Eingeschränkte Sicht auf Afrika

Robert I. Rotberg
Africa Emerges. Consummate
Challenges, Abundant Opportunities
Polity Press, Cambridge 2013,
269 Seiten, 22,20 Euro

So sicher wie auf eine Ebbe die Flut folgt, gilt in der Afrikawissenschaft das eherne Gesetz, dass nach einer Welle optimistischer Einschätzungen zur Entwicklung des Kontinents mit einigen Jahren Abstand die Afro-Pessimisten den Ton angeben. Derzeit scheint es in einer Vielzahl von Medien, in der Politik und in Teilen der Wissenschaft wieder en vogue zu sein, den Afrika-Optimismus zu pflegen. Besonders die steigenden Zahlen beim Bruttoinlandsprodukt in einigen Ländern des subsaharischen Afrika, die freilich oft allein auf hohen Rohstoffpreisen beruhen, lassen dort eine fast euphorische Stimmung aufkommen.

Robert I. Rotberg, Politikwissenschaftler und zeitweise Berater der US-Regierung in Sachen Afrikapolitik, ist einer der Protagonisten dieses Trends. In seinem jüngsten Buch konstatiert er einen einschneidenden Umschwung nach den „verlorenen Jahrzehnten“ seit den 1960er Jahren. Zunächst widmet sich Rotberg einigen der seiner Einschätzung nach wichtigsten Probleme Afrikas. Kriege und Gewalt, Krankheiten, demographische Entwicklungen, fehlende Infrastruktur, Korruption und andere Faktoren, die er beschreibt, hätten bei anderer Interpretation auch zu einem Buch Anlass geben können, das „Afrika stagniert“ oder „Afrika lässt nach“ hätte heißen können.

Doch Rotberg setzt alle Hoffnung in eine aufstrebende Mittelschicht, die nach und nach ihre Ansprüche geltend machen könne. Für ihn werden vor allem zwei miteinander verbundene Faktoren über Wohl und Wehe des Kontinents entscheiden: Zum einen stellt er die Notwendigkeit von guter Regierungsführung (Good Governance) heraus, zum anderen sei vor allem eine aufgeklärte und dem Gemeinwohl verpflichtete Führung (Leadership) vonnöten, um Afrika auf den Weg zur Moderne zu führen. Vorbilder sind für Rotberg Botsuana und Mauritius, als visionäre Führer stellt er Nelson Mandela (Südafrika) und Seretse Khama (Botsuana) vor.

Der Autor verbindet leider die Moderne in Afrika mit einer Vorstellung von Entwicklung, wie sie vor allem im Westen stattgefunden hat

Schlechte Regierungsführung sei, so Rotberg, vor allem der Unkenntnis der jeweiligen Führung geschuldet, welche Dividenden eine Demokratie nach westlichem Vorbild einbringen könnte. Er plädiert sogar für von außen unterstützte Schulungen des politischen Spitzenpersonals in guter Regierungsführung. Diese Sichtweise eines Autors mit langjähriger Afrikaerfahrung überrascht doch sehr. Gerade die Potentaten der so genannten „bad performers“ wissen sehr wohl die Vorteile einer parlamentarischen Demokratie zu schätzen und haben sie beim Auslandsstudium, Krankenhausaufenthalten oder den zahlreichen privaten Besuchen in den Vereinigten Staaten oder Europa intensiv kennengelernt. Das Problem ist nicht Mangel an Wissen, sondern eine bewusste und rationale Entscheidung, im eigenen Land eben nicht in dieser Form zu regieren, sondern sich eher der Pflege von informellen klientelistischen Netzwerken zu widmen.

Bedauerlicherweise verbindet Rotberg weiter die Moderne in Afrika mit einer Vorstellung von (wirtschaftlicher) Entwicklung, wie sie vor allem im Westen oder Asien stattgefunden hat. Gerade in vergangenen Jahrzehnten ist die Kritik am westlichen Entwicklungsmodell lauter geworden, doch davon erfährt man hier nichts.
Wer dachte, dass die Tage der großen Theorien gezählt sind, muss sich von Rotberg eines Besseren belehren lassen. Ganz im Sinne der klassischen Modernisierungstheorie setzt der Autor auf die Kräfte des Marktes und „gute Regierungsführung“. Gern hätte man gelesen, wie die unverminderte Ausbreitung okkulter und religiöser Praktiken auf die Politik in Afrika wirken, wer tatsächlich die Mittelklasse und die so genannte Zivilgesellschaft in afrikanischen Ländern stellt oder wie Legitimität auch auf der lokalen Ebene befördert werden kann. Dazu hat Rotberg aber nichts zu sagen. (Ruben Eberlein)

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