Schularbeiten für eine gerechtere Welt

ÖFSE/Christine Miess
Misbah Riaz (Mitte) hat sich in ihrer preisgekrönten Schularbeit mit Islamophobie im deutschsprachigen Raum befasst. Die Schülerin aus Wien hat außerdem einen Podcast zu dem Thema gestartet. Rechts ihre Mutter, links die SPÖ-Entwicklungspolitikerin Petra Bayr, die den Preis überreicht hat.
Preisverleihung
In Wien sind wie jedes Jahr entwicklungspolitische Arbeiten von österreichischen Schülerinnen und Schülern prämiert worden. Dieses Jahr zeigte sich ein starker Praxisbezug, darunter in einem Podcast und einer Modenschau.

In Wien wurde erneut der C3-Award vergeben, der herausragende abschließende Arbeiten (ABA) und Diplomarbeiten von Schülerinnen und Schülern zu globalen gesellschaftlichen Fragen würdigt. Die ABA sowie die Diplomarbeiten sind Bestandteil des österreichischen Abiturs, der Matura. 

Die Resonanz war dieses Jahr so groß wie noch nie: 117 Arbeiten wurden bei den drei entwicklungspolitischen Organisationen Österreichische Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE), BAOBAB und Frauen*solidarität eingereicht, die den Preis verleihen. Zehn davon schafften es auf die Shortlist, drei wurden Ende Mai in der C3-Bibliothek in Wien von einer Fachjury prämiert.

Eine der ausgezeichneten Arbeiten, die sich mit der Entwicklung der Frauenrechte in Ruanda seit dem Genozid 1994 auseinandersetzt, stammt von Sarah Litzenberger aus Niederösterreich. Sie stellt die Frage: Gilt Ruanda zu Recht als „Frauenwunderland“? Mit einem Frauenanteil von rund 63 Prozent im Parlament – dem höchsten weltweit – gilt Ruanda international als Vorzeigeland in Sachen Gleichstellung. 1999 lag der Anteil noch bei 25 Prozent. Zum Vergleich: In Österreich liegt er aktuell bei rund 36 Prozent.

Fortschritte für Frauen in Ruanda

Litzenberger zeigt, wie Gesetzesreformen Frauen neue Rechte und Handlungsspielräume eröffnet haben. So sichert das seit 1999 geltende Erbrecht Frauen das Recht, Besitz zu erben und Bankkonten zu eröffnen. Ein weiterer Meilenstein war die Verfassungsreform von 2003, mit der die Gleichstellung der Geschlechter gesetzlich verankert wurde. Das hat für Mädchen den Bildungszugang und für Frauen den Zugang zu Führungspositionen verbessert.
Doch trotz dieser Fortschritte seien Frauen besonders in ländlichen Regionen weiterhin struktureller Benachteiligung ausgesetzt. Tief verwurzelte patriarchale Normen und Armut erschwerten es vielen, die rechtlich verankerten Chancen praktisch zu nutzen. Zudem weist die Autorin darauf hin, dass wegen des Einparteiensystems in Ruanda die Sitze im Parlament nicht demokratisch gewählt werden, sondern Kandidatinnen und Kandidaten von der amtierenden Partei nominiert werden. 

Trotzdem betont Litzenberger den wichtigen Beitrag ruandischer Politikerinnen: „Besonders die Frauen in der Politik waren es, welche auf die Wichtigkeit von Themen wie HIV oder Eigentumsrechten aufmerksam machten.“ Rechtliche Gleichstellung sei ein wichtiger Schritt, doch gesellschaftliche Gleichstellung erfordere weitergehende Veränderungen.

Misbah Riaz hat sich in ihrer preisgekrönten Arbeit mit Islamophobie im deutschsprachigen Raum befasst. Die Schülerin aus Wien ist der Frage nachgegangen, wie sich legitime Religionskritik von rassistisch motivierter Islamfeindlichkeit unterscheiden lässt und wie tief antimuslimische Vorurteile Medien und die Gesellschaft durchziehen.

Ein Podcast zu Islamophobie

Riaz hat aber nicht nur eine theoretische Analyse geliefert: Als praktischen Teil ihrer Arbeit hat sie die erste Folge der von ihr kreierten Podcast-Reihe „Islamophobie im Fokus“ produziert. Darin spricht sie mit dem Politikwissenschaftler Farid Hafez über mediale Narrative, strukturelle Diskriminierung und Fallbeispiele für Islamophobie: vom Widerstand gegen den Bau von Moscheen bis hin zu erschwerten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt für kopftuchtragende Frauen. Bei der Preisverleihung betonte Riaz, wie wichtig es sei, sowohl gesellschaftlich als auch politisch gegen Islamophobie vorzugehen. Stereotype müssten dringend abgebaut werden. 

Die dritte ausgezeichnete Arbeit von Alessia Murgida, Najed und Najoud Omier, Lucia Schäfer beleuchtet kritisch die Fast-Fashion-Industrie und die globalen Wertschöpfungskette der Textilindustrie. Die Branche ist für rund zehn Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich. Hinzu kommen jährlich rund 72 Millionen Tonnen Textilmüll, der oft auf illegalen Deponien in Ländern des globalen Südens landet. Die Arbeit analysiert auch die sozialen Kosten, etwa in Form prekärer Arbeitsbedingungen und wachsender globaler Ungleichheit.

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Um zu zeigen, dass es auch anders geht, organisierten die Schülerinnen eine nachhaltige Modenschau in Bregenz, der Landeshauptstadt von Vorarlberg. Dazu wählten sie mit lokalen Second-Hand-Läden gebrauchte Kleidung aus und bewarben die Modenschau unter anderem im Radio. Nach der Veranstaltung führten sie eine Umfrage unter den Besucherinnen und Besuchern durch. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte gab an, künftig mehr Kleidung aus zweiter Hand kaufen zu wollen. 

Nachhaltige Mode, Frauenrechte und Islamophobie: Die diesjährigen Gewinnerinnen des C3-Awards zeigen, dass junge Forschung nicht bloß abstrakt und theoretisch ist, sondern auch gesellschaftlich engagiert sein kann.

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