Streifzug durch Ägyptens Geschichte

Wafaa El Saddik
Es gibt nur den geraden Weg
Verlag Kiepenheuer & Witsch, 
Köln 2013, 360 Seiten, 19,99 Euro 

Wafaa El Saddik musste vieles mit ansehen. Etwa, wie der Diktator Hosni Mubarak auf den Grabschatz des Tutenchamun zugriff, weil er ein Gastgeschenk für Silvio Berlusconi brauchte. Oder die Einsetzung von unfähigen Günstlingen auf Posten mit großer Verantwortung. Korruption, Einschüchterung, Willkür, überkommene Traditionen, das sind die Ingredienzien der ägyptischen Kultur, die immer wieder den oft ohnmächtigen Zorn der Archäologin erregen und sie doch nicht von ihrem Weg abbringen.

Sie wird als erste Frau mit der Leitung des Ägyptischen Museums in Kairo betraut, und sie bleibt in dieser Funktion bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2010. Wenige Wochen später sympathisiert sie mit dem beginnenden arabischen Frühling in Ägypten und muss dann miterleben, wie das Museum der Plünderung preisgegeben wird.

„Es gibt nur den geraden Weg“ ist ein Lebensprinzip, das ihr ihre Mutter mitgegeben hat. Und Wafaa El Saddik steht es durch. Sie macht Karriere, obwohl sie sich dem Austausch von Gefälligkeiten, dem Eingehen demütigender Kompromisse und den Verlockungen der Macht verweigert. Zweifellos hätte es eine Frau aus einer weniger privilegierten Familie viel schwerer gehabt. Schon der Großvater war ein wichtiger Funktionsträger, ihr Vater ein wohlbestallter Ingenieur. El Saddiks Lebenserinnerungen sind vor allem deshalb lohnende Lektüre, weil sie gleichzeitig ein Streifzug durch Ägyptens Geschichte der vergangenen 60 Jahre sind und Einblick in ein System institutionalisierter Korruption gewähren. Die Autorin, die in Wien promoviert und 20 Jahre lang in Köln gelebt hat, vermeidet es, selbstgerecht oder arrogant zu wirken. Man nimmt ihr ab, dass sie sich für ihr Fach begeistert und damit die Ehre der ägyptischen Archäologie rettet. Eine ägyptische Frau, die tatsächlich mitgraben wollte, war noch in den 1970er Jahren eine Sensation.

Das Buch strahlt neben Fachkompetenz sehr viel Menschlichkeit aus und ist aus beiden Gründen lesenswert

Auch ihre Empörung über die miserable Behandlung ihrer einfachen Landsleute wirkt echt. Sie brüstet sich nicht damit, dass Monarchen und Präsidenten nach ihrer Führung durch die Altertümer verlangen. Vielmehr besucht dieselbe Frau, die gerade die dänische Königin durch Luxor begleitet hat, die Witwe eines Wächters in ihrer Hütte und versucht, ihr aus der Not zu helfen. Anders als die Angehörigen der getöteten Touristen wurden die Hinterbliebenen der ägyptischen Opfer des Terroranschlags von 1997 nicht vom Staat entschädigt.

Während ihrer langen Aufenthalte in Europa greift Wafaa El Saddik Ideen auf, die in ihrer Heimat nicht verstanden werden. Dazu zählen die pädagogische Vermittlung der Geschichte in den Museen und die Integration blinder Kinder. Ihr Buch strahlt neben unbestreitbarer Fachkompetenz sehr viel Menschlichkeit aus und ist aus beiden Gründen lesenswert. (Ralf Leonhard)

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Schiff aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!