Faulheit hat ihren Preis

Harte Strafen reichen nicht aus im Kampf gegen „littering“

Von Gesine Wolfinger

Zigarettenkippe, Bonbonpapier oder Getränkedose – schnell liegen sie auf der Straße, wenn gerade kein Abfallbehälter in der Nähe ist. Das so genannte „littering“ bringt für immer mehr Städte weltweit finanzielle, ökologische und soziale Probleme. Bußgelder allein sind keine Lösung. Die Bürger müssen sich für saubere Straßen und Plätze stark machen.

Wo konsumiert wird, entsteht Abfall. In Zeiten von „Fast Food“ und „Coffee to go“ nehmen die Müllmengen zu. Warum viele Menschen die Überreste ihrer Mahlzeiten oder Zigarettenpausen einfach liegen, stehen oder fallen lassen, erklärt der Züricher Psychologie-Professor Ralph Hansmann so: Je mehr Abfall herumliegt, desto geringer die Hemmschwelle, noch etwas dazuzuwerfen.

„Die Menschen orientieren sich an dem, was offenbar üblich ist“, sagt der Sozialwissenschaftler, der sich an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich unter anderem mit dem Thema Abfallverhalten beschäftigt. „Vor sich selbst und anderen rechtfertigen sie das mit dem Argument, dass hier ohnehin jemand aufräumen muss.“ Dieser Effekt kann unangenehme Konsequenzen haben: „Littering führt im Extremfall zur Abwertung ganzer Wohngegenden“, erklärt Hansmann.

Hinzu kommen beträchtliche Entsorgungskosten für die Kommunen. Weltweit haben deshalb viele Städte in den vergangenen zehn Jahren begonnen, gegen „littering“ vorzugehen. Unterstützt werden sie zunehmend von Bürgern, denen ihr Stadtteil oder ihre Nachbarschaft am Herzen liegt. In Deutschland war es 1997 die Stadt Fürth, die sich als erste mit Geldbußen gegen „littering“ zur Wehr setzte. Fünf Jahre später zog Frankfurt am Main nach und wurde zum Vorbild für zahlreiche weitere Städte. Eine groß angelegte Werbekampagne informiert unter anderem an Bus- und S-Bahnhaltestellen, dass etwa das Wegwerfen einer Zigarettenkippe 20 Euro kosten kann. In Zahlen lässt sich der Erfolg zwar nicht messen, aber Michael Eickenboom von der Stabsstelle „Sauberes Frankfurt“ ist überzeugt: „Das Verhalten der Leute ändert sich.“

Ein Blick nach Singapur zeigt aber, dass Strafen allein nicht reichen. Der Stadtstaat in Südasien hat nach den USA die härtesten Bußgeld-Regelungen weltweit. Ersttäter müssen mit Strafen von bis zu 1000 Singapur-Dollar (etwa 470 Euro) rechnen. Wer sich ein weiteres Mal beim „littering“ erwischen lässt, zahlt doppelt so viel oder muss – in einer hellen Jacke als Müll-Sünder gebrandmarkt – unter den Augen der Öffentlichkeit Abfall aufsammeln.

Eine weltweite Bewegung hat Erfolg

Trotzdem wurden in Singapur zwischen Januar und November 2007 fast 20.000 Menschen beim „littern“ ertappt, mehr als drei Mal so viele wie im selben Zeitraum des Vorjahres. Sie seien „zu faul“, um sich um eine korrekte Entsorgung zu kümmern, sagten 20 Prozent der Befragten in einer Umfrage der singapurischen Umweltbehörde. Bequemlichkeit siegt also offenbar über die Furcht vor harten Strafen. Die weltweite Bewegung „Clean up the world“, 1993 in Australien ins Leben gerufen, setzt deshalb auf die Beteiligung der Bürger und auf kreative Ideen im Kampf gegen Stadt- und Umweltverschmutzung.

In der Kampagne, die vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen unterstützt wird, engagieren sich nichtstaatliche Organisationen, Unternehmer, Bildungsinstitutionen, Kommunen und einzelne Familien aus 131 Ländern, vor allem aus Afrika und Asien. Ihre Erfolge lassen sich sogar beziffern: Seit dem Start von „Clean up the world“ haben die Müll-Aktivisten knapp 3,6 Millionen Tonnen achtlos weggeworfenen Abfall gesammelt – genug, um mehr als 6500 Jumbojets zu füllen.

Gesine Wolfinger ist Redakteurin bei „welt-sichten“.

welt-sichten 4-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 4 / 2008: Müllprobleme
Dies ist keine Paywall.
Aber Geld brauchen wir schon:
Unseren Journalismus, der vernachlässigte Themen und Sichtweisen aus dem globalen Süden aufgreift, gibt es nicht für lau. Wir brauchen dafür Ihre Unterstützung – schon 3 Euro im Monat helfen!
Ja, ich unterstütze die Arbeit von welt-sichten mit einem freiwilligen Beitrag.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!