OECD-Prüfer empfehlen mehr Hilfe für die ärmsten Länder

Ein Nothilfeteam der Schweiz startet im Februar 2023 Richtung Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien.
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Ein Nothilfeteam der Schweiz startet im Februar 2023 Richtung Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien.
Entwicklungspolitik der Schweiz
Die OECD hat im Rahmen ihres sogenannten Peer-Review-Verfahrens die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit überprüft. Der Bericht lobt das langfristige Schweizer Engagement, kritisiert aber die jüngsten Kürzungen der Hilfe.

Der aktuelle OECD-Bericht zur Internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz lobt insbesondere das langfristig orientierte Engagement der Schweiz in fragilen oder von Gewaltkonflikten betroffenen Regionen wie im Westjordanland und im Gazastreifen, in Syrien, Myanmar, Mali oder Somalia.

„Die Schweiz engagiert sich häufig in Projekten, deren Resultate nicht immer sofort greifbar oder messbar sind, die aber langfristig einen positiven Wandel bewirken können“, heißt es in dem Bericht. Die Unterstützung der Schweiz ist meist langfristig ausgelegt – was laut dem Bericht auch den positiven Effekt hätte, dass dadurch andere potenzielle Geldgeber angelockt würden. Das werde auch von den Partnerländern geschätzt. Diese Art von Engagement solle die Schweiz fortsetzen, empfiehlt der Bericht.

Als bedenklich heben die Prüfer hervor, dass die Schweiz ihr Entwicklungsbudget für 2025-2028 von bisher 0,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 0,41 Prozent reduziert. Sie empfehlen, das rückgängig zu machen. Damit kritisiert der Bericht die Entscheidung des Schweizer Parlaments von Ende 2024, die Entwicklungshilfe zugunsten einer Erhöhung des Armeebudgets zu kürzen. 

Der Bericht empfiehlt mehr Geld für die ärmsten Länder

Weiter empfiehlt der Bericht, die Schweiz solle ihre Hilfe insbesondere für die ärmsten Länder erhöhen und sicherstellen, dass alle Projekte die Armutsreduktion im Blick haben. Zudem solle die Schweiz darauf achten, dass ihre Hilfe „ungebunden“ bleibe – dass sie also nicht an die Bedingung geknüpft wird, für Projekte erforderliche Güter oder Dienstleistungen in der Schweiz zu beschaffen. Die OECD spricht sich seit Jahrzehnten gegen solche Lieferbindung in der Entwicklungszusammenarbeit aus. Die Schweiz hat das allerdings in ihrer Ukraine-Hilfe, das inzwischen das größte Schweizer Länderprogramm ist, ignoriert. Im Budget dafür hat der Bund 500 Millionen Franken der Entwicklungshilfe für Schweizer Unternehmen vorgesehen, die exklusiv mit der Umsetzung von Projekten, etwa im Bereich der Energie- oder Verkehrsinfrastruktur, beauftragt werden sollen. 

Alliance Sud, das Schweizer Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, kritisiert das. „Die Ukraine-Hilfe der Schweiz ist eigentlich ein Instrument zur Exportförderung“, sagt Kristina Lanz, Expertin für internationale Zusammenarbeit bei Alliance Sud. Sie kritisiert, dass damit eine alte und verpönte Praxis wieder eingeführt wird. Diese Art „gebundene Hilfe“ sei schon deshalb abzulehnen, weil Studien gezeigt hätten, dass die Arbeit mit Schweizer Firmen teurer sei als die mit lokalen Zulieferern.

Weiter empfiehlt der Bericht, die Schweiz solle ihre Kommunikation verbessern, um die Unterstützung von Politik und Öffentlichkeit für Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Dazu könnte, so Lanz, der OECD-Bericht selbst eingesetzt werden: „In der Politik wird, wenn es um die internationale Zusammenarbeit geht, nur selten wirklich über Inhalte diskutiert“, sagt sie. Die IZA sei meist nur einmal im Jahr bei der Budgetdebatte ein Thema – und wenn dann über Inhalte gesprochen werde, dann meistens sehr ideologisch. Die zuständige Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) sollte die Ergebnisse des OECD-Berichts nutzen, um die Relevanz ihrer Arbeit zu erklären, sagt Lanz.

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Der Bericht empfiehlt außerdem, die politische Kohärenz verschiedener Ressorts der Schweizer Regierung zu stärken. Die Prüfer erwähnen insbesondere eine Minderung der Risiken im Rohstoffsektor sowie ein verstärktes Engagement gegen unlautere Geldflüsse in die Schweiz. Auch hier, sagt Kristina Lanz, könnte die DEZA ihr Potenzial besser ausschöpfen. Bisher sei sie diesbezüglich sehr passiv und vertrete den Standpunkt, dass das nicht in ihre Zuständigkeit falle.

Dabei könnte sie sich im Rahmen der Ämterkonsultation bei politischen Entscheidungen in relevanten Bereichen durchaus mehr einbringen, sagt Lanz. Auch in ihren Berichten könnte die DEZA weitergehen, als sie es bisher tut: „Wenn man etwa ein Wasserprojekt analysiert, das man unterstützt, könnte man auch die Ursachen benennen, warum die Menschen kein Wasser haben, ob es etwa in dem Gebiet Bergbau gibt.“

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