Nordrhein-Westfalen will seine Nord-Süd-Arbeit effektiver gestalten
Seit einem Jahr gelten in Nordrhein-Westfalen neue Leitlinien zur Entwicklungspolitik. Bei der Integration von Migranten in die Entwicklungsarbeit steht das Land bundesweit an der Spitze. Seit Ende 2007 besteht zudem eine offizielle Partnerschaft mit Ghana. Die Verwirklichung des „Aktionsplans Zukunft Lernen“ kommt dagegen nur schleppend voran.
Unter der Federführung von Integrationsminister Armin Laschet soll die Entwicklungszusammenarbeit „intensiver und zielgerichteter betrieben“ werden, heißt es in den 22-seitigen neuen Leitlinien. Das Land will zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ beitragen, die Wirtschaft stärker in die Entwicklungszusammenarbeit einbinden und das Potenzial von Migranten aus Entwicklungsländern stärker nutzen. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit staatlichen wie nicht-staatlichen Organisationen intensiviert und die Stadt Bonn als internationaler Standort ausgebaut werden.
Das Bemühen Nordrhein-Westfalens, die Bereiche Migration und Entwicklung besser miteinander zu verzahnen, ist in Deutschland in dieser Form einmalig. Die Fachstelle Migration und Entwicklung des Instituts für soziale Innovation in Solingen schult im Auftrag der Landesregierung Migrantenvereine und hilft bei ihrer Vernetzung mit der Eine-Welt-Szene. „In den Kommunen sind Entwicklungszusammenarbeit und Integrationsbemühungen strukturell verschieden verankert“, sagt der Leiter der Fachstelle, Hans Wietert-Wehkamp. „Kooperation zwischen beiden Bereichen gibt es kaum.“ Auf bisher fünf Regionalkonferenzen im Land hat das Institut die verschiedenen Beteiligten zusammengebracht. Außerdem bietet es Schulungen im Vereins- und Projektmanagement für Migrantenvereine an. „Je besser die Selbstorganisation funktioniert, desto leichter können die Vereine die Entwicklungspolitik in ihren Heimatländern fördern“, so Wietert-Wehkamp.
Die neuen Leitilinien haben auch den engen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Ghana neuen Schwung gegeben. Rund 9000 Ghanaer, zur Hälfte mit deutscher Staatsbürgerschaft, leben an Rhein und Ruhr und stellen dort die größte afrikanische Diaspora-Gemeinde. Im November 2007 haben Nordrhein-Westfalen und Ghana eine neue Partnerschaft besiegelt. Inzwischen hat sich ein Ghana-Forum-NRW gebildet, an dem sich Vertreter von Organisationen wie dem Bund Katholischer Unternehmer, Opportunity International und der Ghana Union in Köln beteiligen. Das Forum orientiert sich am Vorbild der Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda. Es will Kontakte zu ghanaischen Institutionen bündeln und Projekte in dem westafrikanischen Land unterstützen. Ein eigenes Budget für die Partnerschaft gibt es jedoch nicht. Die Mittel müssen bei der Stiftung Umwelt und Entwicklung oder bei der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung (InWEnt) in Nordrhein-Westfalen beantragt werden.
Beim „Eine Welt Netz Nordrhein-Westfalen“ hat die neue Partnerschaft grundsätzliche Zustimmung, aber auch Unsicherheit ausgelöst. Für Udo Schlüter, Geschäftsführer des Eine-Welt-Netzes, bleibt unklar, ob bereits bestehende Nord-Süd-Kooperationen unter dem Ghana-Engagement leiden werden. Außer mit Ghana hat Nordrhein-Westfalen seit 1995 auch eine Partnerschaft mit der Provinz Mpumalanga in Südafrika. Das Bundesland unterstützt die Provinz vor allem bei der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2010.
Bei anderen Zielen aus den Leitlinien klappt die Verwirklichung nicht so reibungslos. Bereits 2006 hat die Landesregierung den „Aktionsplan Zukunft Lernen“ verabschiedet, der nun auch in den neuen Leitlinien verankert wurde. Der Plan soll die Bildungsarbeit für nachhaltige Entwicklung umsetzen. „Bis heute gibt es allerdings weder eine Geschäftsstelle noch Strukturen“, kritisiert Udo Schlüter. „Wir fragen uns, wie ernst die Landesregierung es da meint.“ Die Federführung für den Aktionsplan hat das Umweltministerium; das Integrationsministerium und das Ministerium für Schule und Weiterbildung haben ein Mitspracherecht. Laut der Pressestelle des Integrationsministeriums soll die Verwirklichung des Aktionsplans noch dieses Jahr beginnen. Dazu würden das „Forum Aktion Zukunft Lernen“ mit rund 50 Akteuren der Zivilgesellschaft neu gegründet und eine Geschäftsstelle bei der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen in Bonn eingerichtet. Im Juni dieses Jahres haben die Beteiligten einen Kooperationsvertrag geschlossen.
Claudia Mende
welt-sichten 9-2008