Freiwillige Diplomaten

Reuters
Thailands König Bhumibol Adul­yadej (rechts) schneidet 1998 Reis in einem Projekt seiner Familie. Der König propagierte, auf die eigenen Kräfte zu setzen – das greift Thailands Entwicklungshilfe auf.
Geber Thailand
Thailand ist seit 2003 ein Geber von Entwicklungshilfe und entsendet Freiwillige in Länder Asiens und Afrikas. Dies dient auch den freundschaftlichen Beziehungen des Staates, besonders zu den Nachbarländern.

Die Regierungen von Benin und Thailand haben im Februar 2017 in Cotonou, der Hauptstadt von Benin, vereinbart, ihre Beziehungen mit einem Projekt zur nachhaltigen Gemeindeentwicklung zu vertiefen. Seitdem werden im Rahmen des Programms „Freunde aus Thailand“ (Friends from Thailand, FFT) junge Freiwillige aus dem südostasiatischen Land nach Benin entsandt, derzeit sind vier im Einsatz. Einige geben Wissen über die Landwirtschaft weiter – etwa zu Kompostierung, einem Solartrockner für Gemüse oder der Herstellung von biologischen Insektenschutzmitteln. Andere haben ein Kochbuch über verarbeitete Lebensmittel aus lokalen Zutaten erstellt wie Süßkartoffelbällchen, Orangenmarmelade oder Maniok-Pommes-frites. Es gibt Belege, dass Bauern in Benin diese Techniken immer noch anwenden.

Freiwillige zu entsenden ist Teil der thailändischen Entwicklungszusammenarbeit. Thailand hatte 1954 den Status eines Hilfeempfängers bekommen, und dann dauerte es ein halbes Jahrhundert, bis es 2003 den Status eines Entwicklungshilfegebers erlangte. Bangkok zieht aber „Anbieter“ dem Begriff „Geber“ vor, das verdeutlicht den Ansatz des Landes an die Entwicklungszusammenarbeit: Gleichberechtigte Partnerschaften und Prinzipien der Süd-Süd-Kooperation sind leitend. Im Jahr 2004 wurde unter dem Dach des Außenministeriums die Entwicklungsagentur Thailand International Cooperation Agency (TICA) gegründet. Entwicklungszusammenarbeit (EZ) gilt als ein diplomatisches Instrument, als „sanfte Diplomatie“.

Thailands EZ orientiert sich an der Philosophie des verstorbenen Königs Bhumibol Adulyadej des Großen (Regierungszeit 1946-2016), der Sufficiency Economy Philosophy (SEP), die aus den Erfahrungen der eigenen Entwicklung gewonnen wurde. Die SEP zeichnet sich durch drei miteinander verbundene Prinzipien aus: Vernunft, Mäßigung und Resilienz. Dieser Ansatz ist in hohem Maße mit nachhaltiger Entwicklung vereinbar. 

Die EZ verbessert das Image Thailands

Thailands Motive, Entwicklungshilfe zu leisten, leiten sich aus seiner nach außen gerichteten und aktiven Außenpolitik nach dem Ende des Kalten Krieges ab. Die Regierung verfolgte eine außenpolitische Strategie mit dem Titel „Übergang vom Kampffeld zum Marktplatz“. Um die vormals kommunistischen Nachbarländer einzubinden, schuf Thailand ein günstiges internationales Umfeld, indem es Investitionen in Laos und Vietnam förderte. Die EZ verbessert das nationale Image und den internationalen Status Thailands, das sich damit als aller Welt Freund darstellt. Darüber hinaus ist Thailand klar, dass das soziale Wohlergehen sowie der wirtschaftliche Fortschritt in den Nachbarländern der eigenen Bevölkerung zugutekommen. Entwicklungszusammenarbeit soll das gegenseitige Verständnis fördern und die Beziehungen zwischen Thailand und anderen Ländern festigen. Sie gibt Thailand den Status eines aufstrebenden Gebers, der Denkweisen und Praktiken zur Nachhaltigkeit mit anderen Entwicklungsländern teilen kann. Und schließlich erleichtert die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern es einheimischen Stellen, internationale Standards zu übernehmen.

Autor

Seksan Anantasirikiat

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Studies Center des thailändischen Außenministeriums. Der Artikel gibt nicht notwendig die Meinung des Außenministeriums oder der Königlich Thailändischen Regierung wieder.
Das Freiwilligenprogramm FFT hat TICA 2003 ins Leben gerufen mit dem Hauptziel, „Freundschaft und besseres Verständnis zwischen den Menschen in Thailand und denen unserer Entwicklungspartner zu fördern“. FFT pflegt Partnerschaften auf lokaler und zwischenmenschlicher Ebene und bietet technische Beratung in Bereichen an wie Landwirtschaft, öffentliche Gesundheit, Bildung, Schreinerei, Ökotourismus, Entwicklung einheimischer Produkte und nicht zuletzt Gemeindeentwicklung auf der Grundlage des SEP. Der erste Freiwillige wurde 2003 zum Unterrichten der thailändischen Sprache nach Vietnam entsandt. Derzeit sind 57 Männer und 106 Frauen für ein bis zwei Jahre in verschiedenen Ländern im Einsatz, darunter Benin, Bhutan, Kambodscha, Laos, Lesotho, Mosambik, Myanmar, Timor-Leste und Vietnam.

