Zerstörerische Gier nach Öl

Die Klimaaktivistin Hilda Flavia Nakabuye demonstriert  im März dieses Jahres mit internationalen Mitstreitern in Paris gegen die geplante Ölpipeline im Osten Afrikas.
350.org
Schluss mit Investitionen in fossile Energien: Die Klimaaktivistin Hilda Flavia Nakabuye demonstriert im März dieses Jahres mit internationalen Mitstreitern in Paris gegen die geplante Ölpipeline im Osten Afrikas.
Uganda
Konzerne aus Frankreich und China wollen eine fast 1500 Kilometer lange Ölpipeline von Uganda nach Tansania bauen. Die Regierungen beider Länder versprechen Wachstum und Wohlstand, doch die Bevölkerung entlang der Strecke hat bisher nur Nachteile. Der Widerstand wächst.

Eine Windböe wirbelt den trockenen Boden im Hof des Hauses auf, in dem die 37-jährige Doreen Abineno und ihre Kinder leben. Sie ist hier ins Dorf Kilyango in der Nähe des Albertsees im Westen Ugandas gekommen, als sie das Land nicht mehr nutzen konnte, auf dem ihre Familie über Generationen gelebt hatte. Vor vier Jahren kamen Landvermesser des französischen Ölkonzerns Total in ihr Dorf, um den Verlauf der Pipeline festzulegen, die Erdöl von der Stadt Hoima in Westuganda an die über 1443 Kilometer entfernte tansanische Küste transportieren soll. Die Vermesser zählten Bäume, Pflanzen und Gebäude auf dem Grundstück der Familie. Dann versprach man ihnen Entschädigung für den Besitz, den sie verlieren würden.

Ein Jahr später starb Doreens Ehemann, und seitdem kämpft sie darum, das versprochene Geld zu bekommen. Das Land der Familie war auf den Namen ihres Mannes registriert, und sie braucht die nötigen Papiere. In Uganda wird Land traditionell von den Vätern an die Söhne weitergegeben; nur 15 Prozent der Frauen verfügen laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO über Landbesitztitel.

Doreen Abineno musste wie Hunderte andere das Land verlassen, das ihre Familie über Generationen bewirtschaftet hat. Sie hat sieben Kinder.

Die alleinerziehende Mutter erzählt, der Konzern Total habe ihr gesagt, das Geld liege auf einem Bankkonto. Doch sie brauche eine Todesurkunde, um ihre Beziehung zum verstorbenen Mann nachzuweisen. Sich den Tod eines Angehörigen bestätigen zu lassen, ist in Uganda ein zeitraubender bürokratischer Vorgang und für Arme und Analphabeten eine schier endlose Aufgabe. „Total sagte, ich solle zur Bank gehen, mit Hilfe eines Codes bekäme ich Zugang zu dem Geld. Jetzt sagt die Bank, ich solle die Angelegenheit vor Gericht bringen, damit sie das Geld rausgeben. Ich weiß nicht, was ich tun soll“, sagt Doreen.

Kilyango, ihr Dorf, liegt im Herzen des Bezirks Buliisa in Westuganda. Hier sind Hunderte Familien von den Ölprojekten Ugandas betroffen. Total hat 423 Ölquellen und wird in Zukunft den größten Anteil des Öls hier fördern, bis zu 190.000 Barrel am Tag.

Die Öl-Förderung wird voraussichtlich 2025 beginnen

Ugandas Öl-Abenteuer begann 2006, als Rohöl im Östlichen Rift gefunden wurde, der am Albertsee verlaufenden Kante des Ostafrikanischen Grabenbruchs. Untersuchungen bestätigten das Vorkommen von Ölreserven, die auf 6,5 Milliarden Barrel geschätzt werden; davon gelten 1,4 Milliarden Barrel als förderbar. Ursprünglich sollte die Förderung 2018 beginnen, aber Steuerstreitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und den Investoren zogen Verzögerungen nach sich. Nun wird der Beginn der Förderung für 2025 erwartet.

