Schrecken ohne Ende in Simbabwe

Peter Godwin
The Fear
Picador, London 2010,
353 Seiten, 12,95 Euro


„Es gibt viele Dinge, die Menschen sich nicht vorstellen können, aber nichts, was Menschen nicht fähig wären zu tun.“ Das Zitat aus einem Buch über die chinesische Kulturrevolution könnte das Motto von Peter Godwins Bericht aus Simbabwe in den letzten Jahren der Herrschaft von Robert Mugabe und seiner Zanu-PF sein: „The Fear“. So nennen Simbabwer die Wellen von Säuberungen, mit denen der greise Präsident 2008 einen Wahlsieg der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) zu verhindern suchte, und die Racheaktionen danach, als trotz aller Einschüchterung und Manipulation Mugabe die Macht mit dem Wahlsieger Morgan Tsvangirai teilen musste.

Drei Monate lang hat Godwin das Land bereist und mit Hunderten von Menschen gesprochen, mit Verstümmelten, Vergewaltigten, knapp dem Tode Entronnenen, mit Politikern beider Seiten und mit den wenigen verbliebenen weißen Farmern. Bei den Gewaltaktionen der Regierung und ihrer Hilfstruppen, der sogenannten Kriegsveteranen, standen nicht Schwarze gegen Weiße. Es ging und geht um puren Machterhalt, so Godwin, um den brutalen Kampf Mugabes auf dem Rücken des eigenen Volks.

Der Autor, heute Journalist in New York, ist in Simbabwe aufgewachsen. Als er das Hospital besucht, in dem seine Mutter früher Ärztin war, fehlt es dort an allem. Dennoch versucht man, den Opfern der Säuberungsaktionen zu helfen. Die Leichen wirft man mangels Särgen und Leichenwagen aus dem Fenster.

Das Buch rüttelt auf, weil da einer schreibt, der das Land und seine Menschen kennt und liebt. Godwin zeigt und zitiert. Er lässt den Leser das Ausmaß des Grauens und der Zerstörung in Einzelschicksalen miterleben. Die meisten Gesprächspartner sind nicht prominent. Sie sind Bürger, deren einziges Vergehen darin besteht, den MDC, eine legale demokratische Partei, unterstützt zu haben oder dessen verdächtigt worden zu sein. Auf einer Straße kommen Godwin Gruppen von Menschen in Rollstühlen entgegen, entlassene Folteropfer, die von ihren Angehörigen in eine ungewisse Zukunft gefahren werden.

Godwin spricht aber auch mit Morgan Tsvangirai und besucht Roy Bennett im Gefängnis. Dort landet der designierte stellvertretende Landwirtschaftsminister, auf den Mugabe einen besonderen Hass hegt, immer wieder. Er ist ein Weißer, der auch nach der Enteignung seiner Farm zu Simbabwe steht, sich im MDC engagiert und über eine große schwarze Anhängerschaft verfügt.

In Gesprächen mit Menschen, die Mugabe nahestehen – wie seinem Seelsorger –, versucht Godwin, den am längsten amtierenden afrikanischen Präsidenten zu ergründen: seine strategische Begabung, seinen unbedingten Machtwillen, seine in Hass umgeschlagene Liebe zu allem Britischen. Godwin wendet sich gegen die Lesart, da habe einer mit besten demokratischen Absichten begonnen und könne nun nicht aufhören. Schon die Morde in Matabeleland vor 25 Jahren zeigten Mugabes Gewaltbereitschaft. Damals entmachtete er seinen früheren Kampfgefährten und späteren Konkurrenten Joshua Nkomo und ließ Tausende von dessen Anhängern umbringen. Das Buch sei allen empfohlen, die ein genau recherchiertes Bild aus dem Inneren eines geschundenen Landes suchen. Eine politische Analyse bietet es nur in Ansätzen.


Edith Werner

 

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