Die Schweizer Humanitäre Hilfe steigert die Effizienz internationaler Erdbeben-Einsätze
Ein internationales Klassifizierungsschema für Such- und Rettungskräfte erleichtert die Anforderung und Koordinierung von Helfern bei Erdbebenkatastrophen. Die Rettungskette Schweiz, die bei Erdbeben zum Einsatz kommt, wird dieses Jahr klassifiziert.
Als im Dezember 2003 ein Erdbeben die iranische Stadt Bam zerstörte, waren schnell internationale Hilfskräfte zur Stelle. Allerdings reisten einige Teams mit Material an, das schlicht nicht zu gebrauchen war – zum Beispiel mit einer Wasseraufbereitungsanlage, obwohl das Trinkwasser in Bam einwandfrei war, oder mit weiteren Altkleidern, obwohl es längst genug davon gab.
Ein Soforteinsatz-Team der Schweizer Humanitären Hilfe war als erstes vor Ort und übernahm die Koordination der aus 35 Ländern anreisenden Hilfstrupps. „Da kamen Teams aus aller Welt und niemand wusste genau, was die können und welche Instrumente sie dabei haben“, sagt Markus Hischier, der Verantwortliche für die Rettungskette Schweiz. Die Rettungskette setzt sich aus privaten und öffentlichen zivilen und militärischen Organisationen zusammen und steht im Einsatzfall unter der Leitung des Bundes. Die unübersichtlichen Zustände in Bam haben die Arbeit erschwert, sagt Hischier. Deshalb sei allen Beteiligten klar gewesen, dass die internationale Soforthilfe bei Erdbeben auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden muss.
Toni Frisch, der Leiter der Humanitären Hilfe in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), regte daraufhin in der internationalen Beratungsgruppe für Katastropheneinsätze in urbanen Gebieten (International Search and Rescue Advisory Group, INSARAG) an, Such- und Rettungsmannschaften nach international einheitlichen Kriterien zu klassifizieren. Die INSARAG arbeitete ein entsprechendes Schema aus, das ausweist, welche Art Spezialisten die jeweiligen Einheiten umfassen, welches Material sie zur Verfügung haben und welche Leistungen sie erbringen können. „Dadurch kann das Koordinationsteam im Katastrophengebiet die nötigen Teams mit dem richtigen Material anfordern und besser koordinieren“, sagt Hischier. So könne man Rettungsmannschaften viel effizienter einsetzen und zudem Kosten sparen, weil nicht tonnenweise unbrauchbares Material in die Katastrophengebiete transportiert werde.
Die Schweizer Humanitäre Hilfe unterstützt die INSARAG bei der Anwendung der Klassifizierung bereits seit Jahren, indem sie Experten zur Verfügung stellt. Ihr eigenes Instrument, die Rettungskette, soll jedoch erst im Laufe dieses Jahres klassifiziert werden. „Wir wollten vorher die Abläufe in unserer Einsatzleitung in Bern überprüfen und verbessern, bevor wir die Rettungskette den internationalen Richtlinien anpassen“, erklärt Markus Hischier. Die Humanitäre Hilfe hat sich deshalb letztes Jahr einem ISO-Zertifizierungsprozess für Qualitätsmanagement unterzogen und im November als erste Nothilfe-Organisation weltweit das Zertifikat für „Rapid Response“ erhalten.
Hischier rechnet nicht damit, dass die Rettungskette für die INSARAG-Klassifizierung große Änderungen vornehmen muss: „Da wir mitgeholfen haben, die Richtlinien zu formulieren, haben wir unsere eigene Arbeit laufend angepasst.“ Die Klassifizierung werde sich nach dem nächsten großen Erdbeben ausbezahlen – sowohl für die Opfer als auch für die Arbeit der Rettungskräfte.
(InfoSüd)
welt-sichten 5-2008