„Der Norden profitiert mehr von der Pipeline als Uganda“

Klimawandel
Hamira Kobusingye ist eine Klimaaktivistin aus Uganda. Seit 2019 steht sie mit Plakaten mitten in Kampala und informiert über die Klimakrise, von der Mädchen und Frauen besonders betroffen sind. Dem Norden wirft sie Klimakolonialismus vor.

Die ugandische Klimaaktivistin Hamira Kobusingye hat im Oktober 2023 den 18. Bremer Solidaritätspreis erhalten .

Warum haben Sie angefangen in Ihrer Heimatstadt Kampala gegen die Klimakrise zu protestieren?
Hamira Kobusingye: Ich arbeite schon länger mit jungen Mädchen und Frauen aus Kampala zusammen. Damals, als ich mitbekommen habe, dass die meisten meiner Freundinnen die Schule abbrachen, wollte ich die jungen Frauen unterstützen und befähigen, für sich selbst zu sorgen. Ich beschloss, zusammen mit ihnen in kleinbäuerliche Landwirtschaft zu investieren. Von meinen Ersparnissen kaufte ich Setzlinge und pflanzte diese mit den Frauen. Als 2019 eine große Hitzewelle kam, verdorrte unsere Ernte größtenteils und wir verdienten nichts mehr. Das Wenige, das einige von uns geerntet hatten, wurde ein paar Monate später von einer Flut weggespült. Das war verheerend. Als ich mich dann tiefgehender mit dem Klimawandel beschäftigte, merkte ich, dass das alles über mich und die Frauen, denen ich helfen wollte, weit hinausging. 

Und dann hatten Sie das Gefühl, etwas dagegen tun zu müssen?
Ja, zu diesem Zeitpunkt habe ich beschlossen, jeden Tag mitten in Kampala Plakate mit Informationen über die Klimakrise hochzuhalten. Damit wollte ich den Leuten sagen, dass wir mehr Treibhausgase ausstoßen, als die Welt verkraften kann, dass Frauen stärker von der Klimakrise betroffen sind als Männer und alles miteinander verbunden ist. Wenn ich heute mit jungen Aktivistinnen und Aktivisten spreche, sage ich ihnen immer, dass man irgendwo anfangen muss. Und ich denke, dass die Gemeinschaft, aus der man kommt, ein guter Anfang ist.

Als Sie das erste Mal Ihr Schild hochhielten, haben Sie da geglaubt, Sie könnten etwas verändern?
So habe ich das nicht gesehen. Für mich war es eine Art Egoismus, um sagen zu können, dass ich wenigstens etwas getan habe. Das hat mir geholfen, mit meinen Ängsten und Schuldgefühlen umzugehen. Auf die Straße zu gehen, brachte mich von der Hilflosigkeit zu dem Gefühl, dass ich selbst etwas bewegen kann.

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Wie erleben Sie den Klimawandel in Uganda?
Im Moment, im März 2024, haben wir schreckliche Hitzewellen, die Behörden diskutieren, ob die Schulen geschlossen werden sollen. In unserem Nachbarland Südsudan wurden die Schulen geschlossen, weil Kinder wegen der Hitze tot umgefallen sind. Die Menschen leiden wirklich, manchmal können wir nicht einmal unsere Häuser verlassen. Sie müssen sich vorstellen, dass manchmal zwölf Menschen in einem winzigen Haus schlafen und sie keinen Zugang zu Wasser haben. Vor allem die Landwirte haben zu kämpfen, weil ihre Pflanzen vertrocknen. Uganda gehört zu den 20 am stärksten von der Klimakrise betroffenen Ländern der Welt.

Sie sagen, dass Mädchen und Frauen stärker betroffen sind warum ist das so?
Wenn es auf dem afrikanischen Kontinent darum geht, die Familie zu ernähren, hängt viel an den Frauen: In Dürreperioden werden viele Mädchen aus der Schule genommen, weil sie ihren Familien helfen sollen. Sie müssen dann längere Strecken laufen, um Wasser zu holen. Außerdem ist es einfacher, Mädchen während einer Krise aus der Schule zu nehmen als Jungen, weil Mädchen schon im jungen Alter verheiratet werden können. Die Familie erhält dann einen Brautpreis, der sie ernähren kann. Der Kollateralschaden für Mädchen wird einfach in Kauf genommen. Krisen werfen den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit so viele Jahre zurück.

Zurzeit wird eine 1.400 Kilometer lange Pipeline von der Küste Tansanias zum Albertsee in West-Uganda gebaut, die sogenannte East African Crude Oil Pipeline (EACOP). Sie haben die EACOP ein Projekt des Klimakolonialismus des globalen Nordens genannt. Was meinen Sie damit?
Klimakolonialismus bedeutet, dass Länder wie Deutschland, die USA, das Vereinigte Königreich oder die Vereinigten Arabischen Emirate weiterhin fossile Brennstoffe ausbeuten – und das machen sie über unsere Köpfe hinweg. Wäre der globale Norden wirklich gegen die Ausbeutung und würde die Klimakrise ernsthaft angehen, dann müsste er längst die Klimafinanzierung bereitstellen, die im Pariser Abkommen vereinbart wurde. Außerdem profitiert von dem EACOP-Projekt der globale Norden mehr als die Gemeinschaften, auf deren Land sie gebaut wird. Die Pipeline wurde in den fruchtbarsten Gebieten des Landes gebaut, so dass es für die betroffenen Gemeinden unmöglich ist, sich selbst zu ernähren. Auch die Schulen wurden zerstört, Krankenhäuser abgerissen, die ganze Infrastruktur in diesen Gemeinden wurde zerstört. Unsere Regierung argumentiert, dass die Pipeline zur Entwicklung der Wirtschaft und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt, aber in Wirklichkeit sind es chinesische Angestellte, die an der Pipeline arbeiten. Im Grunde genommen haben wir so viele Arbeitsplätze zerstört, damit Ausländer kommen und unser Geld in ihre Länder zurückbringen.

Mit „Stop EACOP“ gibt es eine Kampagne, die gegen die Pipeline kämpft. Wie reagieren die Unternehmen und die Regierung auf Ihre Proteste?
Natürlich sind die nicht sehr willkommen. Wir haben es mit Reichtum zu tun und die Menschen werden sehr rücksichtslos, wenn es um ihr Geld geht. Manche meiner Kolleginnen und Kollegen wurden verprügelt, einige von ihnen sitzen im Gefängnis. Aber das bedeutet, dass wir etwas bewirken, dass wir Druck ausüben – wenn wir das nicht täten, würden sie nicht so reagieren. Ich habe das Gefühl, dass es noch Chancen gibt, die Pipeline tatsächlich zu stoppen. Aber bis dahin haben wir noch einen langen Weg vor uns.

Was hat die Klimabewegung in Uganda bisher erreicht?
Ich glaube, wir haben viele Politiker dazu gebracht, sich zu fragen, ob sie das Richtige tun. Und ich habe das Gefühl, dass meine Stimme eine weitere ist, die zu all den anderen Stimmen hinzukommt, die sich für die sich für Klimagerechtigkeit und den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einsetzen. Auch wenn es nur eine Mikrodosis an Veränderung in meiner Gemeinde ist, so macht es mich doch stolz, wenn ich sehe, dass sich eine, zwei oder drei Frauen dem Kampf für Klimagerechtigkeit anschließen. 

Das Gespräch führte Johannes Greß. 

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