Mehr Militär für Afrika

Mehr Militär für Afrika

Die USA wollen mit militärischem Einfluss auch den Nachschub an Rohstoffen sichern

Von Daniel Volman

Am 6. Februar 2007 verkündete Präsident George W. Bush, dass die USA ein neues Militärkommando für Afrika einrichten würden. Dieses Africa Command – kurz Africom – soll am 1. Oktober 2008 seine Arbeit aufnehmen und als neue Befehlszentrale für das militärische Engagement der USA auf dem gesamten Kontinent mit Ausnahme Ägyptens zuständig sein. Bisher waren drei verschiedene US-Kommandos für Afrika verantwortlich: das European Command, das Central Command und das Pacific Command.

Die Einrichtung des neuen Kommandos spiegelt die wachsende Bedeutung Afrikas für die Sicherheitspolitik und die militärischen Interessen der Vereinigten Staaten. Afrika exportiert mittlerweile mehr Öl in die USA als der gesamte Nahe und Mittlere Osten. Gegenwärtig kommen etwa 20 Prozent der US-Ölimporte aus Afrika, 2015 sollen es mindestens 25 Prozent sein. Die Regierung Bush hat erklärt, der Zugang zu afrikanischem Erdöl sei ein „strategisches nationales Interesse“. Afrika ist zudem einer der Hauptschauplätze des weltweiten Kriegs der USA gegen den Terrorismus und gerät mehr und mehr in den Fokus des globalen Wettbewerbs mit China um strategische Ressourcen und politischen Einfluss.

Africom wird nicht so aussehen wie die anderen USMilitärkommandos: Zu seinem Personal gehören sowohl Militärs als auch Zivilisten, darunter Beamte des Außenministeriums und der Agentur für Entwicklungshilfe USAID. Im Juli 2007 ernannte Präsident Bush den Vier-Sterne- General William E. „Kip“ Ward zum Befehlshaber von Africom. Er hat sowohl einen militärischen als auch einen zivilen Stellvertreter.

Die Regierung hat versucht, das neue Kommando als selbstlose und wohlmeinende Initiative für Frieden, Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung in Afrika darzustellen. Die Unterstaatssekretärin im Verteidigungsministerium, Theresa Whelan, hat erklärt: „Befürchtungen, Africom sei Ausdruck einer Militarisierung der US-Außenpolitik in Afrika, sind unbegründet.“ Aber Äußerungen von General Ward sowie seines militärischen Stellvertreters Vizeadmiral Robert Moeller und anderer militärischer Fachleute, die bei Africom das Sagen haben werden, lassen keinen Zweifel daran, dass das neue Kommando in erster Linie den militärischen und wirtschaftlichen Interessen der USA dienen soll. Africom wird in der Tat zu einer Militarisierung der US-Afrikapolitik und zu mehr Militärinterventionen auf dem Kontinent führen. Bei einer Anhörung des Militärausschusses des Senats zum Beispiel nannte General Ward im März die zunehmende Abhängigkeit der USA von afrikanischem Öl eine der Prioritäten für Africom. Und Vizeadmiral Moeller sagte kürzlich in einem Vortrag, „der freie Fluss von Afrikas Rohstoffen auf den Weltmarkt“ sei eine der „Leitlinien“ von Africom. Moeller nannte die Unterbrechung von Öllieferungen, Terrorismus und den „wachsenden Einfluss Chinas“ als „wichtige Bedrohungen“ für die US-Interessen in Afrika.

Es ist schlicht verlogen zu behaupten, Erdöl, Terrorismus und China seien nicht die Hauptgründe dafür, dass Washington so viel Mühe und Aufmerksamkeit auf Afrika richtet. Die Regierung Bush will die Militärhilfe für Regime, die bereit sind, als Washingtons Stellvertreter zu dienen, sowie für unterdrückerische Regime in Ländern mit reichhaltigen Öl- und Erdgasvorräten erheblich aufstocken. Sie will auch die Möglichkeiten direkter militärischer Eingriffe ausweiten.

DIE US-REGIERUNG HOFFT AUF MEHR GELD FÜR MILITÄRPROGRAMME IN AFRIKA

In der Vergangenheit hat sie sich immer wieder schwergetan, den US-Kongress dazu zu bringen, dafür ausreichend Mittel zu bewilligen. Jetzt hofft sie, dass es mit der Schaffung von Africom leichter wird, vom Kongress mehr Geld für Militärprogramme in Afrika zu bekommen. Für das Haushaltsjahr 2009 hat die Regierung für die Arbeit von Africom am gegenwärtigen Standort Stuttgart 389 Millionen Dollar veranschlagt.