Bildungsprogramme wie Computer- und Thai-Unterricht gehören zu den beliebtesten Einsatzgebieten, gefolgt von praktisch-technischer Fortbildung, Landwirtschaft, Gesundheitswesen – zum Beispiel Gemeindegesundheit und medizinische Grundversorgung – sowie Gemeindeentwicklung, etwa Aufbau von Entwicklungsorganisationen und lokales Umweltmanagement. Nach Bhutan geht die höchste Anzahl an FFT-Freiwilligen. Auch die Nachbarländer sind ein beliebtes Ziel. Afrika wird ebenfalls zur strategisch wichtigen Region für das FFT-Programm, weil dort der Umfang thailändischer Investitionen über die Jahre zugenommen hat. 

Die Einsätze unter dem FFT-Programm sind entweder projektbasiert, das heißt, die Freiwilligen werden in vorhandenen Projekten der thailändischen EZ eingesetzt. Oder aber sie werden auf Anfrage entsandt, wenn Partnerländer bestimmte Fertigkeiten suchen oder bestimmte Stellen besetzen wollen. Das Vorgehen bestätigt den Ansatz, Entwicklungszusammenarbeit als Instrument der sanften und öffentlichen Diplomatie zu nutzen und Verbindungen zwischen Menschen zu nutzen, um Vertrauen aufzubauen.

Die meisten Bewerber sind weiblich und unter 30 Jahre alt

Die TICA arbeitet eng mit der Puey Ungphakorn School of Development Studies (PSDS) der Universität Thammasat in Bangkok zusammen: Die Fakultät steuert die Rekrutierung und Ausbildung für das FFT-Programm. Nach Angaben der PSDS sind die meisten Bewerber weiblich und unter 30 Jahre alt (21- bis 35-Jährige können sich bewerben). Alle haben mindestens einen Bachelor-Abschluss. Wer angenommen wird, muss an Schulungen teilnehmen. Vermittelt werden dort interkulturelle Kommunikation einschließlich der Rolle als Repräsentanten Thailands, Entwicklungswissen wie Konzepte der Freiwilligenarbeit und die SEP-Philosophie sowie Wissen für den jeweiligen Einsatz.

Die hohe Zahl an FFT-Freiwilligen für Bhutan geht auf Anfragen der bhutanischen Regierung und des königlichen Sekretariats an die TICA zurück. Bhutans Monarch König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck bewundert die Philosophie des verstorbenen Königs Bhumibol und sein Vermächtnis, und Bhutan verfolgt einen Entwicklungsansatz unter Bezug auf die Erfahrungen Thailands. Während der Covid-19-Pandemie haben FFT-Freiwillige als einzige mit den bhutanischen Behörden zusammengearbeitet, um infizierte Personen zu untersuchen. Mosambik und Benin sind zwei afrikanische Länder, die von TICA und dem FFT-Programm viel beachtet werden. Die Rückmeldungen von den thailändischen Freiwilligen dort und von den Menschen und Regierungen der beiden Länder sind gut. Ein Freiwilliger in Mosambik hat Dorfbewohnern eine thailändische Technik zum Kochen von Mango-Paste erklärt und die wurde dort sehr beliebt als Weg, sich etwas dazuzuverdienen. 

Freiwillige erhöhen auch den Nutzen informeller Netzwerke wie der thailändischen Gemeinschaften im Ausland oder anderer internationaler Freiwilliger. Ein Freiwilliger berichtet aus Mosambik, die thailändische Gemeinde in Maputo habe Kleidung und Geld für sein Gemeindeprojekt gespendet. Und thailändische Techniker, die ein Kraftwerk bauten, kamen an ihren freien Tagen ins Dorf, schulten die Bewohner in der Installation von Solarzellen und halfen bei der Reparatur von Fahrrädern und Autos.

Abgesehen von Südasien und Afrika bevorzugt Thailand seine Nachbarländer für die Entsendung von FFT-Freiwilligen. Heutzutage versetzt die Entkopplung der Großmächte voneinander viele in Besorgnis. Sie erlaubt aber staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, sich neu zu orientieren. Verbindungen pflegen ist ein Schlüsselwort für die kommenden Jahre.

Aus dem Englischen von Bernd Ludermann.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2021: Entwicklung wohin?
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