Peking missachtet die Menschenrechte - die Olympiade wird daran nichts ändern
In der Diskussion über die Olympischen Sommerspiele in Peking gehen die Meinungen auseinander. Athleten und Olympia-Funktionäre sagen, Sport und Politik dürften nicht vermischt werden. Andere sehen die Chance, dass die Spiele zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage in der Volksrepublik beitragen. Eine dritte Gruppe hingegen erwägt einen Boykott, um die Regierung zu einer anderen Politik in Tibet zu bewegen. Alle drei Positionen gehen an der Wirklichkeit vorbei.
Seit ihrer Wiederaufnahme 1896 werden Olympiaden politisch instrumentalisiert. Das gilt für Ausrichter wie Nazi-Deutschland 1936 oder die USA 2002, als Präsident Bush seine Eröffnungsrede zu den Winterspielen in Salt Lake City zum patriotischen Gedenken an die Opfer vom 11. September 2001 nutzte. Das gilt aber auch für die ungezählten Boykotteure, die den Spielen als Zeichen politischen Protests fernblieben – sei es 1956 wegen der Suez-Krise, 1976 wegen der Apartheid in Südafrika oder 1980 wegen des russischen Einmarschs in Afghanistan. Die Aufforderung, Sport und Politik voneinander zu trennen, ist der durchsichtige Versuch, einen drohenden Boykott abzuwenden.
Auch die Annahme, die Olympiade könnte die Lage in China verbessern, ist Wunschdenken. Der Vergleich mit Südkorea, den einige ziehen, überzeugt nicht. Das Land, das 1988 die Sommerspiele ausrichtete, machte in den folgenden Jahren zwar beachtliche Schritte in Richtung Demokratie, aber das hatte wenig mit Olympia zu tun. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre hatte eine erstarkende Demokratiebewegung in Seoul immer wieder für mehr Rechte und Freiheiten demonstriert.
Davon ist China weit entfernt – und der Zuschlag, die Sommerspiele ausrichten zu dürfen, hat daran nichts geändert. Im Gegenteil: Die Menschenrechtslage hat sich in jüngster Zeit laut amnesty international „eher verschlechtert als verbessert“. Die Volksrepublik will sich die große Feier im August nicht verderben lassen und verstärkt deshalb den Druck auf Aktivisten und Journalisten. Und wenn alle Medaillen vergeben sind, wird Peking zur Tagesordnung übergehen.
Aber auch ein Boykott würde daran nichts ändern – genauso wenig wie frühere Olympia-Boykotte gewirkt haben. Im Falle Chinas kommen diese Überlegungen zudem reichlich spät. Peking verletzt die Menschenrechte ja nicht erst seit den jüngsten Unruhen in Tibet. Außerdem war klar, dass China-Kritiker die Olympiade zum Anlass nehmen würden, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen – seien es Menschenrechtler, Tibeter oder Darfur-Aktivisten. Wenn unter diesen Bedingungen Olympische Spiele nicht akzeptabel sind, dann hätte Peking nie Austragungsort werden dürfen. (ell)
welt-sichten 4-2008