Nicht alle Kinder lachen über Tortenschlachten

In vielen Ländern hat das Fernsehen großen Einfluss auf das Weltbild von Kindern. Kinderprogramme sollten deshalb auf die Alltagserfahrungen von Jungen und Mädchen zugeschnitten sein und ihnen Möglichkeiten der Identifikation bieten. Das diesjährige Kinderfernsehen-Festival „Prix Jeunesse“ hat gezeigt, dass das in vielen Weltregionen nicht der Fall ist.

Der „Prix Jeunesse“ ist die wichtigste internationale Auszeichnung für Kinder- und Jugendfernsehen. Beim diesjährigen Festival von Ende Mai bis Anfang Juni in München stand das Thema „Vielfalt“ im Mittelpunkt. Die TV-Realität in vielen Ländern sei weit davon entfernt, den Alltag von Kindern widerzuspiegeln, kritisierte Festivalleiterin Maya Götz. Südafrika zum Beispiel habe eines der weißesten Kinderprogramme weltweit – zum einen weil auch südafrikanische Produzenten sich an den Standards der globalisierten TV-Welt orientierten, zum anderen wegen der hohen Zahl vor allem in Nordamerika eingekaufter Programme. Nur 15 Prozent der Weltbevölkerung sind Weiße, aber im Kinderfernsehen weltweit haben sie einen Anteil von 72 Prozent, sagt Götz. Ebenfalls überrepräsentiert seien Jungen sowie Kinder aus der wohlhabenden Mittelschicht. Lediglich China zeige mehr asiatische als mitteleuropäische Figuren im Kinderprogramm, das zum größten Teil in der Volksrepublik selbst hergestellt wird.

Wie diese Bilder im Kinderfernsehen wirken, erläutert Götz am Beispiel der Prinzessinnen in den Filmen von Walt Disney. Bis auf Mulan und Aladdins Frau Yasmin seien alle Disney-Prinzessinen weiß, blond und blauäugig. Außerdem stammten auch Mulan und Yasmin aus gut situierten Familien. „Das führt dann vor allem bei Mädchen mit afro-ethnischer Herkunft dazu, dass sie glauben, sie seien nicht gut genug, um eine Prinzessin zu sein.“ Kinderfernsehen solle aber das Selbstbewusstsein von Jungen und Mädchen stärken, ihnen Identifikationsmöglichkeiten bieten und ihnen helfen, ihren Weg zu finden.

Der Themenpreis des Festivals ging nach Kolumbien

Das schafft die kolumbianische Produktion „La Lleva“, die den Themenpreis des Festivals erhielt. „Ein wunderschönes Konzept, eine frisch, mit Leichtigkeit erzählte Geschichte, flott geschnitten, mit viel Musik“, schwärmt Festivalleiterin Götz von der Filmreihe, die Kinder aus unterschiedlichen Kulturen des lateinamerikanischen Landes zusammenführt. Ein Junge aus der Hauptstadt Bogotá, der seinen Glauben an Gott lebt und als Messdiener arbeitet, bekommt Besuch von einem coolen, dunkelhäutigen Freund aus der Karibik und nimmt ihn mit zum Gottesdienst. Der Freund ist zunächst skeptisch, findet nachher aber: „Das war ein tolles Erlebnis!“ Der Alltag der Jungen werde hier so gezeigt, dass sich jedes Kind wiederfinden könne.

Das ist gar nicht so einfach, denn die Inhalte der Sendungen werden aufgrund von Alltagserfahrungen interpretiert. Ein Film aus Brasilien zeigt zum Beispiel wie ein Junge aus einem Slum einen Topfdeckel stiehlt, um in einer Sambaband mitspielen zu können. „90 Prozent der Kinder aus marginalisierten Kulturen wussten gleich, das ist Diebstahl. Die aus wohlhabenden Verhältnissen verstanden das nicht, weil ein Topfdeckel für sie keinerlei Wert darstellt“, erläutert Götz. Und auch beim Humor unterscheiden sich die Kinder der Welt: Wenn jemand mit einer Torte wirft, „ist das für europäische Jungen und Mädchen der Brüller. Die aus Soweto dagegen finden das gar nicht lustig.“ 

 

erschienen in Ausgabe 7 / 2010: Andenländer, alte Kulturen neue Politik
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