Eine österreichische Kampagne verbindet Armutsbekämpfung und Klimaschutz
Österreich wird das selbst gesteckte Kyoto-Ziel zum Klimaschutz nicht erreichen, wenn die armen Haushalte nicht einbezogen werden. Das meinen Greenpeace und die Armutskonferenz, die Mitte August einen Plan vorgelegt haben, der es auch den benachteiligten Bevölkerungsschichten ermöglichen soll, einen Beitrag zu leisten.
Um 13 Prozent statt 8 Prozent, wie von der Europäischen Union vorgegeben, will Österreich bis 2013 die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Niveau von 1990 reduzieren. Allerdings geht der Trend in die entgegengesetzte Richtung: Die Alpenrepublik bläst heute mehr CO2 in die Atmosphäre als vor 18 Jahren und liegt laut Energieexperten satte 36 Prozent über dem Kyoto-Ziel. Ohne einen radikalen Kurswechsel in der Energiepolitik ist das Ziel deshalb nicht zu erreichen.
Doch gerade arme Menschen, die von den hohen Energiepreisen besonders belastet sind, haben nicht die Mittel, energiesparende Heizungen in ihre Wohnungen einzubauen oder ihre Fenster abzudichten. Greenpeace und die Armutskonferenz, ein 1995 gegründetes Netzwerk von Sozialorganisationen, thematisieren, was selten ausgesprochen wird: Umweltschutz kostet Geld, das viele einfach nicht aufbringen können. „Für ein energieunabhängiges Österreich – Gemeinsam gegen Armut und Klimawandel“ heißt deshalb die Devise der beiden Organisationen. In einem offenen Brief fordern sie alle politischen Parteien, die zu den vorgezogenen Nationalratswahlen am 28. September antreten, dazu auf, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Ziel der Aktion ist es, die Bevölkerung rechtzeitig vor der Wahl über die Positionen der Parteien zu informieren.
„Wir haben jetzt laut Armutsbericht 313.000 Menschen in Österreich, die sich ihre Wohnung nicht angemessen warm halten können. Wenn man nichts tut, wird diese Zahl langfristig auf eine halbe Million ansteigen“, sagte der Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz bei der Vorstellung des Forderungskatalogs. „Die Politik darf nicht nur kurzfristige Wahlzuckerln setzen, sondern muss einen langfristigen Entwurf vorlegen.“ Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace-Österreich, erklärte: „Reiche Menschen haben die Möglichkeit umzusteigen und für einen Fahrschein oder für Öl oder Gas gegebenenfalls mehr zu zahlen. Ärmeren Menschen ist dieser Weg verwehrt. Wenn sozial Benachteiligte hier entlastet werden könnten, dann wäre das gut für die sozial Schwachen, aber auch für das Klima.“
Die Politik müsse den Umstieg auf nachhaltige Energieformen fördern. Statt auf den Emissionshandel zu setzen, um das Kyoto-Ziel zu erreichen, solle die Regierung die Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas verringern und vor allem die Energieeffizienz steigern. Egit schätzt das österreichische Potenzial für Einsparungen auf 40 bis 50 Prozent. Martin Schenk wünscht sich, dass die öffentliche Wohnbauförderung künftig auf energieeffiziente Häuser beschränkt wird: „Das wäre eine große Chance, um langfristig die Energiekosten bei armutsgefährdeten Personen zu reduzieren. Wenn man in einem Gemeindebau wohnt, kann man nicht selbst Wärme dämmen. Da muss Unterstützung gewährt werden.“ Greenpeace und die Armutskonferenz haben den Parteien bis zum 4. September Zeit gegeben, auf ihren Brief zu antworten.
Ralf Leonhard
welt-sichten 9-2008