„Die DEZA-Reorganisation dient entwicklungspolitischen Zielen“

Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit soll effizienter werden

Gleich bei seinem Amtsantritt im Mai hatte Außenministerin Michelin Calmy-Rey den neuen Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Martin Dahinden, damit beauftragt, die in die Kritik geratene Entwicklungsagentur zu reformieren. Ende August präsentierte Dahinden nun die Grundzüge der neuen DEZA-Struktur.

Sie gelten als Krisenmanager. Werden Sie länger bleiben, als die Reorganisation dauert?

Die Leitung der DEZA ist für mich ein Traumjob, wobei ich viele meiner früheren Erfahrungen gut brauchen kann. Ich war Direktor des Genfer Minenzentrums, habe in Afrika gelebt, habe mich intensiv mit Ländern des Balkans und Osteuropas auseinandergesetzt und eine große Direktion im Außendepartement  geleitet. Bei der DEZA gefällt es mir ausserordentlich gut. Zur Reorganisation: Es stimmt, solche Aufgaben liegen mir, doch „Krisenmanager“ ist ein unvollständiges Image. Ich verstehe die Reorganisation der DEZA  nicht als betriebswirtschaftliche Aufgabe. Es geht um die Frage: Wie – mit welchen Strukturen und Prozessen – können wir entwicklungspolitische Inhalte am besten verwirklichen. Insofern ist die Reorganisation lediglich Mittel zu einem höheren Zweck.

Die Kommunikation mit den Medien erfolgt künftig auf Departementstufe, während die wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit im SECO eine eigene Stelle führt. Erhält die DEZA einen Maulkorb?

In den einzelnen Direktionen des EDA soll es keine eigenen Informationsstellen mehr geben, wir werden die Medienarbeit im Generalsekretariat zentralisieren. Das heißt aber nicht, dass sich Inhalt oder Umfang der Information künftig verändern.

Die DEZA steht seit längerer Zeit unter Beschuss. Wie wollen Sie die Kritiker überzeugen?

Es gab Kritik an der DEZA, aber die Entwicklungszusammenarbeit ist in der Bevölkerung und in der Politik gut verankert. Die Botschaften und Rahmenkredite, auch für den wirtschaftlichen Teil, wurden vom Nationalrat gutgeheißen. Der Bundesrat hat DEZA und SECO eine einheitliche Strategie vorgegeben, deren Umsetzung ab dem kommenden Jahr 2009 beginnt. Deshalb auch das relativ forsche Tempo bei der Reorganisation – in deren Rahmen wir übrigens die von der Geschäftprüfungskommission geäußerte Kritik ernst nehmen.

Doppelspurigkeiten lautete ein Kritikpunkt. Entstehen jetzt nicht neue, auch zum SECO?

Die Doppelspurigkeiten im Departement werden abgebaut, gewisse Dienste zusammengelegt und nicht zusätzlich in der DEZA geführt. Was DEZA und SECO betrifft, hat der Bundesrat entschieden, dass beide Institutionen bestehen bleiben und nicht zusammengelegt werden. Das hat auch für Spannungen gesorgt, aber nun ist festgelegt, wer was macht.

Verzettelung wurde ebenfalls bemängelt: Was wird anders?

In der bestehenden Struktur bis Ende September waren die bilaterale Arbeit mit Partnerländern und die multilaterale Zusammenarbeit mit und in internationalen Organisationen sowie der thematische Bereich nicht sehr koordiniert, was eben zu Doppelspurigkeiten geführt hat. Neu gibt es einen großen Bereich für die regionale und einen für die globale Zusammenarbeit – unter anderem mit der UNO und der Weltbank. Weiter werden wir die Anzahl der Partnerländer auf zwölf reduzieren, mit der Absicht, unsere Wirkung vor Ort zu verstärken. Wichtig ist auch eine stärkere thematische Konzentration.

Die Kernaufgaben für die DEZA werden ausgebaut und verbessert – welche sind das?

Verminderung der Armut, menschliche Sicherheit und entwicklungsfördernde Gestaltung der Globalisierung. Diese Ziele geben unser Handeln vor. In den Schwerpunktländern konzentriert sich die DEZA auf zehn Themen, in denen die Schweiz im internationalen Vergleich besondere Stärken aufweist, beispielsweise Bildung, Gesundheit, ländliche Entwicklung oder Trinkwasser. Wir behalten aber Programmbeiträge an Hilfswerke bei, so dass diese die Möglichkeit haben, selber Projekte durchzuführen, weil wir es wichtig finden, dass es in der Schweiz auch bei privaten Organisationen Entwicklungskompetenz gibt. Vor Ort gibt das auch Schweizer Sichtbarkeit.

