Herber Rückschlag für die EU-AKP-Partnerschaft

picture alliance / NurPhoto/Beata Zawrzel
Mit Afrika will die EU vordringlich über Migration reden; hier fliehen Afrikaner nach Beginn des russischen Angriffs aus der Ukraine nach Polen.
Südafrika
Südafrika hat seinen Austritt aus der Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten angekündigt. Das stellt die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen dieser Gruppe und der Europäischen Union einmal mehr in Frage.

Für die entwicklungspolitische Szene, die sich für die traditionsreichen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den früheren europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und im Pazifik interessiert, war das durchaus ein mittelgroßer Aufreger: Ende Oktober kündigte Südafrika an, es werde aus der Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (OAKPS) austreten. Die EU und die OAKPS sind seit Jahrzehnten über Verträge zu Fragen der Wirtschafts-und der Entwicklungspolitik miteinander verbunden.

In einem Brief an die OAKPS erklärt die südafrikanische Regierung, sie bevorzuge andere internationale Foren, etwa die Afrikanische Union (AU) oder die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC). Ein Sprecher der OAKPS wies laut dem Informationsdienst „Devex“ auf die anderen vertraglichen Beziehungen zwischen Südafrika und der EU hin, etwa das Abkommen über Handel und Entwicklung aus dem Jahr 1999 oder das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der EU und der SADC. Der Sprecher deutete an, dass vor diesem Hintergrund die Regierung in Pretoria wohl zu dem Schluss gekommen sei, die zusätzliche Verbindung zur EU über die OAKPS sei überflüssig.

Die AKP-Gruppe ist viel weniger homogen als vor 50 Jahren

Dass ausgerechnet das OAKPS-Schwergewicht Südafrika die Gruppe verlässt, ist ein herber Rückschlag und stellt die Zukunft der Zusammenarbeit der Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik mit der EU in Frage. Beide Staatengruppen sind seit den frühen 1970er Jahren vertraglich miteinander verbunden. Damals ging es darum, vor allem die Handelsund die Entwicklungspolitik zwischen Europa und seinen früheren Kolonien neu zu regeln – und zugleich ein Modell für gerechte Wirtschaftsbeziehungen zwischen reichen und ärmeren Ländern zu schaffen. Die EU gewährte den AKP-Staaten Handelsvorteile und schuf außerhalb des EU-Haushalts den Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), der für die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten reserviert war.

Seit einigen Jahren bereits sehen Fachleute dieses Modell als nicht mehr zeitgemäß an. Zum einen ist die AKP-Staatengruppe wirtschaftlich längst nicht mehr so homogen wie vor 50 Jahren; die Beziehungen der EU zu den drei Untergruppen Afrika, Karibik und Pazifik sind viel stärker als früher von unterschiedlichen Interessen geprägt. Gegenüber Afrika etwa geht es Brüssel und den EU-Mitgliedern vor allem um die Regulierung von Migration, was in den Beziehungen zur Karibik oder den Pazifikstaaten weniger wichtig ist.

Zum anderen wurden die zwei zentralen Bereiche der EU-OAKPS-Partnerschaft, die Handels- und die Entwicklungspolitik, aus dem gemeinsamen Vertrag ausgeklinkt und werden nun anderswo geregelt: Für die Handelsbeziehungen drängt Brüssel seit 2008 auf sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit einzelnen OAKPS-Unterregionen. Der Europäische Entwicklungsfonds wiederum wurde in den regulären Haushalt der EU eingegliedert und hat seinen Status als exklusiver Finanztopf für die AKP-Staaten verloren.

All das hat sich bereits in den Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und den OAKPS-Staaten niedergeschlagen. Das sogenannte Post-Cotonou-Abkommen sollte bereits im Jahr 2020 in Kraft treten, die schwierigen Verhandlungen endeten aber erst im April 2021. Anders als frühere EUOAKPS-Abkommen enthält es neben einem Manteltext, der alle OAKPS-Regionen betrifft, drei gesonderte Regionalprotokolle, in der die jeweiligen Besonderheiten der Beziehungen zur EU geregelt sind. Das Post-Cotonou-Abkommen ist allerdings bis heute nicht in Kraft getreten, weil Ungarn als einziges EU-Land nicht zustimmen will: Die Regierung in Budapest ist dagegen, dass das Abkommen auch Fragen legaler Migration von Afrika nach Europa regelt.

Dass die vertraglichen EUOAKPS- Beziehungen wirtschafts-und handelspolitisch an Bedeutung verlieren, wurde auch beim jüngsten Treffen von EU-Parlamentariern mit Kollegen aus den OAKPS-Staaten deutlich. Diese sogenannte Gemeinsame Parlamentarische Versammlung gibt es seit Beginn der Partnerschaft. Beim Treffen Anfang November in Maputo in Mosambik wurden zwei Resolutionen zur Klimapolitik und zur Handelspolitik verabschiedet. Aus beiden spricht die große Sorge der OAKPS-Staaten, handelspolitische Instrumente der EU wie der geplante Kohlenstoff-Grenzausgleich sowie ein EU-Lieferkettengesetz könnten den Zugang zum EU-Markt erschweren. Die EU solle deshalb sicherstellen, dass diese und ähnliche handelspolitische Vorgaben „keine Nachteile für OAKPS-Exporte bringen und mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar sind“.

Immerhin bieten Institutionen wie die Gemeinsame Parlamentarische Versammlung Foren, in denen solche Bedenken vorgetragen werden können. Dennoch steht die Zukunft der EU-OAKPS-Partnerschaft in den Sternen. Peter Kenilorea Jr., Ko-Präsident der Parlamentarischen Versammlung von den Salomonen, sagte zum Abschluss des Treffens in Maputo, der Austritt Südafrikas sei Anlass zur Sorge. Die OAKPS werde mit der südafrikanischen Regierung über die Gründe und über mögliche Lösungen sprechen.

Und dann ist da noch die Weigerung Ungarns, das Post-Cotonou- Abkommen zu unterzeichnen. Hier äußert Keniloreas Gegenüber aus dem EU-Parlament, Carlos Zorrinho, die Hoffnung, dass das für Ende November (nach Redaktionsschluss) geplante Treffen des EUOAKPS- Ministerrats Fortschritte bringen könnte.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2022: Schlaue Maschinen
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