Kirchen in Indonesien sehen Demokratie gefährdet

REUTERS/Willy Kurniawan
Seiner Sache sicher: Präsidentschaftskandidat Prabowo Subianto (links) verkündet neben seinem zukünftigen Vize Gibran Rakabuming Raka am 14. Februar 2024 seinen Sieg, noch bevor die Wahlen offiziell ausgezählt sind.
Nach der Wahl
Kirchenvertreter in Indonesien fürchten, unter dem neu gewählten Präsidenten Prabowo Subianto könnte die Demokratie geschwächt werden. Der Ex-General hat eine zweifelhafte Vergangenheit. Bei der Nominierung seines Stellvertreters kam es zu Mauscheleien.

Für Franz Magnis-Suseno war schon vor der Wahl klar, dass sich Indonesien in einer „wirklich gefährlichen Situation“ befinde. „Für viele von uns stellt sich die Frage, wie es mit der indonesischen Demokratie weitergehen soll“, sagte der in Deutschland geborene Jesuitenpater, der seit bald 60 Jahren in dem südostasiatischen Inselstaat lebt und mehrere Bücher über politische Philosophie verfasst hat. Bereits unter dem bisherigen Präsidenten Joko Widodo sei die Demokratie „den Bach runtergegangen“.

Zehn Prozent der 274 Millionen Indonesier sind Christen. Und eine der wichtigsten Fragen, die sich Minderheiten bei Wahlen stellt, ist, ob ihre Rechte als Minderheitsreligion weiterhin gewahrt werden. Voraussetzung dafür ist eine stabile Demokratie. Nach den Wahlen am 14. Februar sehen viele Christen in Indonesien nun aber eben diese geschwächt. Zwar werden die offiziellen Wahlergebnisse erst Ende März veröffentlicht, Schnellauszählungen direkt nach der Wahl lassen aber kaum einen Zweifel daran, dass der Ex-General Prabowo Subianto neuer Präsident Indonesiens sein wird. 

„Die Zivilgesellschaft wird nun noch viel lauter sein müssen, um seine Macht zu begrenzen“, sagt Otto Gusti Madung, der Rektor des Ledaro Institute of Philosophy and Creative Technology auf der Insel Flores zur katholischen Nachrichtenagentur VatikanewsEr sieht Subiantos Sieg als Zeichen dafür, dass die Demokratie schwächer wird. Zurückhaltender gibt sich der protestantische Vorsitzende der Union der Kirchen Indonesiens, Gomar Gulton. „Das Volk hat eine Entscheidung getroffen, und wir müssen sie respektieren. Jetzt ist es an der Zeit, Einigkeit und Brüderlichkeit wiederherzustellen, die während der Kampagne gelitten haben.“ 

Subianto werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International (AI) befürchten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. So hat das AI-Büro in Indonesien  festgestellt, während des Wahlkampfs seien in mindestens 16 Fällen Aktivisten, die sich kritisch zum scheidenden Präsidenten Widodo geäußert hatten, „eingeschüchtert“ worden, von der Polizei verhört und körperlich drangsaliert worden. Das britische Beratungsunternehmen Economist Intelligence Unit bezeichnete bereits 2022 Indonesien als eine „mangelhafte Demokratie“. 

Grund für die Sorgen ist unter anderem Subiantos Vergangenheit. Dem Wahlsieger und Ex-General werden schwere Menschenrechtsverletzungen in der Zeit der Diktatur seines Schwiegervaters Suharto zwischen 1967 und 1998 vorgeworfen. Auf Subiantos Konto gingen Folter, Entführungen und das Verschwindenlassen politischer Gefangener. Subianto war deswegen aus dem militärischen Dienst entlassen worden und hat seit 2020 ein Einreiseverbot für die USA. 

Unklar ist, welche Verbindungen er derzeit zu islamistischen Gruppen pflegt. Diese hatten sich diesmal im Gegensatz zum Wahlkampf 2019 deutlich zurückgehalten. Auch hatte sich Subianto betont moderat gegeben. Doch bei den beiden Wahlen 2019 und 2014, zu denen er ebenfalls angetreten war, hatte er sich immer wieder im Umfeld nationalextremistischer und islamistischer Gruppen gezeigt, die er auch jeweils hinter sich bringen konnte. 

Macht bleibt in den Händen der alten Eliten

Bei den diesjährigen Wahlen wählte Subianto einen anderen Weg. Um die große Gruppe der jungen Wählerinnen und Wähler für sich zu gewinnen – ein Drittel der 274 Millionen Indonesier sind unter 30 Jahre – hatte er in seinem Wahlkampf vor allem auf die sozialen Medien gesetzt. Dort wurde er mit Tanzeinlagen und Videos bekannt, die ihn als netten älteren Herrn zeigten. 

Doch wichtiger als die junge Wählerschaft sind in Indonesien offenbar die familiären Verbindungen. „Auch wenn die Jungen die Wahl entscheiden, die politische Macht wird nach 2024 weiter in der Hand der alten politischen Eliten liegen. Denn die indonesische Politik ist vor allem von mächtigen Familiendynastien geprägt“, heißt es in einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) vom Januar. Der bisherige Präsident Joko Widodo, der eigentlich aus einfachen Verhältnissen stammt, sei dabei, seine eigene Familiendynastie aufzubauen. 

Dies macht die KAS unter anderem an Gibran Rakabuming Raka, dem Sohn Widodos, fest, der nun mit nur 36 Jahren und ohne viel politische Erfahrung Vizepräsident des Landes wird. Sollte der gesundheitlich angeschlagene Subianto (72 Jahre) altershalber irgendwann zurücktreten müssen, würde Rakabuming das höchste Amt bekleiden. Er konnte nur nominiert werden, weil das Verfassungsgericht das erforderliche Alter der Kandidaten kurz vor Ende der Nominierungsfrist im November 2023 senkte; bisher lag es laut Verfassung bei 40 Jahren. Die ausschlaggebende Stimme bei diesem Urteil gab Widodos Schwager, Anwar Usman. 

„Das ist das Schlimmste, was unserer Demokratie passieren konnte“, sagte damals Yonky Karman, Dozent am Theologischen Seminar in Jakarta. Widodo habe die Wahl inszeniert und seinem ältesten Sohn durch eine Änderung des Wahlgesetzes den Weg zum Vizepräsidenten geebnet.

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