Eritreas Spione bedrängen Geflüchtete

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Für Geflüchtete aus Eritrea wie diesen jungen Mann im Kanton St. Gallen ist die Schweiz nicht immer ein Idyll.
Schweiz
In der Schweiz arbeiten laut einem Zeitungsbericht Spione der eritreischen Diktatur als Dolmetscher bei Asylanhörungen. Der Schweiz wird schon länger vorgeworfen, die eritreische Diaspora nicht genügend zu schützen.

Wer in der Schweiz Asyl beantragt, hat das Recht, in Anwesenheit eines Dolmetschers oder einer Dolmetscherin angehört zu werden. Im Falle Eritreas allerdings kommt es vor, dass die Person, die für das Staatssekretariat für Migration (SEM) übersetzt, ein Spion im Dienste der eritreischen Regierung ist. Das hat die „Aargauer Zeitung“ unlängst berichtet. Ein eritreischer Geflüchteter schildert seine Erlebnisse darin so: „Er drohte mir vor den Behörden in meiner Muttersprache, ich solle bloß nichts Falsches sagen über mein Land. Zudem verniedlichte er meine Aussagen, spielte sie herunter und winkte oft ab, wenn ich anfing, Geschichten über die Gefangennahme von politischen Flüchtlingen zu erzählen.“ Andere asylsuchende Eritreer berichten in der Aargauer Zeitung von ähnlichen Situationen.

Die betroffenen Asylsuchenden vermuten, dass diese Praxis in manchen Fällen zu der Ablehnung der Gesuche geführt habe. Viele eritreische Geflüchtete in der Schweiz warnen Neuankömmlinge davor, dass einige Dolmetscher und Dolmetscherinnen direkt für Diktator Isaias Afewerki arbeiten. Die „Aargauer Zeitung“ konnte mit einem Eritreer in der Schweiz sprechen, der das bezeugt: Er habe für die eritreische Regierung gearbeitet und mehr als 1500 Dolmetscher für solche Einsätze ausgebildet. Einige davon habe er nach seiner Flucht in Schweizer Asylzentren wiedergetroffen. Die Regierungen in Europa hätten keine Chance, herauszufinden, wer von der Regierung indoktriniert sei und wer nicht. 

Dieser Ansicht ist auch die Schweizer Regierung: „Es übersteigt die Möglichkeiten des Staatssekretariats für Migration, Spitzel unter Dolmetschenden zu enttarnen“, schrieb sie im Jahr 2015 auf Anfrage einer Politikerin. Denn bereits damals wurden Vorwürfe gegen eritreische Übersetzer der Bundesbehörde erhoben. Heute schreibt das SEM in einer Stellungnahme, man nehme die Vorwürfe sehr ernst und habe eine Untersuchung eingeleitet. Weiter weist es darauf hin, dass man sich bei einem Verdacht direkt beim SEM oder bei der Polizei melden solle. Ab 2024 sei es zusätzlich zu den anderen Kontrollen möglich, Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Bewerbungsverfahren einer Personensicherheitsprüfung zu unterziehen. Bislang fehlt die rechtliche Grundlage dazu.

Auf Kulturfesten wird Regierungspropaganda verbreitet

Der Schweiz wird schon länger vorgeworfen, die eritreische Diaspora, die mit 40.000 Mitgliedern zu der größten des Landes gehört, nicht genügend zu schützen. Einige Geflüchtete berichten in Zeitungsartikeln, sie würden von Spitzeln aus ihrem Land verfolgt oder bedroht. Immer wieder sorgen sogenannte Kulturfestivals für Unmut bei Eritreern und Eritreerinnen, da auf ihnen die Propaganda des Regimes verbreitet werde und sie dazu dienten, Geld für die Diktatur zu sammeln.

Hinzu kommt, dass Eritreer und Eritreerinnen in der Schweiz bei der eritreischen Botschaft einen Pass als Identitätsnachweis beantragen müssen, wenn sie beispielsweise heiraten wollen. In der Botschaft werde dann kontrolliert, ob sie die zwei Prozent Steuern regelmäßig bezahlt haben, die das Regime von der Diaspora verlangt. Außerdem fordere das Botschaftspersonal häufig, eine „Reueerklärung“ zu unterschreiben oder sensible Informationen über Familienangehörige preiszugeben.

Das kritisiert der Eritreische Medienbund der Schweiz (EMBS), dem Mitglieder der eritreischen Diaspora sowie Schweizer und Schweizerinnen angehören. Zusammen mit dem Migrant Solidarity Network, das die Solidarität zwischen MIgrantengruppen und der Schweizer Bevölkerung fördern will, will er sich mit einer Petition gegen diese Passbeschaffungspflicht wehren. „Zwangskontakt zum Regime, Zwangsabgaben an das Regime und Nötigungen durch das Botschaftspersonal müssen endlich enden“, steht in der Petition, die noch bis November läuft.

Auch der UN-Sonderbeauftragte äußert Kritik

Auch der UN-Sonderbeauftrage für Menschenrechte in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, sagt in einem Interview mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: „Staaten, die eritreische Geflüchtete aufnehmen, sollten aktiv Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen.“ Als erfreuliches Beispiel nennt er Deutschland, wo das Bundesverwaltungsgericht bereits vor einem Jahr entschieden hat, dass Eritreerinnen und Eritreer keinen Pass mehr auf der Botschaft besorgen müssen, wenn sie dafür bestimmte Forderungen erfüllen müssen.

Babiker betont außerdem, dass die Rückführung eritreischer Asylsuchender in ihr Herkunftsland mit Gefahren verbunden sei. Die Schweiz beurteilt das anders: Seit 2016 sieht das SEM die illegale Ausreise aus Eritrea allein nicht mehr als Grund, um in der Schweiz als Flüchtling anerkannt zu werden. Dahinter steht die Überzeugung, dass in Einzelfällen eine Rückkehr zumutbar sei. Dem widerspricht Babiker. „Die Praxis der eritreischen Behörden, zurückgekehrte Asylsuchende willkürlich zu inhaftieren, zu verhören und in einigen Fällen zu foltern oder verschwinden zu lassen, wurde im Rahmen meines Mandats und von der UN-Untersuchungskommission für Eritrea ausführlich dokumentiert.“

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