Atomkraft

Die Weltbank fördert eine Risikotechnik

Künftig kann die Weltbank auch Atomkraftwerke finanzieren – nicht zuletzt auf Druck der USA. Dabei ist diese Technik hoch riskant und für ärmere Länder eine sehr schlechte Option, meint Bernd Ludermann.
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Nuklearwirtschaft

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Die Weltbank beendet ihr Moratorium für die Förderung von Kernkraft aus dem Jahr 2013, das eine Lehre aus der Katastrophe im japanischen Fukushima war. Ihr Präsident Ajay Banga hat im Juni erklärt, künftig sollten Staaten zinsgünstige Kredite bekommen können, um die Laufzeit bestehender Atomkraftwerke (AKW) zu verlängern. Und die Bank wolle helfen, die Einführung neuer, kleiner „Fertigreaktoren“, sogenannter Small Modular Reactors (SMR), zu beschleunigen. Banga begründet das mit dem stark wachsenden Energiebedarf der Entwicklungsländer: Moderne Energie sei unerlässlich für Industrialisierung und Digitalisierung, und die Staaten müssten selbst entscheiden, welche Art Stromerzeugung für sie die geeignete sei. 

Doch mehr Atomkraft ist ein fataler Irrweg. Es stimmt zwar, dass heute wieder mehr Länder neue Kernkraftwerke möchten – auch in Afrika, wo der Mangel an moderner Energie und speziell Strom am größten ist und bisher nur ein einziger Reaktor läuft, in Südafrika. Schon auf dem UN-Klimagipfel 2023 in Dubai haben über zwanzig Staaten – überwiegend Industrieländer Europas, Nordamerikas und Ostasiens – erklärt, sie wollten gemeinsam die Stromerzeugung aus Kernkraft weltweit bis 2050 verdreifachen; das sei ein Weg zum Klimaschutz.

Kehrtwende auf politischen Druck aus Washington

Aber entscheidend für die Kehrtwende der Weltbank war nicht der Bedarf armer Länder, sondern politischer Druck der Nuklearindustrie und vor allem aus Washington.  Die Regierung Trump will kleine Reaktoren (SMR), die technisch nicht ausgereift sind, zu Hause errichten sowie exportieren. Und sie will auch im Stromsektor den Einfluss Russlands und Chinas in Afrika zurückdrängen; dort wollen bisher Ruanda, Nigeria, Marokko und Ägypten mit Hilfe von China, Russland oder beiden AKWs bauen. Der Finanzminister der USA, Scott Bessent, hat die Weltbank im April öffentlich aufgefordert, wieder Atomkraft zu fördern. Das tut sie und lässt sich damit für Exportinteressen und die Geopolitik der USA einspannen.

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Das ist gegen jede Vernunft. Schon aus Gründen der Technik, die schwer beherrschbar ist: Große Unfälle in AKWs mögen selten sein, haben dann aber oft katastrophale und andauernde Folgen für riesige Gebiete. Ob der strahlende Abfall für Jahrtausende sicher gelagert werden kann, ist ungeklärt. Zudem sind Kernkraftwerke eine potenzielle Quelle von Spaltmaterial für Atombomben. Es ist kein Zufall, dass die große Mehrheit der AKWs von Atommächten betrieben wird; auch Südafrika hat unter der Apartheid die Technik eingeführt, um eine Bombe zu erhalten.

Ihr Nutzen für den Klimaschutz ist demgegenüber ebenso zweifelhaft wie der für die Energieversorgung ärmerer Länder. AKWs verursachen zwar weniger Treibhausgase als fossile Kraftwerke, aber deutlich mehr als erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Windkraft – unter anderem wegen des Uranbergbaus und der Abfälle. Erneuerbare kann man sehr viel schneller ausbauen als AKWs, deren Planung und Bau in der Regel zehn Jahre oder mehr dauert. Dass kleine „Fertigreaktoren“ im Baukastensystem dies ändern, ist nicht erprobt. Um mit AKWs den Klimawandel zu bremsen, ist es viel zu spät.

Entwicklungsländer müssten sich für AKWs hoch verschulden

Für die Energieversorgung in Afrika sind AKWs auch deshalb ein Irrweg, weil die Investitionen viel zu teuer sind. Entwicklungsländer müssten sich für Kernkraft hoch verschulden, und das Kapital für den Ausbau der viel kostengünstigeren Erneuerbaren würde ihnen dann fehlen. Sie würden sich von ausländischen Konzernen oder, wie bei China, fremden Staatsfirmen abhängig machen. Nur die wenigsten, etwa Südafrika, könnten in absehbarer Zeit selbst Kraftwerke, ihre Teile oder Brennstäbe herstellen. Und AKWs sind eine stark zentralisierte Form der Stromerzeugung; in Gebieten ohne ausgebautes Stromnetz oder mit dünner Besiedelung ist eine vorwiegend dezentrale Versorgung mit Erneuerbaren viel schneller und kostengünstiger erreichbar.

Nicht zuletzt sind die Sicherheitsrisiken in vielen Staaten Afrikas noch einmal größer als im globalen Norden. AKWs sicher zu betreiben, erfordert einen gut funktionierenden Staat und hochqualifizierte Fachleute. Unter den Ländern, die Atomkraftwerke planen, sind aber zum Beispiel Äthiopien, Niger, Burkina Faso und Mali, die von Bürgerkrieg, Terrorismus oder beidem destabilisiert werden.

Das alles sollte den Fachleuten in der Weltbank bekannt sein. Dass sie dennoch wieder Kernkraft in Entwicklungsländern fördern will, ist ein Kniefall vor ihrem größten Anteilseigner, den USA. Und es ist Ausdruck eines von reichen Ländern ausgehenden und erschreckenden Trends: Umweltschutz gilt mehr und mehr als reines Wirtschaftshemmnis. Technischer Größenwahn ist wieder angesagt.

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