Wie Kleinbauern wirtschaften

Wissenschaftler plädieren für die Förderung informeller Märkte
Wissenschaftler plädieren für die Förderung informeller Märkte

Auf ihnen ruhen große Erwartungen. Die 500 Millionen Kleinbauern auf der Welt, die weniger als zwei Hektar Land bewirtschaften, sollen dazu beitragen, eine wachsende Bevölkerung zu ernähren. Sie sollen sich selbst aus der Armut befreien und zugleich die Anpassung an den Klimawandel bewältigen. Ihre bedeutende Rolle für die Ernährungssicherheit wird von zahlreichen Akteuren der Entwicklungspolitik gerne und oft unterstrichen – doch die Hilfen für die Landwirtschaft sind nach Angaben der FAO in den vergangenen drei Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Und manche Ansätze, Kleinbauern zu fördern, gehen laut einer Studie des internationalen Institutes für Umwelt und Entwicklung (IIED) an deren Interessen vorbei.

Bill Vorley, Ethel de Pozo-Bergnes und Anna Barnett kehren in ihrer Untersuchung den Blick um: Sie schauen danach, wie Kleinbauern tatsächlich leben und produzieren, und nicht, wie sie es nach Auffassung ihrer Regierungen und westlicher Experten tun sollten. Entsprechend kritisch sehen die Wissenschaftlerinnen die Anstrengungen, mit denen Kleinbauern in formale Märkte und globale Wertschöpfungsketten eingebunden werden sollen, um ihnen ein besseres Auskommen zu geben. Solche Modelle nutzen lediglich zwei bis zehn Prozent der Bauern weltweit – denen mit dem größten Besitz und einer starken Orientierung auf die kommerzielle Produktion.

Die meisten Bauern sind in informelle Netzwerke eingebunden

Die überwiegende Mehrheit der Bauern bewege sich auf informellen Märkten, weil die flexibler und offener sind und ihnen mehr Einfluss ermöglichen, heißt es in der Studie. Staatlichen Eingriffen begegneten sie oft mit Misstrauen. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie mit verschiedenen Aktivitäten: sie betreiben Landwirtschaft, verdingen sich aber oft zusätzlich noch als Arbeiter oder werden von Verwandten unterstützt, die ins Ausland ausgewandert sind.

Um sie zu fördern, müsse die Politik den Nutzen der informellen Räume anerkennen – und zugleich deren dunkle Seiten wie Korruption, Missbrauch, Kartelle und mangelnde Transparenz bekämpfen. Dies sei umso wichtiger vor dem Hintergrund, dass informelle lokale und regionale Märkte wachsen – in manchen Regionen schneller oder genauso schnell wie der globale Warenaustausch. Und die meisten Kleinbauern leben in Ländern mit einem dynamischen Wirtschaftswachstum: China, Indien und Indonesien. Einige Regierungen haben laut Studie darauf bereits reagiert und mit einer „inklusiven Formalisierung“ begonnen: Etwa indem sie fliegende Händler über Lebensmittelsicherheit aufklären oder den Erwerb von Lizenzen für formale Aktivitäten besser zugänglich oder flexibler gestalten.

Auch die Verknüpfung von formalen und informalen Märkten kann erfolgreich sein: Kenias Supermarktketten Uchumi und Nakumatt kaufen Obst und Gemüse von lokalen Farmern. Und kenianische Lederwaren für den Export werden von Nomaden gefertigt und über informelle Märkte beschafft. In Mosambik werden ebenfalls Modelle für die Zusammenarbeit von Kleinbauern mit dem Welternährungsprogramm und der Brauerei SAB Miller entwickelt.

Landwirtschaftsprogramme nützen vor allem den Großfarmen

Aber in den meisten Ländern geht die staatliche Landwirtschaftsförderung laut der Studie an den Interessen der Kleinbauern vorbei. Sie würden genauso behandelt wie Großfarmen. Die Programme zielten auf Hochertragssorten, die hohe Investitionen in Dünger und Bewässerung erforderten – für Kleinbauern unerschwinglich. In Uganda immerhin habe die Politik das bereits eingesehen. Die Wissenschaftler empfehlen den Regierungen Investitionen in die Infrastruktur von Märkten, Versicherungen, Markreformen, um Korruption zu verringern, sowie Hilfe für Familienbetriebe, wie sie etwa im Rahmen des brasilianischen Food Aquisition Programme geleistet wird.

Der Entwicklungsexperte Duncan Green von Oxfam lobt den innovativen Ansatz der Studie und meint durchaus selbstkritisch an die Adresse von Hilfsorganisationen gerichtet: mehr mit den „Augen eines Kleinbauern“ sehen lernen, Experimente wagen und eine Umgebung schaffen, von der formelle und informelle Produzenten profitieren können. (gka)

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