Multikulti, lokal verwurzelt und mit Schlagkraft

Entwicklungspolitik
Die Wahl der künftigen Entwicklungsministerin hat alle überrascht. Hoffentlich kann die neue BMZ-Chefin Reem Alabali-Radovan korrigieren, was der Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung ihr vorgibt, kommentiert Tillmann Elliesen.

Tillmann Elliesen ist Redakteur bei "welt-sichten".

Reem wer? Den Namen der neuen Entwicklungsministerin hatte wohl kaum ein entwicklungspolitischer Kommentator auf dem Schirm, manch einer musste ihn erst einmal buchstabieren und aussprechen lernen, nachdem die Wahl von SPD-Chef Lars Klingbeil auf die Frau aus Mecklenburg-Vorpommern gefallen war. Vorbereitet waren stattdessen die Überlegungen zur Frage, ob Svenja Schulze oder Saskia Esken eine gute Ministerin sein würde beziehungsweise die jeweils andere die bessere gewesen wäre. Beide wollten das Amt, aber beide wurden von Klingbeil offenbar abserviert, weil sie zu sehr für die gescheiterte Ampel-Regierung standen.

Jetzt zieht also Reem Alabali-Radovan an die Spitze des Entwicklungsministeriums (BMZ). Die 35-jährige Politikwissenschaftlerin war in der vergangenen Legislaturperiode Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und blickt auf eine durchaus ehrgeizige Karriere zurück. Was sie für ihren neuen Posten qualifiziert, ist nicht sofort ersichtlich, aber in dieser Hinsicht steht sie in guter Tradition mit vielen ihrer Vorgängerinnen und Vorgängern, die sich nach Amtsantritt auch erst einmal ins weite Feld der Entwicklungspolitik einarbeiten mussten.

Zudem ist sie kulturell deutlich vielfältiger geprägt: Alabali-Radovan wurde in Moskau geboren, lebte mit ihren aus dem Irak stammenden Eltern kurz in der irakischen Region Kurdistan, bevor die Familie 1996 nach Mecklenburg-Vorpommern flüchtete, wo sie Asyl erhielt. Die neue Ministerin spricht mehrere Sprachen, hat eine Bachelorarbeit zum Bürgerkrieg in Syrien geschrieben und sich nach dem Studium beruflich mit dem Nahen Osten befasst, bevor sie in die Politik wechselte. 

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Zugleich kann sie lokal- und landespolitische Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern vorweisen und weiß also von den täglichen Bedürfnissen und Nöten einer strukturschwachen Region. Das könnte ihr helfen, ihr neues Amt nach dem ja noch immer richtigen entwicklungspolitischen Motto „Denke global, handele lokal“ zu führen.

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verkehrt dieses Motto auf bedenkliche Weise ins Gegenteil. Demnach soll die Entwicklungszusammenarbeit vor allem deutschen Interessen dienen, etwa dem Zugang zu Rohstoffen, der Abwehr von Migranten und der Exportförderung für die deutsche Wirtschaft: „Denke lokal, handele global“.

Reem Alabali-Radovan kann das hoffentlich in den kommenden vier Jahren korrigieren und der deutschen Entwicklungspolitik eine nicht derart selbstbezogene, sondern eine ethisch und solidarisch gehaltvollere Richtung geben. Dass sie in ihrer Freizeit im Verein boxt, könnte ihr dabei am Kabinettstisch helfen.

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