sind.“

Vor allem Kleinwaffen könnten exportiert werden

Auch für Hannah Neumann ist Kontrolle einer der wichtigsten Punkte. Die Grünen-Abgeordnete ist zwar nicht grundsätzlich gegen die Lieferung tödlicher Waffen im Rahmen von Ausstattungshilfe in Drittstaaten, sieht aber „den Mehrwert“ der EU-Fazilität nicht. Schließlich könnten die einzelnen Mitgliedstaaten in solchen Programmen bereits jetzt Waffen liefern, und zumindest bei den größeren Mitgliedern wie Deutschland und Frankreich gebe es dafür bereits Verfahren, ausreichend Expertise „und einen etablierten demokratischen Kontrollprozess, auch wenn der strenger sein sollte“. Das fehle bisher auf EU-Ebene. Zum Beispiel müsste laut Neumann klar geregelt werden, vor welcher Instanz und gegen wen Betroffene oder zivilgesellschaftliche Akteure juristisch vorgehen können, wenn mit Waffen, die aus der Europäischen Friedensfazilität finanziert wurden, Menschenrechte verletzt oder andere Rechtsverstöße begangen würden.

Problematisch ist für sie auch, dass EU-Offizielle mit den Europaabgeordneten zwar über die Fazilität sprächen, aber immer wieder Antworten schuldig blieben, ohne dass das Parlament diese einfordern könne. Die EPF ist – wie APF und Athena-Mechanismus – außerhalb des EU-Haushalts und damit der üblichen parlamentarischen Kontrolle angelegt.
Die Weiterführung anderer Bestandteile von Athena und APF hält Neumann für gut – also die Verteilung der Kosten für gemeinsame Komponenten der Missionen, etwa für Hauptquartiere, auf die EU-Mitglieder und die Unterstützung von Militäroperationen von Drittländern. Sie kritisiert aber, dass letzteres künftig an der AU vorbei geschehen könne: „Die EU nimmt sich die Freiheit, jetzt auch direkt mit nationalem Militär zusammenzuarbeiten. Das schwächt die Afrikanische Union.“

Ganz konkrete Befürchtungen hegt eine Allianz aus 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter Brot für die Welt, Church and Peace und World Vision, die im November erklärte: „Die Waffentypen, die am ehesten im Rahmen des neuen Instruments transferiert werden – einschließlich Kleinwaffen, leichte Waffen und Munition –  sind auch dem größten Risiko des Missbrauchs und der Abzweigung ausgesetzt.“ In der Sahelzone, wo die EPF voraussichtlich zum Einsatz komme, bekämen nichtstaatliche bewaffnete Gruppen ihre Waffen „zunehmend von nationalen Sicherheitskräften“.

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