Africom wird im wesentlichen die unterschiedlichen Programme zur militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern übernehmen, für die bisher andere Kommandos zuständig sind. Dazu zählen Übungen und Trainingsprogramme für afrikanische Truppen – etwa die „Flintlock“-Manöver, die alle zwei Jahre unter der Leitung von Spezialkräften der US-Armee und Ranger-Einheiten hauptsächlich in Nord- und Westafrika stattfinden. Auch die regelmäßigen Trainings gehören dazu, die US-Spezialkräfte im Rahmen der Trans-Sahara-Partnerschaft gegen Terrorismus, die Teil des globalen Anti-Terror-Einsatzes „Operation Enduring Freedom“ ist, in Mali, Niger, Mauretanien, Nigeria, Tunesien Marokko und Algerien abhalten.

Ein weiteres Programm – das „Programm für Training und Unterstützung von Notfall-Einsätzen“ – dient offiziell dazu, neunzehn afrikanische Länder im Bereich Friedenssicherung zu schulen: Benin, Botswana, Burkina Faso, Äthiopien, Gabun, Ghana, Kenia Malawi, Mali, Mosambik, Namibia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Südafrika, Tansania, Uganda und Sambia. Und das „Programm zur Ausbildung ausländischer Militärs“ lädt ausländische Offiziere aus aller Welt in die USA zur beruflichen Weiterbildung ein, darunter Soldaten aus fast allen afrikanischen Ländern. Außerdem verfügt das Pentagon über einen Fonds, aus dem es in eigener Regie bis zu 300 Millionen Dollar im Jahr für die Ausbildung und die Ausrüstung ausländischer Armeen, Polizisten und anderer Sicherheitskräfte ausgeben kann, „um Terrorismus zu bekämpfen und Stabilität zu fördern“. Dieses Jahr steht dem Verteidigungsministerium Geld für Programme in 14 Ländern zu Verfügung, darunter Algerien, Tschad, Marokko, Nigeria, Senegal und Sâo Tomé und Príncipe. Der Fonds trägt die Kosten für die Entsendung privater Militärdienstleister als Ausbilder. Er dient außerdem für die Beschaffung von Radarsystemen, Überwachungsanlagen, GPS-Navigationsgeräten, Funkgeräten und andere Kommunikationssystemen sowie kleinen Booten und Lastwagen.

Zudem versorgt das vom Pentagon verwaltete „Foreign Military Sales Program“ für den Verkauf von Rüstungsgütern an andere Staaten auch einige afrikanischen Länder mit militärischer Ausrüstung. Die US-Regierung gibt den Ländern Kredite für den Kauf, verzichtet aber in den meisten Fällen auf die Rückzahlung, so dass die Geräte in der Regel geschenkt werden. Das Pentagon liefert auch solche Militärgüter, die es selbst nicht mehr braucht – zum Beispiel C-130 Transportflugzeuge an Südafrika und Botswana, Lastwagen an Uganda, M-16-Gewehre an Senegal und Boote für die Küstenwache von Nigeria.

Die USA versorgen aber nicht nur afrikanische Militärs mit Ausbildung und Ausrüstung, sondern unterhalten auch eigene Einheiten auf dem Kontinent. Seit 2002 zum Beispiel gibt es die „Combined Joint Task Force-Horn of Africa“, die im Roten Meer, dem Golf von Aden und dem östlichen Indischen Ozean zur See und mit Flugzeugen patrouilliert, um Vorhaben von Terrorgruppen aufzudecken und diese zu bekämpfen. Die Truppe ist in Camp Lemonier in Dschibuti stationiert und umfasst etwa 1400 Soldaten, hauptsächlich Seeleute, Marines und Spezialkräfte. Sie sind Teil einer multinationalen Flotte von Schiffen der US-amerikanischen, französischen, italienischen und deutschen Marine sowie anderer NATO-Staaten.

Die Task Force lieferte Äthiopien Geheimdienstinformationen und unterstützte so im Dezember 2006 die äthiopische Invasion in Somalia. Im Januar und im Juni 2007 sowie im vergangenen Mai griff sie selbst von Dschibuti, Äthiopien und Kenia aus vermeintliche Al-Qaida-Mitglieder an, die dem somalischen Rat Islamischer Gerichte angehörten (vgl. „welt-sichten“ vom Dezember 2007). Das Oberkommando über die Task Force für das Horn von Afrika wird an Africom übertragen werden, wenn das neue Kommando einsatzbereit ist.

