Den Schrei der Ozeane hören

Herausgeberkolumne
Die UN-Mitgliedsstaaten haben sich mit ihrem Nachhaltigkeitsziel 14 verpflichtet, die Meere zu schützen. Die Halbzeitbilanz ist ernüchternd, aber das gerade abgeschlossene Abkommen für den Meeresnaturschutz macht Hoffnung.

Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer von Misereor.

Gemäß dem Nachhaltigkeitsziel „Leben unter Wasser“ wollen die Vereinten Nationen nicht nur mindestens 30 Prozent der Meere unter Schutz stellen, sondern auch Verschmutzungen der Meere aller Art erheblich reduzieren, Meeres- und Küstenökosysteme schützen und mehr Geld für den Meeresschutz zur Verfügung stellen. Im Jahr 2023 allerdings ist das Ziel nachhaltiger Fischbestände im tiefroten Bereich, und auch bei der Ausweisung von Meeresschutzgebieten ist deutlich rascheres Handeln notwendig. Allerdings macht der jüngste Abschluss des UN-Abkommens für den Meeresnaturschutz vorsichtig Hoffnung auf eine Trendwende.

Aus Sicht Misereors bleibt es wichtig, sich entschieden für den Meeresschutz einzusetzen. Dabei gilt es, den Schrei der Ozeane und die Stimme der Menschen zu hören, die in direkter Verbindung mit ihnen leben. Die Ozeane produzieren mehr Sauerstoff als die Amazonasregion, sind das größte zusammenhängende Ökosystem der Erde, beherbergen fast die Hälfte der uns bekannten Lebewesen, regulieren das weltweite Klima, sind Arbeitsorte und essenziell für unsere Ernährung. 

Die Ausbeutung der Meere gefährdet die Rechte von Menschen weltweit

Doch die Weltmeere und die vom Meer lebenden Menschen sind durch Klimawandel, Überfischung, Ausbeutung, Verschmutzung und andere Krisen akut bedroht. Wir sehen mit großer Sorge auf die Vermüllung und Industrialisierung der Meere, die Zerstörung jahrtausendealter Ökosysteme für den anvisierten Tiefseebergbau. Ebenso beunruhigen weltweit die schwindenden Zugänge der Kleinfischerei auf angestammte Fischgründe und die Gefährdung der für uns Menschen überlebenswichtigen Funktionen der Meere.

Menschen im globalen Süden, wie Küstenfischer-Familien und andere mit und vom Meer lebende Gemeinschaften, erleben durch diese Veränderungen erhebliche Einschränkungen in ihrem Lebensrhythmus und ihrer Lebensgrundlage. Die Ausbeutung und wirtschaftliche Inwertsetzung der Meere und ihrer Ressourcen gefährden so die Rechte von Menschen weltweit. 

Brennpunkt und Schauplatz geopolitischer Konflikte

Im Februar dieses Jahres war ich auf Fidschi und erlebte erneut, dass Ozeanien Brennpunkt und Schauplatz geopolitischer Konflikte zwischen Weltmächten ist und von kolonialen und neokolonialen Dynamiken beeinflusst wird. Anlass der Reise war die Konferenz der Föderation der katholischen Bischofskonferenzen Ozeaniens (FCBCO). Eines der leitenden Themen: „Rettet das Meer, um Mutter Erde zu retten“. Ozeanien ist überaus vielfältig: 21 Länder, mit einem breiten Spektrum ethnischer und kultureller Gruppen. Es gibt eine Überfülle an Naturschönheit, bei gleichzeitig wachsenden ökologischen Krisen. Hautnah spürbar ist, dass die Expansion kommerzieller Aktivitäten Lebensgrundlagen, Kultur und Heimat vieler verschiedener und einzigartiger indigener Gruppen in Ozeanien bedroht.  

Tiefliegenden Inselstaaten wie Kiribati beispielsweise droht nach wissenschaftlichen Berechnungen bereits zwischen 2060 und 2070 das vollständige Versinken. Schon heute verlassen Bewohnerinnen und Bewohner deshalb ihr Zuhause. In Fidschi zeigen sich die Folgen der Klimaveränderungen mitunter durch häufige Überflutungen und eine zunehmende Erosion der Küsten. Ein weiteres Problem besteht in der Versalzung des Grundwassers in landwirtschaftlichen Gebieten, verursacht durch den Anstieg des Meeresspiegels.

All das zeigt uns, wie dringend wir mehr gegen die Klimakrise tun müssen. Die in der Pazifikregion lebenden Menschen sprechen deutliche, klare Worte – sie werden zu oft überhört. Partnerorganisationen von Misereor sind besorgt über diese Entwicklungen. So berichtet Jonathan Mesulam von der Alliance of Solwara Warriors aus Papua Neuguinea: „Wenn wir den Bergbau in der Tiefsee zulassen, könnten wir das Ende der Menschheit heraufbeschwören, da die Komplexität der Nahrungsketten, von denen der Mensch abhängt, beschädigt und das Leben der Menschen gefährdet werden.“ Der Boden der Tiefsee ist das gemeinsame Erbe der Menschheit, es gilt, diese einzigartige Schöpfung für die Menschen im Pazifik und weltweit sowie für die nachfolgenden Generationen zu bewahren. Solidarisch an der Seite der Menschen Ozeaniens müssen wir den Tiefseebergbau stoppen!   

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erschienen in Ausgabe 3 / 2023: In der Stadt zu Hause
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