Wie wirken Entwicklungshelfer?

Standpunkte: Bei der Evaluation von Personaleinsätzen kommt es auf die richtige Methode an

Ohne Selbstevaluation geht es nicht

Von Michael Steeb

Wenn Entwicklungsorganisationen die Wirkung ihrer Arbeit erfassen wollen, verfolgen sie damit mehrere Ziele: Zum einen geht es darum, Geldgebern gegenüber Rechenschaft abzulegen. Zum anderen soll ein wirkungsorientiertes Monitoring helfen, Entwicklungsvorhaben zum Erfolg zu führen. Und schließlich wollen Organisationen aus der Wirkungskontrolle lernen, wie sie ihre Ansätze und Methoden verbessern können. Diese drei Ziele sind jedes für sich wichtig. Es sind aber Zweifel angebracht, dass sie sich alle mit Hilfe eines einzigen Monitorings- und Evaluationsverfahrens erreichen lassen.

Für einen Personaldienst wie die AGEH steht die Frage nach der Wirksamkeit der Fachkraft im Vordergrund. In der Regel arbeiten unsere Fachkräfte integriert in lokale Organisationen. Sie sind damit Teil sozialer, lebender Systeme, die sehr vielschichtig sind und sich einer sich ständig verändernden Umwelt anpassen müssen. Lernen und Veränderung vollzieht sich in zirkulären Prozessen, das heißt in sich wiederholenden Schleifen von Problemanzeige, Verstehen, Entwicklung von Lösungsansätzen, Umsetzung, Auswertung des Erfolgs oder Misserfolgs sowie neuer Problembeschreibung. Die Praxis, auf vorformulierte Wirkungsketten und auf Evaluationsmethoden zurückzugreifen, die sich auf die Überprüfung der Wirkungskette beschränken, greift im günstigsten Fall zu kurz, im schlimmsten Fall scheitert sie, manchmal mit fatalen Folgen. Eine solche Praxis, die Abweichungen vom Plan als „Fehler“ wertet, verhindert eine am Menschen orientierte Entwicklung – im Sinne der Förderung von verantwortlichem Denken und Entscheiden in sich ändernden Situationen – und belohnt stattdessen gehorsame Planerfüllung.

Flexibel sein und sich an Veränderungen anpassen

Wir gehen davon aus, dass die angestrebten Wirkungen eines Entwicklungsvorhabens nicht am Ende vorher planbarer Ketten von Ursache und Wirkung stehen, sondern permanent beobachtet und gegebenenfalls weiterentwickelt werden müssen. Die angestrebten Ergebnisse müssen darauf hin überprüft werden, ob sie weiterhin zur erwarteten Wirkung beitragen oder korrigiert werden müssen. Und es muss geprüft werden, ob die anvisierten Wirkungen noch angemessen sind. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass lokale Partner zunächst stark an westlichen Werten orientierte Vorhaben planen, sich mit der Zeit aber auf ihre eigenen Werte und Stärken besinnen und als Folge andere Wirkungen anstreben. Mit anderen Worten: Man muss in der Lage sein, die aktuelle Situation ständig zu erfassen und sich an Veränderungen anzupassen. Das ist wichtiger als exakt zu planen und umzusetzen.

Die linear-kausalen Ansätze der Wirkungsmessung mit ihren vermeintlich objektiven Methoden erschweren es Entwicklungsorganisationen, das eigene Handeln kritisch in den Blick zu nehmen und zu korrigieren. Personelle Zusammenarbeit will Partner in ihrer Entwicklung begleiten und fördern. Methoden, mit denen die Wirkung dieser Arbeit gemessen wird, müssen sich daran messen lassen, ob sie neben einer Beurteilung des Erreichten Lernen und Entwicklung fördern und nicht verhindern.

Dazu muss die Fachkraft selbst kontinuierlich die Wirkungen ihres eigenen Tuns beobachten – nicht nur um den eigenen Erfolg (oder Misserfolg) zu messen, sondern um notwendige Korrekturen zu erkennen und zu veranlassen. Dadurch wird das gemeinsame Lernen von Partnern, Fachkraft und Entsendeorganisationen „wirkungsvoll“ möglich. Evaluierungen am Ende eines Vorhabens leisten das in der Regel nur sehr begrenzt oder gar nicht.

Die Selbstevaluierung ist daher ein wichtiger Teil der Wirkungsbeobachtung. Im Gegensatz zur vermeintlich objektiven Fremd-evaluation ist sie entscheidend für das Lernen und die Wirkungssteigerung. Denn die eigenen Erkenntnisse sind die beste Grundlage, um Veränderungspotentiale zu erkennen. Eine sinnvolle Wirkungsbeobachtung für die personelle Zusammenarbeit erfordert eine „entwicklungsfreundliche“ Atmosphäre, damit Menschen ihrem natürlichen Bedürfnis, die Wirksamkeit ihres Tuns zu beurteilen und zu verbessern, nachgehen können. Eine Wirkungsmessung, die das beherzigt, trägt dann selbst zur nachhaltigen Entwicklung bei.

