Migration lässt sich nicht stoppen

Migration kann man nicht stoppen, sagt Federico Soda von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) im "welt-sichten"-Interview. Jens Spahn sieht das wohl anders: Der CDU-Politiker fantasiert neuerdings von "physischer Gewalt" gegen Flüchtlinge und Migranten, die deutschen Boden betreten wollen. Bisher hatte die AfD diese Forderung als Alleinstellungsmerkmal. 

In der Debatte um Flucht und Migration brechen in unserem Land die Dämme mittlerweile im Tagesrhythmus. CDU-Chef Friedrich Merz sagt im Fernsehen, die SPD hätte besser auf Thilo Sarrazin hören sollen, statt ihn aus der Partei zu werfen. Thilo wer? Richtig, das war der, der vor Jahren in einem Buch die These vertreten hat, bestimmte Bevölkerungsgruppen, Türken zum Beispiel, seien von Natur aus dümmer als andere. Der gesagt hat, der Bevölkerungsteil, der "nicht ökonomisch gebraucht" werde, müsse "sich auswachsen" - sprich: solle keine Kinder mehr kriegen. 

An diesen Mann und seine Thesen soll sich die SPD also erinnern, findet der CDU-Vorsitzende. Was antworten die Genossen? Bundeskanzler Olaf Scholz bietet Merz per Brief an, in der Migrationspolitik mit der CDU/CSU-Fraktion zu kooperieren. Die Spitze der Grünen schweigt zu alledem, die Linke zerlegt sich selbst. Es wird düster für alle, die in Deutschland eine parteipolitische Heimat für eine Migrationspolitik suchen, die mehr als populistische Sprüche und Menschenverachtung zu bieten hat.

Immerhin: Der in Berlin-Neukölln lebende SPD-Bundestagsabgeordnete Hakan Demir fordert, man müsse auch über andere Aspekte der Migration reden. Tun wir: In unserem Interview erklärt IOM-Experte Federico Soda, warum es nichts bringt, nur auf Abschottung zu setzen, warum sogenannte Pull-Faktoren wie Sozialleistungen für potenzielle Migranten weniger wichtig sind als uns die Populisten aller Parteien Glauben machen wollen und wie Bausteine einer vernünftigen Migrationspolitik aussehen.

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Tillmann Elliesen 

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Buchtipp

Russland in Afrika: Samuel Ramani legt mit seinem Buch erstmals eine umfassende Analyse russischer Afrikapolitik vor, die ihr Augenmerk auf grundsätzliche Strategien des Putin-Regimes richtet. Der Politikwissenschaftler aus Oxford thematisiert auch die globale Dimension des Angriffskriegs auf die Ukraine. Unser Rezensent Heinrich Bergstresser hat das Buch gelesen.

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