Dialog statt Raketen gefragt

Junge Frauen im blauenHidschab um einen Tisch mit Essen.
Reuters TV
25 Schülerinnen sind in Kebbi im Nordwesten Nigerias im November entführt worden und wurden dann wieder freigelassen; das Bild zeigt sie unmittelbar nach der Freilassung Ende November mit ihren Eltern.
Nigerias Christen
US-Präsident Trump will in Nigeria militärisch eingreifen, sollte der „Genozid an den Christen“ nicht gestoppt werden. Bischöfe in Nigeria begrüßen, dass er die Gewalt im Land zum internationalen Thema macht. Zugleich ruft die Deutsche Bischofskonferenz zu Differenzierung und Dialog auf.

In Nigeria wird die Sicherheitslage immer schlechter. Entführungen, Massaker und gewaltsame Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung. Über viele Landesteile hat die Regierung offenbar keine Kontrolle. Außerdem werden viele Verbrechen nicht geahndet. Islamistische Milizen und kriminelle Banden setzen ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen ohne Rücksicht auf Verluste durch. Wird noch der Faktor Religion ins Spiel gebracht, dreht sich die Spirale der Gewalt immer schneller. Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas sind etwas mehr als die Hälfte der knapp 240 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Muslime, rund 45 Prozent sind Christen. Der Norden des Landes ist überwiegend muslimisch, während im Süden überwiegend Christen leben. 

Allein im November wurden mehr als 400 Menschen entführt, darunter 303 Kinder und zwölf Lehrer aus einer christlichen Schule in Papiri im Norden des Landes und 25 Schülerinnen im Bundesstaat Kebbi im Nordwesten. Entführungen sind im nördlichen Teil Nigerias zur lukrativen Einnahmequelle geworden. Mit den Lösegeldern finanzieren dort einerseits islamistische Milizen ihren Kampf gegen den nigerianischen Staat und um Rohstoffe. Andererseits gehen immer mehr Entführungen auch auf das Konto von kriminellen Banden, die sich damit bereichern wollen. 

Auch im Gottesdienst nicht sicher

In anderen Landesteilen, besonders im Middle Belt, nimmt die Gewalt zwischen überwiegend muslimischen Hirten und vorwiegend christlichen Bauern zu. Die ursprünglichen Weidegründe versteppen aufgrund des Klimawandels oder werden zu Ackerland gemacht, weil Nigerias Bevölkerung stark wächst. In den Auseinandersetzungen zwischen Hirten und Bauern mischen auch islamistische Gruppen mit und heizen sie an.

Christen sind selbst im Gottesdienst manchmal islamistischem Terror ausgesetzt. So wurden Mitte November im Bundesstaat Kwara im Westen des Landes 38 Gläubige während eines Gemeinschaftsgebets gefangen genommen. Später konnten Sicherheitskräfte sie wieder befreien. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, in denen die islamische Scharia gilt, leiden Christen auch unter Diskriminierung von Behörden. Wollen sie zum Beispiel eine Kirche bauen, wird die Erlaubnis dafür oft grundlos hinausgezögert oder ganz verweigert.  

Um die Sicherheit und die Religionsfreiheit von Christen ist es in Nigeria also nicht gut bestellt. Die Frage ist nur: Was kann man dagegen tun? US-Präsident Donald Trump hat Anfang November angekündigt, Truppen nach Nigeria zu schicken und das Land mit Raketen zu beschießen, sollte der „Genozid an den Christen“ nicht schnellstens aufhören. 

Der Erzbischof dankt für Trumps klare Worte

Nun stimmt es zwar, dass in Nigeria mehr Christen als Muslime Opfer von Gewalt werden. Doch auch Muslime werden entführt und ermordet und leiden unter der Sicherheits- und Wirtschaftskrise. Bei der Vorstellung der Arbeitshilfe zu Nigeria, mit der die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) dieses Jahr auf die Situation der Christen in dem Land aufmerksam macht, war man sich einig, dass es nichts helfen würde, Nigeria mit Bomben zu überziehen. 

Gleichwohl sei man in Nigeria Trump dankbar für seine deutlichen Worte, betonte der per Video zugeschaltete Erzbischof von Abuja, Ignatius Ayau Kaigama. Der US-Präsident habe damit endlich die desaströse Sicherheitslage in Nigeria auf die internationale Agenda gehoben. Ohne die Hilfe der Staatengemeinschaft könne es Nigeria nicht schaffen, der Gewalt im eigenen Land Herr zu werden. Zwar sei die Regierung mittlerweile aufgewacht und engagiere sich stärker, sagte Erzbischof Kaigama. Er nehme Staatspräsident Bola Tinubu, mit dem er erst jüngst persönlich gesprochen habe, aber ab, dass dieser selbst überwältigt sei vom Ausmaß, das die Gewalt in Nigeria mittlerweile angenommen habe. 

„Nach Trumps Ankündigung hatten wir gehofft, dass nun auch konkrete Maßnahmen gegen die Gewalt unternommen werden. Aber da ist bisher nichts passiert“, sagte Kaigama. Deswegen frage man sich, ob Trump mit seiner Ankündigung nur die große Bühne gesucht habe oder wirklich in Nigeria etwas verbessern wolle. „Ich bin da skeptisch.“ Außerdem wäre es gut gewesen, die nigerianische Seite, zum Beispiel die Bischöfe selbst, vorher mit einzubeziehen. „Wir sind eine starke Stimme in Nigeria und kennen die Situation vor Ort.“

Kein Konflikt der Religionen

Und die ist sehr viel komplexer, als es das kulturkämpferische Narrativ „der Islam gegen die Christen“ nahelegt. Bischof Bertram Meier, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der DBK, der im Januar selbst in Nigeria war, mahnte einen differenzierten Umgang mit dem Thema an. „Ich verwahre mich gegen holzschnittartige Darstellungen, zu denen Herr Trump leider neigt.“ 

Dirk Bingener, Präsident von Missio Aachen, erkennt ein grundsätzliches Problem in der internationalen Politik: Trump könne sich vor allem deswegen so gut als Retter verfolgter Christen darstellen und das Thema für seine eigene Politik nutzen, weil es in anderen westlichen Regierungen wie zum Beispiel der Bundesregierung an Sprachfähigkeit beim Thema Religion fehle. „Man muss über die Situation der Christen in Nigeria sprechen können, ohne gleich den Islam zu diffamieren“, sagte er. 

Es gebe Möglichkeiten, das Leben in Nigeria zu erleichtern und die Gemeinschaft der Menschen zu stärken, sagte Bingener. Er berichtete von interreligiösen Projekten, die gut funktionierten und Menschen immun machten gegen die Polarisierungsversuche von Extremisten. „Für Christen in Nigeria stellt der interreligiöse Dialog einen wichtigen Schutz dar“, sagte er. Gerade lokalen Initiativen, in denen Frauen eine wichtige Rolle eingeräumt werde, komme ein hoher Stellenwert zu. „Frauen sind oft die Ersten, die von Gewalt und Konflikten betroffen sind. Sie sind aber auch die ersten, die dann wieder anfangen, Brücken zu bauen.“ 

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