Autoren

Michael Steeb

ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) in Köln.

Reinhard Stockmann

ist Professor für Soziologie und Leiter des Centrums für Evaluation (CE VAL) an der Universität des Saarlandes.

Wichtig ist der Blick von außen

Von Reinhard Stockmann

Die meisten Personalentsendedienste tun sich schwer mit der Evaluation – und in der Tat, sie haben es auch schwer. Ihre Experten sind eingebettet in lokale Organisationen, in denen sie wirken sollen. Weil Veränderungen, die sie auslösen, gemeinsam im Handeln mit anderen entstehen, sind diese schwer zu messen. Allerdings wäre es falsch, Evaluation allein aus diesem Grund abzulehnen. Evaluation verfügt über eine breite Palette von Instrumenten, mit denen man auch die Wirkung von Fachkräften in ihren Partnerorganisationen und bei Zielgruppen messen und bewerten kann. Deshalb ist es wichtig, vorab zu klären, zu welchem Zweck Evaluation eingesetzt werden soll, damit eine angemessene Evaluationsform verwendet wird.

Entwicklungsdienste räumen der Frage nach der Wirksamkeit ihrer Fachkräfte hohe Priorität ein, äußern sich aber mitunter skeptisch zur Bedeutung von Wirkungsketten und dem Einsatz von Evaluationsmethoden. Allerdings kommt es bei der Wirkungsevaluation gerade nicht darauf an, Abweichungen vom Plan als „Fehler“ zu werten und auf „gehorsame Planerfüllung“ zu pochen, wie Michael Steeb schreibt. Wirkungsevaluation ist nicht zu verwechseln mit Zielerreichungs-Evaluationen, die Soll-Ist-Vergleiche vornehmen. Eine Wirkungsevaluation nimmt zuerst die beobachteten Veränderungen in den Blick und versucht dann zu erklären, wie diese zustande gekommen sind. Das heißt erst nach der Wirkungsmessung wird geprüft, ob eine Intervention – zum Beispiel die Aktivitäten einer entsandten Person – dazu beigetragen hat, etwas zu verändern. Nur so ist es überhaupt möglich, intendierte und nicht intendierte Wirkungen zu erfassen und zu bewerten. Eine ausschließliche Zielorientierung oder Planfixiertheit würde wie Scheuklappen wirken.

Niemand handelt planlos

Ursache-Wirkungsketten können nicht nur dazu genutzt werden, die Aktivitäten eines Vorhabens oder einer entsandten Person in die beabsichtigte Richtung zu lenken, sondern auch, um beobachtete Veränderungen zu erklären. Dies bedeutet keineswegs, dass man deshalb von langfristig planbaren Entwicklungen ausgehen muss. Wer würde heute bestreiten, dass man sich in der Entwicklungszusammenarbeit auf aktuelle Situationen immer wieder neu einstellen und sich an Veränderungen anpassen muss. Je dynamischer Umwelten sind, umso weniger kann man dauerhaft planen, sondern muss in kürzeren Zyklen immer wieder nachsteuern. Daraus folgt jedoch nicht, dass überhaupt nicht geplant wird.

Eine Ursache-Wirkungskette ist kein feststehender Umsetzungsplan, sondern eher eine Hypothese oder ein Hypothesenbündel, wie etwas wirken könnte. Jeder, der überlegt handelt, hat so eine Hypothese implizit oder explizit im Kopf – auch der, der Fachkräfte entsendet. Ansonsten würde er planlos handeln. Dies kann kaum die Devise sein. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Fachkräfte, wie Steeb schreibt, „selbst kontinuierlich die Wirkungen ihres eigenen Tuns beobachten“ (…), „um notwendige Korrekturen zu erkennen und zu veranlassen“. Wie sollte das gehen, wenn man keiner Wirkungshypothese oder zumindest einer Wirkungsvorstellung folgt? Anhand welcher anderer Kriterien sollte sonst entschieden werden, ob Korrekturen am eigenen Handeln notwendig sind?

Es ist deshalb richtig, dass Selbstevaluation ein wichtiger Teil der Wirkungsbeobachtung ist. Aber sie ist eben nicht ausreichend, da der Blick von außen fehlt. Wer lange und intensiv in einem spezifischen Kontext gearbeitet hat, weiß, wie wichtig Anregungen von außen sind, das heißt von Personen außerhalb des Systems, in dem man selbst agiert. Fremd-evaluationen sind deshalb kein Gegensatz zu Selbstevaluationen. Sie sind keine Alternativen, im Gegenteil: Selbst- und Fremdevaluation müssen miteinander gedacht werden; beide haben Stärken und Schwächen. Nur auf eine Form zu setzen, wäre deshalb auch bei der Evaluation der Wirkungen von personeller Zusammenarbeit ein großer Fehler.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2011: Entwicklungsdienst: Wer hilft wem?
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