Gefährliche Selbsthilfe

Christen und Muslime hoffen auf einen neuen Anlauf im Friedensprozess auf den Süd-Philippinen. Nachdem in den Herbstmonaten Hunderttausende vor den Auseinandersetzungen zwischen der Regierungsarmee und muslimischen Rebellen aus ihren Dörfern geflohen waren und sich christliche Milizen zur „Selbstverteidigung“ gebildet hatten, setzt die Regierung nun auf Verhandlungen: Eine neu gebildete Kommission soll die im August unterbrochenen Friedensverhandlungen wieder aufnehmen.

In einem Brief an den Papst hatten sich zuvor Einwohner Min­danaos gemeinsam mit dem Nationalen Philippinischen Kirchenrat und muslimischen Führern für ein Ende der Gewalt zwischen Regierung und Rebellen ausgesprochen. Die Direktorin der muslimisch-philippinischen Bürgerrechtsorganisation PCID (Philippine Council on Islam and Democracy) hatte – als einzige Frau in der muslimischen Delegation – den Brief an Benedikt XVI. anlässlich der katholisch-islamischen Konferenz im Vatikan Anfang November überreicht. Nach Angaben der Religionsführer haben bis zu 100 Menschen in den Auseinandersetzungen ihr Leben verloren, 600.000 weitere hätten in Flüchtlingslagern Schutz gesucht.

Die neuen Kämpfe zwischen der Regierungsarmee und Rebelleneinheiten waren ausgebrochen, nachdem Anfang August der Oberste Gerichtshof der Philippinen ein von Malaysia vermitteltes Friedensabkommen für nicht verfassungskonform erklärt hatte. Einheiten der Rebellenarmee MILF (Moro Islamic Liberation Front) hatten daraufhin einige von Christen bewohnte Dörfer angegriffen, was wiederum zum Eingreifen der Regierungstruppen führte. Seitdem gibt es immer wieder sporadische Kämpfe, Menschen fliehen aus den umkämpften Städten – offenbar aus Angst vor Racheakten entweder der Rebellen oder der neuen christlichen Milizen. Die Unterzeichner des gemeinsamen Briefes sehen den prekären Religionsfrieden auf Mindanao gefährdet: „Der Einsatz bewaffneter Gruppen wird den Schutz von Zivilisten nicht erhöhen, wie das einige lokale Regierungsbeamte offenbar annehmen. Vielmehr wird er dazu führen, dass Chaos und Unsicherheit zunehmen und sich unsere Gemeinden, in denen Muslime und Christen Seite an Seite leben, spalten.“

Das vom Obersten Gericht kassierte Friedensabkommen zwischen den Rebellen und der Regierung sah eine Ausweitung der autonomen Region auf gemischt christlich-muslimische Gebiete im Westen Mindanaos vor und enthielt Schutzrechte auch für die indigene Bevölkerung. Christliche Lokalpolitiker hatten gegen das Abkommen geklagt, obwohl die Mehrzahl der Kirchenführer ausdrücklich dafür ist. So erklärt der Vorsitzende des Nationalen Kirchenrates NNCCP, der methodistische Bischof Nathanael Lazaro, in einem Brief an Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo: „Der NCCP sieht das Recht der Moros und der indigenen Völker auf Selbstbestimmung als einen Schritt an, der die Suche nach einen langfristigen Frieden in Min­danao voranbringen wird.“

Bettina Stang

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe

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