Ob Lieferkettengesetz, Gemeinsame Agrarpolitik oder Anti-Greenwashing: Nur was die Menschen und den Planeten schützt, scheint für den Gesetzgeber zu „komplex“ zu sein. Der Eindruck drängt sich jedenfalls auf, wenn man sieht: Einerseits werden komplizierte Subventionsvorschriften etwa zum Erlass der Energiesteuer für Fluggesellschaften oder zur Mehrwertsteuer auf tierische Produkte in der Landwirtschaft von der Politik als gegeben akzeptiert, andererseits wird aber die einfache Vorschrift, dass Hersteller Angaben zu ihren Produkten belegen sollen, als unzumutbar bürokratisch gegeißelt.
Gemeint ist die Richtlinie der EU-Kommission gegen Greenwashing vom März 2023. Sie soll Unternehmen verpflichten, Aussagen über die Umweltfreundlichkeit ihrer Produkte zu belegen und dabei klare, überprüfbare und vergleichbare Informationen zur Verfügung zu stellen. Wer öfter Einweg-Plastikflaschen im Discounterregal gesehen hat, die laut Etikett „im CO2-Vergleich besser als Glas- und PET-Mehrweg“ dastehen, oder Kleidung, die „aus recyceltem Material hergestellt“ wurde, wüsste ja durchaus gerne, was es mit diesen Behauptungen auf sich hat.
Nun aber will die EU-Kommission ihren Vorschlag zurückziehen, obwohl die Verhandlungen darüber noch bis kommenden Montag angesetzt sind. Der Rückzug freut die konservativen Parteien, allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz, der die geplanten Regeln als „unverhältnismäßig komplex“ und belastend für kleine und mittlere Unternehmen bezeichnet hat.
In der Kommission gibt es, wie es scheint, keine Einigkeit darüber, dass der Gesetzesvorschlag wirklich zurückgezogen werden soll. Ein solcher Schritt wäre falsch und unbegründet. Zum Vergleich: Die Health-Claims-Verordnung der EU regelt seit fast 20 Jahren, welche Angaben über den Nährwert und die Gesundheitswirkung bei der Vermarktung von Lebensmitteln zulässig sind; das stellt sicher, dass Werbung für Lebensmittel auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht und nicht in die Irre führt. Das gleiche sollte auch für Werbung mit Klimawirkungen gelten, insbesondere bei Begriffen wie „klimaneutral”, „CO2-neutral” oder „klimapositiv“. Es ist nicht nur zumutbar, derlei Claims zu belegen, es sollte auch selbstverständlich sein. Nur dann können Kundinnen und Kunden informierte Entscheidungen zugunsten von weniger klimaschädlichen Produkten treffen und der so oft gepriesene Marktmechanismus auch wirken.
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