Wenn jemand offensichtlich mit einem Auto „auf eine Gruppe unschuldiger Passanten zusteuert, kann ich als gläubiger Mensch nicht einfach die Katastrophe abwarten, dann die Verwundeten trösten und die Toten begraben. Ich muss versuchen, dem Fahrer ins Lenkrad zu greifen.“ Mit dieser Analogie begründet der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) seine großangelegte Kampagne „Hoffnung für Kinder durch Klimagerechtigkeit“.
Die Dringlichkeit der Klimakatastrophe erfordere wirksame Gegenmaßnahmen. „Angesichts der Tatsache, dass fossile Brennstoffe für über 75 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, müssen wir diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die ihre Expansion immer noch finanzieren und uns und zukünftigen Generationen schaden“, heißt es in einem Handbuch das Ende April in Genf vorgestellt wurde.
Das Buch zeigt, wie Einzelpersonen gegen Banken und Investmentunternehmen vorgehen können, die die Förderung von und den Handel mit fossilen Brennstoffen unterstützen. Niemand wolle absichtlich Kindern durch private Bankgeschäfte oder Anlageentscheidungen die Zukunft verbauen, sagt die Leiterin des neuen ÖRK-Programms für Kinder und Klima, Frederique Seidel. „Viele Menschen sehen den Zusammenhang nicht. Wenn man es ihnen aber erklärt, sind sie bereit, das Richtige für den Schutz der Zukunft der Kinder zu tun.“ Deshalb habe der ÖRK unter anderem die Vorlage für ein Schreiben erstellt, das man an die eigene Bank oder Pensionskasse schicken könne, um sie aufzufordern, ihre Anlagestrategie offenzulegen. Im Zweifelsfall solle man dann die Bank wechseln, so Seidel.
Beweise sammeln gegen Klimasünder
Auch die Möglichkeit der privaten Klimaklage gegen Großunternehmen wird in dem Handbuch mit praktischen Hinweisen und Tipps erläutert. „Sammeln Sie Beweise und stichhaltige Hinweise darauf, dass finanzielles Engagement Auswirkungen auf das Klima hat.“ Man solle die Ziele klar benennen, nämlich eine politische Veränderung, finanziellen Ausgleich von Klimaschäden sowie eine Emissionsreduzierung.
Dass dies aufwendig und kräftezehrend ist, weiß man beim ÖRK. Bei der Vorstellung des Handbuchs berichtete ein philippinischer Priester, der europäische Banken seit längerem auffordert, die Beziehungen zum Energiekonzern San Miguel Global Power zu kappen. Das Unternehmen fördert seit zwei Jahren Erdgas in einem Seegebiet in der Nähe von Manila, das zu den artenreichsten Meereslebensräumen der Welt gehört und als „Amazonas der Ozeane“ bezeichnet wird. „Die meisten Anrainergemeinden leiden sehr unter diesen Förderprojekten, weil die Fische abwandern und die Umwelt zerstört wird“, sagte er.
Der ÖRK vertritt über seine 352 Mitgliedskirchen mehr als 580 Millionen Menschen weltweit. Die sollen befähigt werden, sich persönlich für das Klima einzusetzen. Denn je mehr Menschen bei Klimaklagen mitmachen, desto höher wird der Druck auf die Finanzinstitute, ihre Investmentstrategien zu überdenken, hofft man beim ÖRK. In dem Handbuch wird auch dazu aufgerufen, gegen Falschinformationen über den Klimawandel vorzugehen, sich bewusst mit den Ergebnissen der Klimawissenschaft auseinanderzusetzen und sich mit anderen Interessengruppen zu vernetzen.
Bei Trainings zu klimarelevanten Themen setzt der ÖRK das Handbuch mittlerweile ein. So wurde es Ende April bei Schulungen über die Gesundheitsfolgen des Klimawandels im Tschad und auf den Philippinen vorgestellt. „Wir haben von allen Seiten viel Zuspruch und Unterstützung erhalten“, sagte Programmleiterin Seidel. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften seien am besten in der Lage, den moralischen Imperativ umzusetzen, sich aktiv für das Klima einzusetzen und rechtliche Maßnahmen gegen die globale Erwärmung zu ergreifen.
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