Klima-Wandel im Menschenrechtsrat?

Das UN-Gremium befasst sich mit der Erderwärmung, aber nicht mit Tibet

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf hat Ende März beschlossen, eine Studie über das Verhältnis der Menschenrechte zum Klimawandel anzufordern. Die Initiative ging von Inselstaaten aus, die infolge der Erd­erwärmung ihre Existenz gefährdet sehen. Die Verknüpfung von Klima und Menschenrechten liefert gute moralisch-politische Argumente, doch einklagbare Rechte daraus abzuleiten wäre problematisch.

Dass Menschen in ihren Rechten verletzt werden, die – egal warum – Not oder Vertreibung erleiden, ist offensichtlich. In den meisten Fällen ist aber kaum feststellbar, inwieweit das auf den Klimawandel oder andere Ursachen zurückgeht. In Darfur zum Beispiel hat die Erderwärmung die Konkurrenz um Land und Wasser verschärft, die Ursachen des Bürgerkrieges sind aber in erster Linie politische. Zudem ließe sich aus der Feststellung, dass der Klimawandel Menschenrechte verletzt, noch nicht ableiten, wer was dagegen tun muss. Mit welchen Mitteln zum Beispiel der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden soll, ist nicht justitiabel und muss politisch entschieden werden.

Der Menschenrechtsrat scheint hier also auf Abwege zu geraten, zumal er gleichzeitig beim Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte eine klägliche Vorstellung liefert: Die Unruhen in Tibet behandelte er im März nicht, zu Darfur beschloss er eine für die ­suda­nesische Regierung höchst schmeichelhafte Resolution, das Mandat des Berichterstatters für den Kongo wurde eingeschränkt.

Doch den Klimawandels als Problem der Menschenrechte zu betrachten, hat einen gewissen Sinn. Organisationen wie Germanwatch und Oxfam leiten daraus ab, dass die Industriestaaten zu mehr Klimaschutz verpflichtet sind und bei der Anpassung an den Klimawandel die Menschenrechte im Zentrum stehen müssen. Diese moralisch-politischen Argumente können entsprechenden Forderungen Nachdruck verleihen.

Bedeutsam ist die Debatte zudem für die Frontstellungen im UN-Menschenrechtsrat: Häufig pochen dort westliche und lateinamerikanische Mitgliedsstaaten auf die politischen Rechte, asiatische und afrikanische Staaten bringen soziale Rechte dagegen ins Spiel. Dass sie die Mehrheit haben, macht es oft unmöglich, Rechtsverletzungen wichtiger Staaten anzuprangern. Der Rat, der seit 2006 besteht, hat soziale und wirtschaftliche Rechte aufgewertet. Dies und die Behandlung der Klimafrage sind Signale an afrikanische und asiatische Staaten, dass ihre berechtigten Anliegen ernst genommen werden. Wenn das hilft, ihre Front aufzuweichen, dann wird es schwieriger für sie, Kritik an der Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte abzublocken.     (bl)

welt-sichten 4-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 4 / 2008: Müllprobleme
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