Fachleute kritisieren Sicherheitsstrategie

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Tillmann Elliesen
Eines von mehreren kompetent besetzten und interessanten Panels beim Symposium 2023 der Stiftung Entwicklung und Frieden in Bonn.
Sicherheitspolitik
Vor einem halben Jahr hat die Bundesregierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie verabschiedet. Hält das Papier, was es verspricht? Und wie kommt die Entwicklungspolitik darin weg? Fachleute, unter anderem aus Afrika, sind skeptisch.

Dass sich eine Mitarbeiterin des Entwicklungsministeriums (BMZ) für ein sicherheitspolitisches Konzept derart ins Zeug legt, ist auch nicht selbstverständlich. Doch Elke Löbel, BMZ-Unterabteilungsleiterin und seit mehr als 17 Jahren im Ministerium tätig, ist voll des Lobes für die im Juni verabschiedete Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Das BMZ sei intensiv an der Ausarbeitung beteiligt gewesen, sagt Löbel. 

Das Konzept der integrierten Sicherheit, das der Strategie zugrunde liegt, eröffnet dem BMZ nach Meinung von Löbel beste Chancen, seine Anliegen und Sichtweisen in die deutsche Sicherheitspolitik einzubringen – etwa Fragen zur UN-Reform, zur Stärkung des globalen Südens in der multilateralen Politik oder zur Zusammenarbeit mit fragilen Staaten. „Die Nationale Sicherheitsstrategie bietet hier strategische Anknüpfungspunkte“, sagte Löbel Ende November auf dem Bonn Symposium 2023 der Stiftung Entwicklung und Frieden in Bonn. Die Veranstaltung ging der Frage nach, was die Sicherheitsstrategie für die Entwicklungszusammenarbeit bedeutet.

Möglicherweise nichts Gutes. Jörn Grävingholt, Leiter der Politikabteilung des evangelischen Hilfswerks Brot für die Welt, erinnerte an eine Formulierung in der Strategie, der zufolge die Bundesregierung die Entwicklungspolitik „noch stärker an ihren strategischen Zielen ausrichten“ wird. Besteht die Gefahr, dass die Sicherheitspolitik die Entwicklungspolitik für ihre Zwecke kapert und die neue Strategie die Tür dafür öffnet? Ja, die Gefahr des Missbrauchs bestehe immer, nicht erst, seit es die Sicherheitsstrategie gibt, entgegnete Löbel. Das beste Rezept dagegen sei, in der Praxis zu beweisen, dass eine prinzipientreue Entwicklungszusammenarbeit, die sich nicht für politische Zwecke einspannen lasse, die besten Ergebnisse bringe. Löbel verwies in diesem Zusammenhang auf die seit 60 Jahren trotz aller Krisen und Kriege in der Region erfolgreiche Zusammenarbeit mit Jordanien bei der Wasserversorgung.

Den Wandel gestalten

In Bonn wurden aber auch grundsätzlichere Einwände gegen die neue Strategie laut. Sie sei zu defensiv, monierte etwa Jannie Lilja vom Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm. Die Welt sei im Wandel, die vom Westen dominierte internationale Ordnung gerate ins Wanken, sagte Lilja. Die deutsche Strategie verstehe das vor allem als Bedrohung, nicht aber als Auftrag, diesen Wandel aktiv mitzugestalten. Grävingholt sagte, es bestehe die Gefahr, dass Deutschland Krisen und zu bewältigenden Aufgaben immer nur hinterherlaufe, statt sie vorausschauend anzugehen. Eine mögliche Folge sei, dass die Finanzierung kurzfristiger humanitärer Hilfe – so dringend sie derzeit angesichts der Vielzahl von Krisen und Notlagen weltweit gebraucht werde – weiter zulasten langfristiger Entwicklungszusammenarbeit steige. 

Partnerschaftlich will die Bundesregierung laut der Strategie ihre Sicherheitspolitik betreiben – und das nicht nur mit Freunden und Verbündeten im Westen. Gemeint sind ausdrücklich auch die Staaten des globalen Südens. Wie kommt das dort an, etwa in Afrika? Emmanuel Kwesi Aning, Forschungsdirektor am Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Accra, Ghana, sagte mit Blick auf den seiner Ansicht nach häufig unbedachten Gebrauch solcher Begriffe wie „fragiler Staat“: „Das Etikett, das du einem Partner anklebst, entscheidet darüber, wie du ihn wahrnimmst – und ob du bereit bist, ihm zuzuhören.“ 

Kritik aus Afrika

Aning warf nicht nur Deutschland, sondern auch der Europäischen Union eine schiefe Wahrnehmung der Sicherheitsprobleme in Afrika vor. Nach dem Scheitern der EU-Missionen in Mali und im Niger kämen europäische Politiker nun an die westafrikanische Küste und warnten völlig übertrieben vor dem Erstarken des islamistischen Terrorismus dort. Oyewole S. Oginni vom Bonn International Centre for Conflict Studies kritisierte, die deutsche Sicherheitsstrategie werde den Verhältnissen in Afrika nicht gerecht. Das Thema Migration etwa, das in der Strategie wiederholt vorkommt, habe aus afrikanischer Sicht nichts mit Sicherheit zu tun.

In der Abschlussrunde des Bonn Symposiums bescheinigte Melanie Hauenstein vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP Deutschland, es agiere in Entwicklungsländern völlig unkoordiniert. Hauenstein, derzeit für das UN-Entwicklungsprogramm UNDP im Libanon im Einsatz, arbeitet seit fast 20 Jahren für die Vereinten Nationen, vor allem in Afrika und arabischen Ländern und ist zugleich Mitglied des Beirats der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung. Es gebe keine Strategie, die Ziele verschiedener Ressorts seien teilweise unvereinbar, alles werde gleichzeitig gemacht. „Andere Länder nehmen viel weniger Geld in die Hand und haben viel mehr Einfluss“, sagte Hauenstein. Dass allein die Nationale Sicherheitsstrategie daran etwas ändert, ist angesichts der Einwände der Fachleute nicht zu erwarten.

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