Mehr als Sozialromantik

Christian Felber
Gemeinwohl-Ökonomie.
Das Wirtschaftsmodell der Zukunft

Deuticke Verlag, Wien 2010,
160 Seiten, 15,90 Euro


Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Währungskrise: Das Credo des kapitalistischen Wirtschaftsmodells – immerwährendes Wachstum als Grundlage des Wohlstands – scheint ähnlich fragwürdig geworden zu sein wie die angeblichen Selbstheilungskräfte des Marktes oder die sozialistische Planwirtschaft. Viele Menschen glauben nicht mehr, dass globale Probleme wie Umweltzerstörung, Klimawandel, Hunger und Armut mit den Mechanismen des ungebremsten Kapitalismus zu lösen sind.

Christian Felber stellt diesem Wirtschaftsmodell ein System entgegen, in dem Unternehmen Wettbewerbsvorteile genießen, die am effizientesten kooperieren und sich vorrangig am Wohl der Gemeinschaft orientieren. Wessen Produkte haben die beste Ökobilanz? Wer fördert seine Mitarbeiter am besten? Als Belohnung für ihre sozial-ökologische Ausrichtung erhalten die Unternehmen sogenannte Gemeinwohlpunkte. Anhand der erreichten Punkte werden die Steuersätze berechnet, die öffentlichen Förderungen kalkuliert und Kredite vergeben.

Felber bricht dabei nicht mit dem System der Gewinnorientierung, wohl aber mit dem Prinzip der Gewinnmaximierung: Überschüsse dürfen nur für die Schaffung sozialen und ökologischen Nutzens sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verwendet werden. Größere Investitionen sind erlaubt auf der Basis einer Gemeinwohlkalkulation. Verboten werden die Ausschüttung von Unternehmenserträgen an Personen, die nicht an der Wertschöpfung beteiligt waren, feindliche Übernahmen und Fusionen, Finanzinvestments, Parteispenden und extreme Einkommensungleichheit zwischen Arbeitnehmern.

In der Gemeinwohl-Ökonomie kehren Banken zu ihren Wurzeln zurück: Die „Demokratische Bank“ fördert mit ihren Krediten regionale Wirtschaftskreisläufe und ökologisch nachhaltige Investitionen. Fonds und Aktiengesellschaften sind abgeschafft. Mit diesem System werden Wirtschaftsbosse „entmachtet“, die erfolgsbesessen, egoistisch, gierig und unverantwortlich ihre Ziele verfolgen. Felber will Menschen den Weg in Führungsposten der Wirtschaft ebnen, die in ihrem Sozialverhalten eher dem humanistischen Menschenbild entsprechen: sozial, empathisch, dem Gemeinwohl verpflichtet, kreativ, werteorientiert.

In einer Zeit wachsender Existenzängste und drohender Armut auf der einen und der Anhäufung von immer größeren Vermögen auf der anderen Seite könnte Christian Felbers Modell mehr sein als nur ein sozialromantisches Gedankenspiel. Der in konkrete, nachvollziehbare Schritte gefasste Entwurf könnte zumindest als Grundlage dienen für eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wie ein humanes, sinnstiftendes, teilhabeorientiertes und ökologisches Wirtschaftssystem aussehen könnte. Dessen Leitmotiv lautet: Gut ist, was allen, und schlecht ist, was nur einigen wenigen dient.


Annette Lübbers

 

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