Die Präsenz im Feld verstärken und häufiger die Schweizer Fahne hissen: Ist das nicht ein Rückschritt? Wird da nicht Schweizer Nabelschau betrieben?

Wir haben eine Außenpolitik, die sich sehen lässt. Wir müssen uns nicht verstecken und ich finde es gut, wenn wir dort, wo wir Leistungen erbringen und Unterstützung leisten, das auch sichtbar machen. Das kann bilateral in einem Land sein oder mit unserem Know-how in multilateralen Gremien.

Wichtig waren Querschnittsthemen wie gute Regierungsführung und Menschenrechte, zum Beispiel das Recht auf Nahrung. Wird sich die DEZA weiterhin engagieren?

Diese Themen gibt es weiterhin – aber integriert in operationelle Organisationseinheiten. Der Verfassungsauftrag lautet ja unter anderem: Lindern von Not und Armut, Achtung der Menschenrechte, Förderung der Demokratie, friedliches Zusammenleben der Völker, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Das sind alles Themen, die für uns maßgebend sind in der Gestaltung der Entwicklungszusammenarbeit, und zwar in allem was wir tun.

Die DEZA will sich künftig stärker an operationellen Resultaten orientieren. Ist die Wirkung bei komplexen gesellschaftlichen Prozessen wie Demokratisierung und wirtschaftlichen Reformen messbar?

Es ist selbstverständlich, dass die DEZA Rechenschaft ablegen muss, auch, um längerfristig Unterstützung zu haben. Evaluationen sind notwendig, sie zeigen, ob sich der Einsatz der Mittel gerechtfertigt hat und ob die Methoden die richtigen waren. Doch wir müssen die Grenze richtig setzen, denn Evaluationen sind teuer. Wir haben einen Wirkungsbericht zum Wasserbereich veröffentlicht; das ist tatsächlich einfacher zu messen als Menschenrechtsstandards oder gute Regierungsführung. Doch auch hier können wir neben der großen Zahl Menschen, die vom Zugang zu Wasser profitieren, nicht alle Folgen etwa auf Gesundheit und Einkommen untersuchen. Allgemein ist es die Kombination von Wirksamkeit und Volumen, die letztlich das Ergebnis bestimmt.

Das Gespräch führte Viera Malach, InfoSüd

Martin Dahinden ist seit Mai dieses Jahres Leiter der Direktion Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) im Schweizer Außendepartement (EDA).

 

Die Reorganisation im Kontext

Hintergrund der Reform ist die neue Botschaft der Regierung (Bundesrat), die von allen Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit – DEZA, SECO und weiteren Bundesämtern – ab 2009 eine einheitliche Strategie verlangt. Bundesrat und Parlament wollen außerdem, dass die DEZA sich auf weniger Themen und Partnerländer beschränkt, um größere Wirkung zu erzielen.

Die neue Struktur der DEZA ist entsprechend schlanker: Die Zahl der großen Bereiche wird von sechs auf vier reduziert und das Direktorium verkleinert. Den neuen Bereich „Globale Zusammenarbeitet“ leitet Jörg Frieden, die „Regionale Zusammenarbeit“ Edita Vokral, die Ostzusammenarbeit bleibt unter Therese Adam, der Bereich „Humanitäre Hilfe“ unter Toni Frisch. Neu entstehen eine Stabsstelle unter Martin Fässler sowie der Bereich „Support“ unter Fulvio Massard.

Damit ist die erste Reorganisationsphase, die die Zentrale in Bern betrifft, weitgehend abgeschlossen. In der zweiten Phase werden die Beziehungen zwischen der Zentrale und den Kooperationsbüros in den Partnerländern reformiert.

Derzeit steht auch der Rahmenkredit der DEZA im Parlament zur Debatte. Da die Reorganisation die zentralen Kritikpunkte aufnimmt, könnte sie die Stellung der DEZA verbessern.

(InfoSüd)

welt-sichten 9-2008

 

erschienen in Ausgabe 9 / 2008: Sudan: Krieg an vielen Fronten
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