2015 haben Total und der staatseigene chinesische Mineralölkonzern China National Offshore Oil Corporation eine Übereinkunft mit den Regierungen Ugandas und Tansanias unterzeichnet, die Bohrungen aufzunehmen. Auf zwei Haupt-Ölfeldern in Westuganda sollen zentrale Anlagen zur Verarbeitung entstehen. Das Öl soll von dort mit der umstrittenen Ostafrikanischen Rohöl-Pipeline EACOP nach Tansania transportiert werden. Die Kosten für die Erschließung der Ölfelder und den Bau der Pipeline werden auf zehn Milliarden US-Dollar geschätzt. Total ist der führende Investor mit einem Anteil von fast 57 Prozent der Förderlizenzen.

Ugandische Behörden haben wiederholt betont, das Projekt trage zu deutlicher wirtschaftlicher Entwicklung bei und stärke so die Infrastruktur des Landes, das Bildungswesen und den Gesundheitsbereich. Präsident Yoweri Museveni verspricht ein Wirtschaftswachstum von zehn Prozent, laut Behörden werden fast 150.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Gegner der Pipeline betonen, dass über vier Fünftel der Bevölkerung Ugandas von Landwirtschaft leben. Tausende Menschen wie die alleinerziehende Mutter Doreen haben ihr Land verloren und können nicht länger von dessen Bewirtschaftung leben. Genaue Zahlen, wie viele betroffen sind, gibt es nicht. Oxfam schätzt, dass sich allein die Pipeline auf 60.000 Menschen in Uganda und Tansania auswirkt. Die ugandische Organisation Africa Institute for Energy Governance (AFIEGO) geht sogar von mindestens 100.000 Betroffenen aus. Dies wirft die Frage auf, ob Ugandas Öl-Abenteuer wirklich dem Volk zugutekommt.

Über 80 Prozent der Bevölkerung Ugandas leben auf dem und vom Land. Durch das Ölprojekt haben viele von ihnen ihre Lebensgrund­lage verloren und müssen sich nun andere Arbeit suchen.

Umweltschützer sind zusätzlich besorgt, weil das Öl in Ugandas ältestem Nationalpark gefördert werden soll. Und wenn es verbrannt wird, wird das bis zu 34 Millionen Tonnen CO2 im Jahr freisetzen.

Der schwierige Kampf um faire Entschädigung

Durch die grünen Täler zwischen den Städten Hoima und Buliisa schlängelt sich eine moderne mehrspurige Straße. Sie zeugt von der Infrastruktur, die die Behörden infolge der Ölförderung in Aussicht stellen. Wir treffen Pastor Raymond Oyungi im Dorf Ajigo unter einem Baum. Er hat über Jahre beobachtet, wie sich das Erdölprojekt auf das Leben der Dorfbewohner auswirkt.

Autorin

Sofi Lundin

ist freie Journalistin und Fotografin in Uganda.
„Wir haben immer in Frieden gelebt, Landrechte waren nie ein Problem“, sagt er. „Mit der Ankunft von Total begannen die Streitigkeiten, und Menschenrechte wurden verletzt.“ Oyungi bezeichnet geringe Entschädigungen und Umweltzerstörung als die größten Probleme. „Wir sind dankbar für die neue Straße, die hier gebaut worden ist, und auch für die Beschäftigungsmöglichkeiten, die sich hoffentlich ergeben. Das Problem ist, dass die Straßenarbeiten, Baumfällungen und Bohrungen im Erdreich die Umgebung unbewohnbar gemacht haben. Wir leben in einer Staubwolke, und die Bauern beklagen sich darüber, dass nichts wächst wie zuvor“, sagt er.

Nach dem Gesetz über den Erwerb von Land sind Behörden befugt, Menschen ihr Land zu nehmen, wenn dies öffentlichen Zwecken dient. Das Gesetz regelt auch, dass faire Entschädigungen zu zahlen sind, bevor sie ihre Region verlassen müssen. Die Entschädigung im Bezirk Buliisa beläuft sich auf rund 8,7 Millionen Schilling (etwa 900 Euro) je Hektar. Seit Beginn der Ölprojekte ist der Ort attraktiv für private Investoren, was den Wert von Boden in die Höhe getrieben hat; laut mehreren Dorfbewohnern kostet ein Hektar nun vielerorts nahezu 75 Millionen Schilling.

