Faires Saarland, zertifiziert

Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Februar 2025 mit Vertreterinnen der Aktion 3. Welt Saar und Schülerinnen im Bildungsministerium in Saarbrücken.
picture alliance / BeckerBredel
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Februar 2025 mit Vertreterinnen der Aktion 3. Welt Saar und Schülerinnen im Bildungsministerium in Saarbrücken. Ihr Antrag auf Fairtrade-Zertifizierung war erfolgreich, jetzt wird das Saarland als „faires“ Bundesland ausgezeichnet.
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In Deutschland gibt es mehr als 900 Fairtrade Towns. Jetzt wird das Saarland als erstes Fairtrade-Bundesland ausgezeichnet. Die Meinungen gehen auseinander, ob das dem fairen Handel dient – oder nicht doch nur dem Image des Saarlands.

Im November wird das Saarland offiziell als „faires“ Bundesland ausgezeichnet. Nach acht Jahren Vorbereitungszeit hatte die Landesregierung im vergangenen Februar die Zertifizierung bei Fairtrade Deutschland  beantragt. Die Organisation hat die Kriterien für erfüllt befunden, das heißt: Im Saarland sind ausreichend Produkte aus fairem Handel im Verkauf erhältlich und werden in Kitas, Schulen, Universitäten und Ministerien angeboten; gleichzeitig gibt es Kampagnen, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit des Landes zum Thema gerechter Handel. Der Auszeichnung am 7. November steht damit nichts mehr im Wege.
Bereits im Koalitionsvertrag von CDU und SPD  für die Landesregierung von 2017 bis 2022 hatten die Koalitionäre ihre Absicht festgehalten, das Saarland solle erstes faires Bundesland werden. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hatte diesen Entschluss in ihrer Regierungserklärung von 2022 bekräftigt.

Bildungsarbeit und Veranstaltungen sind verpflichtend

Die Kriterien für ein „faires“ Bundesland legt Fairtrade Deutschland fest. Danach muss sich die Landesregierung zur Förderung des fairen Handels bekennen. Ministerien müssen standardmäßig neben fair gehandeltem Kaffee mindestens noch ein weiteres faires Produkt in Kantinen, Sitzungen und bei Veranstaltungen anbieten. Zwei Drittel der Bevölkerung sollen in einer bereits von Fairtrade zertifizierten Stadt leben. Außerdem muss eine Steuerungsgruppe mit Vertretern von Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bildungssektor gebildet werden, um das Vorhaben voranzubringen und zu beaufsichtigen. Regelmäßige Aktionen und Veranstaltungen zum fairen Handel sind verpflichtend, genauso wie Bildungsarbeit in Kitas und Schulen. Pro eine Million Einwohnern ist eine als fair ausgezeichnete Hochschule anzugeben; im Saarland gibt es zwei bei gut einer Million Einwohner.

Das Saarland blickt auf eine lange Tradition des Engagements im fairen Handel. Vor fünfzig Jahren wurde in Saarbrücken der erste Weltladen gegründet. Im Jahr 2009 erhielt Saarbrücken als erste Stadt in Deutschland den Titel  Fairtrade Town2015 gewann die Stadt außerdem den Titel „Hauptstadt des Fairen Handels“, den die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt im Rahmen eines bundesweiten Wettbewerbs von Kommunen, Gemeinden und Kreisen alle zwei Jahre vergibt.

Auszeichnung als '"Symbolpolitik"

Ob die Kriterien für die Zertifizierung von Städten, Regionen und nun auch einem Bundesland als „fair“ den gerechten Handel voranbringen oder mehr der Imagepflege dienen, ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Ekkehart Schmidt vom Netzwerk Eine Welt Saarland sagt: „Die Auszeichnung ist ein mutiger erster Schritt auf dem richtigen Weg – und dennoch zunächst einmal Symbolpolitik.“ Andere Bundesländer seien weiter im Beschaffungswesen, ohne als Land das Fairtrade-Siegel zu tragen. Es sei zu wenig, lediglich fairen Kaffee und faire Cashewnüsse von einer Kooperative im Partnerland Benin in den Ministerien anzubieten. Vor allem beim öffentlichen Einkauf des Landes sei noch zu wenig passiert.

Allerdings kann ein Bundesland laut den Kriterien von Fairtrade Deutschland für die Zertifizierung alternativ eine Partnerschaft mit einer Region im globalen Süden eingehen, statt sich beim öffentlichen Einkauf zu engagieren. Das Saarland hat diese Option gewählt und in seiner Bewerbung die Kooperation mit Benin angegeben.

Die Zertifizierung „steht für den echten Einsatz gegen Ausbeutung und für einen gerechteren Welthandel über reines Marketing hinaus“, sagt Wynnie Mbindyo von der Initiative Faires Saarland, die zugleich Bildungsreferentin bei Fairtrade Deutschland ist. Das Thema Beschaffung sei wichtig, stand aber in der Steuerungsgruppe noch nicht im Fokus. „Wir haben uns zunächst darauf konzentriert, die Kriterien für die Auszeichnung zu erfüllen.“

Beate Ruffing vom Kreis Saarpfalz betont hingegen, der sozial und ökologisch nachhaltige Einkauf sei durchaus ein wichtiges Thema in der Steuerungsgruppe gewesen. So habe man erste Schritte unternommen und beispielsweise die landeseigene Wirtschaftsförderungsagentur saaris kontaktiert, die für Werbemittel des Landes zuständig ist. Mit den fairen Cashewnüssen aus Benin und anderen fairen Produkten wolle das Land auf sein Engagement im fairen Handel hinweisen. Wichtige Produktbereiche bleiben außen vor, kritisiert Ekkehart Schmidt vom Netzwerk Eine Welt Saarland. Fairtrade siegelt keine Produkte wie PCs, Papier oder Steinplatten, die aber große Summen im öffentlichen Einkauf ausmachten. 

Dass weitere Schritte notwendig sind, sieht auch die Landesregierung. Alle Beteiligten sind sich einig: Die Auszeichnung als faires Bundesland kann nur einen Anfang darstellen. Die Landesregierung will den fairen Einkauf unter anderem auf Textilien und Veranstaltungsbedarf ausweiten. In Zusammenarbeit mit der Staatskanzlei und saaris soll dafür eine dauerhafte Beschaffungsstelle für faire Produkte eingerichtet werden. Die Kooperation mit Benin will das Bundesland vor allem im Bereich berufliche Bildung vertiefen. Das sind Ansatzpunkte auch für die Zivilgesellschaft, um nachzuhaken und mehr Engagement zu fordern.

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