Es gibt in Deutschland eine vielfältige Landschaft von Partnerschaften mit Kommunen, Regionen, Schulen, Hochschulen und Krankenhäusern im globalen Süden sowie eine Vielzahl von Projekten engagierter Eine-Welt-Gruppen und Vereine. Aber wie sollten diese Partnerschaften aussehen? Welche Ziele können sie erreichen? Die meisten Kooperationen nehmen für sich in Anspruch, auf Augenhöhe mit den Partnern im globalen Süden zusammenzuarbeiten. Doch wie soll das angesichts des Machtungleichgewichts zwischen beiden Seiten möglich sein?
Die Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl) hat einen neuen Fragenkatalog für Nord-Süd-Partnerschaften herausgegeben. Die Handreichung mit dem Titel „Nord-Süd-Partnerschaften reflektieren. Ein Fragenkatalog“ will zu einem solidarischen Gelingen von Partnerschaften mit dem globalen Süden beitragen.
Es gebe „nicht den einen richtigen Weg, eine Partnerschaft aufzubauen, zu gestalten und langfristig aufrechtzuerhalten“, betonen die Autoren. Es gehe um Fragen, die sich Initiatoren von Projekten stellen sollten, damit diese „von Anfang an gerecht und gleichberechtigt“ sein können, sagt Vera Dwors vom Eine Welt Netz Nordrhein-Westfalen, die den Fragenkatalog mit erarbeitet hat. Wie plant man ein Projekt, wie schaffe ich Transparenz, welche Strukturen gibt es und wer hat welche Rolle? Der Katalog soll Akteure hier bei uns ermutigen, über ihre Kooperationen zu reflektieren. Dazu gehören auch Fragen nach dem politischen Umfeld eines Projekts und zu historischen Abhängigkeiten zwischen globalem Süden und Europa.
Auch heikle Fragen berücksichtigen
Die Handreichung ist bereits 2020 erschienen und wurde jetzt überarbeitet. Vor allem Fragen zur Geschlechtergerechtigkeit, zu Demokratie und Autoritarismus im Umfeld von Partnerschaften seien jetzt stärker vertreten, so Dwors. Die Erfahrungen von Partnerinnen und Partnern aus dem globalen Süden seien auf Fortbildungen und Workshops eingebracht worden. Der Fragenkatalog regt auch an, das politische Umfeld eines Projektes realistisch einzuordnen, bis hin zu heiklen Fragen etwa nach Korruption oder autoritären politischen Strukturen in Partnerstädten.
Entstanden ist so eine Fülle von Fragen und Anregungen, die wesentlich konkreter und detaillierter sind als bisherige Materialien zum Thema, etwa die Leitlinien für entwicklungspolitische Projekt- und Programmarbeit von Venro, dem Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe. Anstatt theoretisch über die Frage zu spekulieren, ob „Augenhöhe“ überhaupt möglich ist, gibt es hier praxistaugliche Anregungen, wie man sich zumindest auf den Weg zu einem gleichberechtigten, solidarischen Miteinander machen kann.
Die Fragen seien vor allem aus der Perspektive von nichtstaatlichen Organisationen formuliert, sagt Sylvia Baringer von der Stadt München, doch sie könnten auch für Kommunen „sehr hilfreich“ sein. Es sei wichtig, sich ernsthaft mit der eigenen Rolle auseinanderzusetzen. Vor allem könnte der Fragenkatalog auch eine gute Grundlage für Überlegungen zur Zusammenarbeit von Kommunen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft darstellen. Baringer ist für die Zusammenarbeit der Stadt München mit dem indigenen Volk der Asháninka in Peru verantwortlich, ein Projekt, das die Stadt gemeinsam mit der Zivilgesellschaft unterstützt.
Augenhöhe zwischen Leipzig und Addis Abeba?
Manche Städte wie München, Nürnberg oder auch kleinere Kommunen wie Schwäbisch-Gmünd oder Düren haben Rahmenkonzepte für ihre Entwicklungszusammenarbeit veröffentlicht. Andere greifen auf ihre lange Erfahrung in der Partnerschaftsarbeit zurück. „Wir orientieren uns an den UN-Nachhaltigkeitszielen“, sagt Gabriele Goldfuß, Leiterin des Referats Internationale Zusammenarbeit der Stadt Leipzig, die schon seit DDR-Zeiten mit Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, verbunden ist. „Der Begriff 'Augenhöhe' ist kompliziert. Es geht darum Interessen, Möglichkeiten und Engagement in der Partnerschaft abzugleichen und für beide Städte umzusetzen.“ Addis Abeba sei als Metropole und Sitz der Afrikanischen Union weltpolitisch von höchster Relevanz. Dessen sei man sich in Leipzig bewusst.
Gleichzeitig gebe es aus der Leipziger Zivilgesellschaft zahlreiche Hilfsprojekte in Addis Abeba. Klassische Entwicklungshilfe ist bei vielen Eine-Welt-Vereinen noch weit verbreitet. Der Leitfaden richtet sich auch an sie. „Es gibt bei manchen Gruppen durchaus so etwas wie eine Abwehrhaltung und eine Befürchtung kritisiert zu werden,“ sagt Vera Dwors. „Wir wollen zum Nachdenken anregen.“ Der Fragenkatalog sei bewusst im Dialog mit Partnerinnen und Partnern im globalen Süden entwickelt worden, damit alle mit ihm arbeiten können, ohne an den Pranger gestellt zu werden.“
Knackpunkt ist häufig das Thema Finanzen, denn die Geldgeber sitzen im Norden. Das einzige, was bei diesem Thema helfen kann, sind Transparenz und ein gemeinsames Nachdenken darüber, wie die Partner im Süden an Eigenmittel für Projekte kommen können.
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