Menschen hingen jahrelang in der Luft

„Die Entschädigung ist viel zu niedrig“, sagt Oyungi. „Dazu kommt, dass Zahlungsverzögerungen dazu geführt haben, dass Menschen jahrelang in der Luft hingen.“ Oxfam hat zwischen 2018 und 2020 eine Studie in Uganda und Tansania durchgeführt und dafür 1211 Menschen aus 36 Dörfern befragt. Ergebnis: Die Entschädigungen kamen zu spät, und es  mangelte stark an Information und Transparenz.

Pastor Raymond Oyungi hat sich von der Organisation „Buliisa-Initiative für ländliche Entwicklung“ (Birudo) zum Helfer in Rechtsfragen weiterbilden lassen, um Menschen beim Kampf um faire Entschädigung zu unterstützen. „Die Leute hier sind arm, die Mehrheit kann weder lesen noch schreiben. Was passiert, wenn man ihnen plötzlich eine große Summe Geld gibt? Viele, die Entschädigungen erhalten haben, haben die für Alkohol ausgegeben“, sagt Oyungi. 

Landwirt Joseph Muheemba Byarufu verweigerte die Unterschrift

Wenige Kilometer weiter treffen wir den Landwirt Joseph Muheemba Byarufu, der mit Total im Streit liegt. „Sie haben Markierungen mitten durch unser Land gezogen, und mit unserer Unterschrift sollten wir zustimmen, dass wir das Gebiet aufgeben. Für diese Teile unseres Landes haben sie uns keine Entschädigung angeboten“, sagt Joseph. Er verweigerte die Unterschrift und wird nun von dem Unternehmen bedroht. „Sie sagen, es sei keine große Sache, wenn ich nicht unterzeichne, weil sie das Geld dann einfach für die Gerichtsverhandlung nutzen.“

Unseren Versuch, eine Stellungnahme von Total über die Frage der Entschädigungen zu erhalten, ließ der Konzern unbeantwortet. Auf seiner Internetseite heißt es: „Von der Planungsphase dieser Projekte an haben wir besondere Aufmerksamkeit auf Information, Beratung und Konsensbildung mit allen Interessenvertretern gelegt. Mehr als 70.000 Menschen wurden befragt… Wie bei allen Vorhaben legt TotalEnergies größten Wert darauf, dass die Umsetzung in Übereinstimmung mit den Menschenrechten erfolgt.“

Auch die ugandische Erdölbehörde versichert, dass die Menschenrechte geachtet werden. „Die Regierung in Uganda hat Systeme geschaffen, die gewährleisten, dass den Anforderungen der Menschenrechte Rechnung getragen wird“, sagt Ali Ssekatawa, Leiter der Abteilung Recht und Unternehmensangelegenheiten der Erdölbehörde.

Viele haben Angst vor Konsequenzen

Der Landwirt Joseph hat Rechtsbeistand gesucht, doch viele schrecken davor zurück, ihm zu helfen. „Anwälte und andere, die versuchen, zu helfen, werden bedroht und verhaftet. Es gibt viele, die die Konsequenzen fürchten“, sagt er.

Die Firma AFIEGO setzt sich seit 2007 für gutes Management im Energiesektor ein, besonders bei Öl, Gas und erneuerbaren Energien. Sie war an mehreren Gerichtsverfahren gegen das Ölprojekt beteiligt, darunter am Rechtsstreit gegen Total in Frankreich. Dies hat dazu geführt, dass immer wieder Mitarbeiter der Firma verhaftet wurden. „Unsere Arbeit, mit der wir die Rechte der Menschen sichern, ist sehr riskant. Manche unserer Beschäftigten wurden schon mehr als fünfmal festgenommen“, berichtet der Hauptgeschäftsführer Dickens Kamugisha.

So wurden im Mai vergangenen Jahres Maxwell Atuhura von AFIEGO und die italienische Journalistin Federica Marsi verhaftet, als sie das Projekt in Buliisa besuchten. Fünf Monate später wurden sechs Beschäftigte von AFIEGO festgesetzt unter dem Vorwurf, ohne Erlaubnis tätig zu sein. 208 internationale Organisationen starteten eine Unterschriftenkampagne für ihre Freilassung; #Stop–Eacop wurde zu einem internationalen Aufruf gegen Total und den Bau der umstrittenen Ölpipeline. „Die Polizei weigert sich, Festnahmen uns gegenüber zu bestätigen. Das bedeutet, dass wir die Fälle nie vor Gericht bringen können. Die Festnahmen sind reine Einschüchterung“, sagt Kamugisha.

