Wettlauf um afrikanisches Gas

Die EU forciert den Bau einer Transsahara-Pipeline von Nigeria nach Europa

Die Europäische Union (EU) und die Afrikanische Union (AU) haben dem Bau einer Gas-Pipeline von Nigeria durch Niger und die Sahara bis an die algerische Mittelmeerküste zugestimmt. Das Projekt für geschätzte neun Milliarden Euro soll ab 2015 einen Teil des Erdgas-Bedarfs der EU abdecken. Die Finanzierung ist jedoch noch genauso offen wie die Lieferfähigkeit Nigerias. Und die Pipeline müsste gegen Sabotage gesichert werden.

Bei einem Treffen der EU-Kommissare Andris Piebalgs (Energie) und Louis Michel (Entwicklung) mit der AU-Kommission Anfang September in Addis Abeba bezeichneten beide Seiten die Transsahara-Pipeline als „ersten konkreten Schritt“ einer „Energie-Partnerschaft“, die beim EU-Afrika-Gipfel Ende des letzten Jahres in Lissabon verkündet worden war. Die Kosten der über 4100 Kilometer langen Leitung schätzen EU und AU auf neun Milliarden Euro, unabhängige Experten sehen sie deutlich darüber.

Nun scheint es die EU-Kommission allerdings eilig zu haben. Michel kündigte in Addis Abeba überraschend eine Zusage von 10 Millionen Euro für die Durchgangsländer Nigeria, Niger und Algerien an. Piebalgs erklärte nach einem Besuch bei der nigerianischen Regierung außerdem, er werde sich für eine Beteiligung der Europäischen Investitionsbank an der Pipeline einsetzen. Denn die Finanzierung vornehmlich über private Banken ist noch keineswegs gesichert.

Laut „Financial Times“ und einigen Fachblättern sehen die Investoren noch erhebliche Risiken. Die lange Strecke durch politisch instabile Regionen wie das nigerianische Niger-Delta, der wichtigsten Fördergegend auch für Gas, oder den Norden des Niger müsste gesichert werden. Aber auch die optimistische Zusicherung der nigerianischen Regierung und der nationalen Ölgesellschaft NNPC, auf jeden Fall die nötigen Mengen Erdgas fördern und liefern zu können, wird bezweifelt. Nigeria kann schon bisherige Vereinbarungen nicht erfüllen: Die im vorigen Jahr verlegte Pipeline nach Ghana liefert weniger als vereinbart, und die Verlängerung nach Togo und Benin sowie der Plan für einen „Westafrikanischen Gas-Pipeline-Verbund“ sind vorerst aufgeschoben.

Ein wichtiger Grund für die Lieferengpässe ist der Unwille der Unternehmen, das bei der Öl-Förderung anfallende Erdgas, das bisher schlicht abgefackelt wird, zu säubern und in die Gasleitungen der NNPC zu leiten. Hinzu kommt ein sehr „nigerianischer“ Umstand: Die Mängel der Elektrizitätsversorgung haben in Nigeria einen weit verbreiteten Betrieb von Diesel-Generatoren zur Folge. Der Treibstoffhandel dafür ist fest in der Hand einer „Diesel-Mafia“ mit Beziehungen bis in die höchste Politik, die den Ausbau der Gasversorgung systematisch sabotiert, weil sie befürchtet, die Betreiber großer Generatoren könnten ihre Geräte auf Gasbetrieb umrüsten. Das hat dazu geführt, dass die zwei nigerianischen Anlagen zur Gasverflüssigung derzeit nur zu einem Bruchteil ausgelastet sind.

Risiken dieser Art lassen Investoren zweifeln – auch wenn die algerische Energiegesellschaft SONATRACH darauf pocht, sie habe mit ihren Pipelines durch die Sahara bewiesen, dass die Sicherheitsrisiken zu beherrschen seien, und die nigerianische Ölgesellschaft NNPC unablässig betont, sie könne die vereinbarten Gasmengen problemlos liefern. Beide Gesellschaften dürften deshalb zufrieden damit sein, dass die EU-Kommission nun – mit Blick auf potenzielle Investoren – dem Projekt ihr „politisches Vertrauen“ ausgesprochen hat

Doch dass die EU plötzlich so entschlossen ist, gründet wohl weniger in der afrikanischen Zuversicht, sondern eher in der Furcht, womöglich ein weiteres Mal zu spät zu kommen. Denn der russische Konzern GAZPROM hat bereits 2006 mit SONATRACH und im September dieses Jahres auch mit NNCP eine Zusammenarbeit beim Transsahara-Projekt vereinbart. GAZPROM liefert schon heute ein Viertel des EU-Erdgasbedarfs. In dem Maße, wie die Ergiebigkeit der niederländischen, britischen und skandinavischen Gasfelder in der Nordsee nachlässt, könnte der Anteil auf über die Hälfte steigen. Würde GAZPROM ein gewichtiger Akteur beim Transsahara-Projekt, dann würde das die Absicht der EU durchkreuzen, die Energiebeschaffung mittels der afrikanischen Quellen auf mehrere Versorger zu verteilen. Dennoch, so Piebalgs, müsse man „nicht gleich in Paranoia verfallen“. Eine von Algerien, Nigeria und Niger angesetzte Investoren-Konferenz Mitte November in Wien wird vielleicht Auskunft darüber geben, ob Piebalgs mit seiner Einschätzung recht behält.

Heimo Claasen

welt-sichten 10-2008

 

erschienen in Ausgabe 10 / 2008: Klimaschutz: Welche Instrumente wirken?
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