Entwicklungshilfe ohne deutsche Flagge

Die Bundesregierung will die Budgethilfe erhöhen, die Opposition ist skeptisch

Der Haushaltsentwurf 2009 für das Entwicklungsministerium (BMZ) weist einen stattlichen Zuwachs aus: plus 637 Millionen Euro oder 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Ministerium und die Entwicklungspolitiker im Parlament freuen sich. Doch wie das Geld sinnvoll auszugeben ist und besonders welche Rolle die Budgethilfe spielen soll – darüber herrscht Dissens.

Noch ist nichts entschieden. Doch noch ehe der BMZ-Haushalt mit seinem Gesamtvolumen von 5,77 Milliarden Euro Mitte September in erster Lesung den Bundestag beschäftigte, hatten die Entwicklungspolitiker der FDP-Fraktion, Hellmut Königshaus und Karl Addicks, klar gemacht, vor allem die Ausweitung der Budgethilfe – also der Mittel, die direkt in die Staatshaushalte von Entwicklungsländern fließen – sei ihnen ein Dorn im Auge. Sie fürchten, dass viel Geld in dunkle Kanäle fließt oder unsachgemäß verwendet wird und deshalb weitgehend verpufft. Einzelne Projekte direkt zu fördern wie bisher, sei oft der bessere Weg.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Haushälter des Bundestages den Bundesrechnungshof um ein Gutachten zur Budgethilfe gebeten. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass künftig genauer geprüft werden müsse, ob die Mittel effektiv verwendet werden. Seither lässt sich das Parlament jede einzelne geplante Budgethilfe vom BMZ zur Absegnung vorlegen. Und bezogen auf den neuen Haushalt warnte der Haushälter der Liberalen, Jürgen Koppelin, das Ministerium im Bundestag schon einmal: „Ich stelle nicht fest, dass Sie für all das Geld, das Sie mehr bekommen haben, konkrete Programme haben.“ Darüber werde man noch zu sprechen haben.

Derzeit entfallen zwar laut BMZ nur 5,8 Prozent der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit auf Budgethilfe. Der Anteil soll aber deutlich gesteigert werden. Die Europäische Union will künftig sogar zwei Drittel ihres Entwicklungsetats in Form von Budgethilfe vergeben – mit ausdrücklicher Zustimmung der Bundesregierung. Zwar soll das Geld bevorzugt solchen Ländern zur Verfügung stehen, die eine gute Regierungsführung aufweisen und eine ordentliche Verwendung erwarten lassen. Doch die liberale Opposition merkt an, dass Budgethilfe in der Vergangenheit immer wieder auch an Länder gegangen ist, bei denen das zweifelhaft sei – etwa nach Kamerun oder Äthiopien und nicht zuletzt nach Afghanistan.

„Niemand behauptet, dass Budgethilfe das allein selig machende Mittel der Entwicklungszusammenarbeit ist“, hielt die SPD-Entwicklungspolitikerin Bärbel Kofler den Kritikern entgegen – um dann diese Form der Partnerpflege vehement zu verteidigen: Budgethilfe sei ein vorzügliches Instrumentarium dafür, gemeinsam und „auf Augenhöhe“ mit den Partnern notwendige staatliche Strukturveränderungen voranzubringen. An positiven Beispielen wie Ghana oder Ruanda fehle es nicht. Auch könne bei fehlendem Wohlverhalten Budgethilfe wieder eingestellt werden – wie unlängst im Fall Nicaragua.

Der Vorsitzende des Entwicklungsausschusses (AWZ), Thilo Hoppe, argwöhnte derweil, nicht wenige der Budgethilfe-Skeptiker bei der Union und den Liberalen hätten ganz andere Motive als die Furcht vor Misswirtschaft: Sie störe, dass bei der Budgethilfe – so wie bei der programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung generell – nicht an jedes Projekt „die deutsche Flagge geheftet werden kann“, wie das bei der klassischen Projektförderung der Fall ist – freilich um den Preis einer oft ausufernden Vielfalt von einzelnen Projekten und wenig Abstimmung zwischen den Gebern. Das Parlament entscheidet über den neuen BMZ-Etat abschließend Ende November.

Johannes Schradi

welt-sichten 10-2008

 

erschienen in Ausgabe 10 / 2008: Klimaschutz: Welche Instrumente wirken?
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