Die Angst hält die Beschäftigten von AFIEGO nicht davon ab, den Kampf fortzusetzen. „Ich weiß, dass sie uns wegen unserer Arbeit töten können, aber wir haben keine andere Wahl, als damit fortzufahren. Was soll andernfalls aus den armen Familien werden, die alles verloren haben. Wer wird für sie sprechen?“, fragt Kamugisha.

Eine Ölverschmutzung wäre eine Katastrophe für Mensch und Tier

Zwischen den Ölvorkommen am Albertsee und der tansanischen Küste liegen zudem wundervolle Naturschutzgebiete; dort ist auch eine Artenvielfalt zu finden, die zu den größten der Welt zählt. Ugandas größter Nationalpark erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 3800 Quadratkilometern und bietet Elefanten, Leoparden, Giraffen, Nilpferden und darüber hinaus mehr als 400 verschiedenen Vogelarten eine Heimat. 

Die geplante Pipeline würde mitten durch die Lebensräume von Elefanten, Affen, Giraffen und vieler weiterer geschützter Tierarten verlaufen. Auch der Murchison-Nationalpark in Uganda gehört zu diesen Gebieten.

Die Ölpipeline wird auch den größten afrikanischen See passieren, den Victoriasee. „Eine Ölverschmutzung wäre eine Katastrophe für Millionen Menschen, die vom See abhängen, weil sie ihn für Trinkwasser oder für Nahrungsanbau brauchen“, warnt die Kampagnengruppe 350.org, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzt. Total erwidert, das Unternehmen habe die Zahl der Bohrstationen soweit möglich verringert und weniger als ein Prozent der Landfläche des Parks sei von dem Projekt betroffen.

„Der Schaden, den das Projekt für Natur und Menschen mit sich bringt, ist unbeschreiblich groß“, sagt dagegen die 25-jährige Klimaaktivistin Hilda Flavia Nakabuye in Kampala. Sie hat die Organisation Fridays For Future in Uganda gegründet und kämpft an der Seite anderer ugandischer Klimaaktivisten seit vielen Jahren gegen die Ölpipeline. Nakabuye will ein Bewusstsein für das Projekt schaffen und hat an einer Reihe von Klimaprotesten sowohl in Uganda als auch in Europa teilgenommen. „Auf lokaler Ebene in Uganda haben nur drei von hundert Menschen von der Ölförderung gehört. Sie haben keine Vorstellung davon, inwieweit sie davon in Zukunft betroffen sind“, sagt Nakabuye.

Gegenwind für die Pipeline

Die weltweiten Proteste haben Gegenwind für das Projekt erzeugt. Bisher sind zwanzig Banken davon abgerückt, die Ölpipeline zu finanzieren, darunter die Deutsche Bank. Der Kampf der Aktivisten ist jedoch gefährlich. „Die Behörden betrachten Klimaaktivisten als Gegner von Entwicklung. Fast jeder Klimaprotest hat bisher zu Verhaftungen geführt“, sagt Nakabuye.

Auf die Frage, was sie für ihr Engagement motiviert, antwortet sie: „Es geht nicht um Motivation. Die Ölpipeline verläuft durch das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Es geht um mein Leben, meine Wurzeln, meine Kultur und meine Zukunft.“

Doreen lebt nun auf einem neuen Stück Land in Buliisa und hat eine Anleitung erhalten, was sie dort anbauen kann: einjährige Feldfrüchte wie Kartoffeln und Mais, nicht Grundnahrungsmittel wie Maniok, die mehrere Jahre zum Wachsen brauchen. Denn ihr Land könnte zu einem späteren Zeitpunkt für das Ölfördervorhaben gebraucht werden. Früher konnte sie das Schulgeld für ihre Kinder mit Hilfe des Anbaus von Maniok und Kaffee aufbringen; jetzt kann sie vom Landbau nicht mehr leben. „Sie sagen, das Öl sei ein Segen, aber mein Leben hat es auf den Kopf gestellt“, sagt sie. „Ich kann nichts Gutes erkennen, mir bringt es Zerstörung.“

Aus dem Englischen von Christine Lauer.

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