Im Dezember 2003 hat das European Command in Stuttgart eine weitere Task Force für Anti-Terror- Operationen in Nord- und Westafrika geschaffen. Die „Joint Task Force Aztec Silence“ ist in Sigonella auf Sizilien stationiert und hat die Aufgabe, eigene Einsätze durchzuführen sowie gemeinsame Operationen mit afrikanischen Ländern zu koordinieren. Sie soll vor allem die nord- und westafrikanische Region überwachen und Informationen – auch von US-Geheimdiensten – an befreundete Regierungen weitergeben.

Im März 2004 zum Beispiel starteten Berichten zufolge von Tamanrasset in Südalgerien P-3 „Orion“- Aufklärungsflugzeuge der Schwadron, die in Sigonella stationiert ist, um die Bewegungen algerischer Salafisten-Guerillas zu beobachten, die im Tschad operierten. Die Aufklärer sollten ihre Erkenntnisse den tschadischen Truppen zur Verfügung stellen, die diese Guerillas bekämpften. Das Pentagon durfte den Flugplatz von Tamanrasset im Rahmen eines Abkommens mit Algerien nutzen, das während eines Besuchs des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika in Washington im Juli 2003 geschlossen worden sein soll.

In den zurückliegenden Jahren hat die Regierung Bush solche Nutzungsrechte für Militärbasen mit den Regierungen von Gabun, Kenia, Mali, Marokko, Tunesien, Namibia, Sâo Tomé, Senegal, Uganda und Sambia vereinbart. Die USA können dadurch Stützpunkte und andere Einrichtungen in diesen Ländern für den Transit ihrer Truppen oder als Ausgangsbasen für Kampfeinsätze, Überwachungen und andere militärische Operationen nutzen. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit Africom ist jedoch noch ungelöst: ob und wo das neue Kommando ein regionales Hauptquartier in Afrika einrichtet. Im vergangenen Jahr sind Beamte der US-Regierung durch Afrika getourt, um bis zu fünf Länder als Standorte für regionale Africom-Hauptquartiere zu gewinnen. Aber überall war die öffentliche Ablehnung einer permanenten und auffälligen Militärpräsenz der USA, die wie ein Magnet für Terrorismus wirken könnte, derart stark, dass sich mit Ausnahme des westafrikanischen Staates Liberia bislang keine afrikanische Regierung bereit erklärt hat, das neue Kommando aufzunehmen.

AFRICOM SOLL AUCH ZIVILE AUFGABEN ÜBERNEHMEN. DOCH DER WIDERSTAND DAGEGEN WÄCHST

Unter der Hand haben afrikanische Regierungen die USA allerdings wissen lassen, dass sie weiterhin Wert auf eine diskrete Zusammenarbeit mit dem Pentagon legen. Sie wollen weiter Militärhilfe erhalten und den US-Truppen in Krisenzeiten Zugang zu Militärbasen in ihren Ländern gewähren. Bis auf weiteres bleibt das Africom-Hauptquartier deshalb im baden-württembergischen Stuttgart. Das Pentagon hat aber bereits verlauten lassen, dass es das neue Kommando im nächsten Jahr in mindestens zwei afrikanischen Ländern installieren will.

Ein anderes Problem ist, ausreichend qualifiziertes Personal für Africom zusammenzubekommen; das Kommando sollte ursprünglich 1300 Beschäftigte haben. Das Pentagon hat außerdem Abstriche von seinem ehrgeizigen Plan machen müssen, über Africom mehr Entwicklungsarbeit und Nothilfe in Afrika zu leisten. Das Außenministerium und USAID stellen sich zunehmend gegen dieses Vorhaben, und auch der Widerstand privater Entwicklungshilfeorganisationen in den USA wächst. Sogar Verteidigungsminister Robert Gates hat kürzlich zugegeben, dass „wir in mancher Hinsicht nicht so gut gearbeitet haben, wie wir hätten arbeiten sollen, als wir Africom entwickelt haben“. Gates verwies darauf, dass das Kommando noch von seinem Vorgänger Donald H. Rumsfeld konzipiert worden sei, und meinte, im Zuge des Ausbaus von Africom sollten die USA „die afrikanischen Regierungen nicht zu einer Position zwingen, die sie nicht einnehmen möchten“.

Africom soll einen Monat vor der Wahl von Präsident George W. Bushs Nachfolger im November 2008 einsatzbereit sein. Es bleibt also dem nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten überlassen, zu entscheiden, welchen Standort das neue Kommando erhält und ob es wirklich im Interesse der USA liegt, ihre Afrikapolitik weiter zu militarisieren.

Übersetzung: Christian Neven-du Mont

Daniel Volman ist Direktor des African Security Research Project in Washington und Vorstandsmitglied der Association of Concerned Africa Scholars.

welt-sichten 7-2008

 

erschienen in Ausgabe 7 / 2008: Schlachtfeld Afrika
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